
Mithilfe ihrer Hände behandeln Osteopathen vielerlei Beschwerden. Wir haben Tester in fünf Praxen geschickt – mit positiven Ergebnissen.
Der Schmerz in der Schulter stammt nicht nur aus der Schulter. „Ihr Schlüsselbein- und Ihr Beckengürtel sind nicht im Gleichgewicht“, sagt der Osteopath zu Verena Lange (Name von der Redaktion geändert). Zuvor hat er sie ausführlich befragt, aufmerksam gemustert und ihr seine Handflächen auf Nacken, Rücken und Bauch gelegt. Später drückt er an verschiedenen Körperstellen, mal etwas stärker, mal etwas schwächer, beginnend bei den Schultern. Ab und zu rumpelt es in Verena Langes Magen. Das deutet ihr Behandler als „Zeichen der Entspannung“.
Mit Händen ganzheitlich heilen

Spezielle Griffe. Das wichtigste Werkzeug der Osteopathen sind die Hände. Damit lösen sie zum Beispiel „Blockaden“ im Innern des Körpers. Der Griff im Bild zielt auf die Leber.
Osteopathie (von altgriechisch osteon für Knochen und pathos für Leiden) ist eine alternativmedizinische Methode. Der amerikanische Arzt Andrew Still begründete sie Ende des 19. Jahrhunderts. Seit etwa 25 Jahren verbreitet sie sich in Deutschland, und die Nachfrage steigt. Immer mehr gesetzliche Krankenkassen erstatten zumindest anteilig die Kosten (siehe Tabelle). Möglich macht das das Versorgungsstrukturgesetz, das Anfang 2012 in Kraft trat. Seither dürfen Kassen mehr Extras anbieten. Regelleistung in der gesetzlichen Krankenversicherung ist Osteopathie nicht, und manche tun sie als „esoterisch“ ab. Tatsächlich fehlen noch hieb- und stichfeste Nutzenbelege aus großen klinischen Studien. Aber: Vielen Menschen scheint sie zu helfen, bestätigen unsere Onlineumfrage und fünf exemplarische Praxisbesuche.
Das wichtigste Werkzeug der Osteopathen sind die Hände. Ärzteverbände der manuellen Medizin betrachten die Osteopathie daher als Teil ihrer Disziplin (siehe „Manuelle Heilmethoden“). Doch osteopathische Berufsverbände sehen sie als eigenständige Heilkunde. Demnach gilt der Körper als komplexes System, in dem alle Strukturen verbunden sind. Doch mitunter stören Veränderungen, etwa eingeengte Nerven, das Zusammenspiel. Osteopathen versuchen, solche Probleme zu erkennen und zu lösen – vor allem mit den Händen. Oft erklären sie ihren Patienten, das bringe den Körper wieder „in Fluss“, „ins Gleichgewicht“ oder rege seine „Selbstheilungskräfte“ an. Mit diesem ganzheitlichen Ansatz behandeln sie nicht nur die namensgebenden Knochen, sondern eine Fülle von Beschwerden – von A wie Asthma bis Z wie Zähneknirschen.
Laut Umfrage und Testern positiv
Wie kommt das bei den Patienten an? Dazu führten wir Ende 2012 eine nichtrepräsentative Onlineumfrage durch (siehe auch www.test.de/umfrage-osteopathie). Rund 3 500 Teilnehmer hatten sich in den zwölf Monaten zuvor osteopathisch behandeln lassen. 71 Prozent sind mit dem Ergebnis „sehr zufrieden“, weitere 17 Prozent „zufrieden“. Die meisten hatten wegen derselben Beschwerden schon andere Therapeuten aufgesucht – ohne den erhofften Erfolg.
Unsere Praxisbesuche bestätigen das positive Bild. In München nahmen fünf Testpersonen mit wirklichen Beschwerden verschiedene Osteopathen verdeckt in Anspruch. Bei vier Patienten besserten sich die Leiden schon nach der ersten Sitzung. Die fünfte Testerin bemerkte keine Veränderung und würde den Behandler wohl wechseln. Dennoch: Alle fünf würden wieder zum Osteopathen gehen.
Tipp: Ein Therapieversuch kann sich besonders lohnen bei – oft schmerzhaften – Beschwerden im Bewegungsapparat, etwa mit der Wirbelsäule, den Gelenken, Knochen, Muskeln und Sehnen. Daran leiden viele Hilfesuchende. Das gilt zum Beispiel für 85 Prozent unserer Umfrageteilnehmer und unsere fünf Testpersonen.
Erst viele Fragen
Auch Verena Lange plagt alle paar Wochen ein stechender Schmerz in der linken Schulter. Die Berlinerin schildert ihn zunächst aus der Erinnerung – gerade ist sie beschwerdefrei. Der Behandler schreibt auf einem Block mit und stellt eine Fülle von Fragen: „Haben Sie Probleme mit der Verdauung? Gibt es andere Krankheiten? Nehmen Sie Medikamente? Hatten Sie Operationen oder Stürze, zum Beispiel von der Schaukel?“ Für Verena Lange heißt es also weit zurückdenken. Dann soll sie sich bis auf die Unterwäsche ausziehen und gerade hinstellen. Von hinten legt der Osteopath ihr beide Handflächen an den Nacken, die Schultern, den unteren Rücken, den Bauch und verlangt jeweils einige tiefe Atemzüge.
Dann viele Griffe

Passender Druck. Osteopathen drücken an verschiedenen Stellen – nicht zu stark und nicht zu schwach. Untersuchung und Behandlung gehen ineinander über.
Nach einer ähnlichen Prozedur im Sitzen streckt sich die Patientin rücklings auf einer Liege aus. Der Mann schiebt eine Hand unter ihre linke Schulter, platziert die andere unterhalb ihres linken Schlüsselbeins. Er drückt von beiden Seiten, mal stärker, mal schwächer, setzt Akzente mit den Fingern. Ähnlich verfährt er mit der anderen Schulter. Dann nimmt er sich das Kreuzbein, den Bauch, die Hüfte und den Nacken vor. Er gibt Erklärungen und empfiehlt zuletzt: „Lassen Sie das alles zwei Wochen auf sich wirken. Entscheiden Sie dann, ob Sie noch einen Termin möchten.“ Jetzt befinde sich ihr Körper vorerst im Optimalzustand.
Tipp: Seien Sie sich im Klaren, dass Sie bei einer osteopathischen Behandlung genau betrachtet und an vielen Körperstellen berührt werden. Für eine optimale Therapie sollten Sie sich wohlfühlen. Sonst kommt ein Praxiswechsel in Betracht.
Erklärungen nicht selbstverständlich
Unsere fünf Tester machten ähnliche Erfahrungen wie Verena Lange. Auch sie wurden zunächst ausführlich befragt. Dann gab es eine Untersuchung mit den Augen und den Händen, die fließend in die Behandlung überging und weit über den Ort der Beschwerden hinausreichte. So erfuhr eine Patientin, die Ursache ihrer Knieschmerzen liege ganz woanders: am Kopf und im Oberbauch. Meist erklärten die Therapeuten ihr Vorgehen. Doch einer gab sich ausgesprochen wortkarg – vielleicht seine Art zu arbeiten. Manche Osteopathen lassen eher ihr Handwerk für sich sprechen, statt es in Worten zu erläutern.
Tipp: Wenn Ihnen bei der Sitzung Fragen aufkommen – nur zu. Auch schweigsame Osteopathen sollten diese beantworten.
Die Grenzen der Kunst
Noch etwas fiel bei dem wortkargen Osteopathen auf: Seine Behandlung besserte die Beschwerden nicht – anders als bei den übrigen Testern. Er verwies die Patientin, die unter anderem an Problemen mit der Halswirbelsäule litt, an einen Schmerztherapeuten. Das könnte heißen, dass er die Grenzen seiner Kunst erkannte. Das ist keine Schwäche, sondern enorm wichtig. Sonst besteht die Gefahr, dass nötige schulmedizinische Behandlungen unterbleiben. Gerade bei gefährlichen Infektionen oder Krankheiten wie Krebs darf Osteopathie nicht die einzige Therapie darstellen. Ein anderes Risiko ist denkbar, aber gering: dass Osteopathen Patienten verletzen. Die Handgriffe sind sanfter als bei vielen anderen manuellen Heilverfahren, auch wenn sie manchmal etwas wehtun oder zu Schmerzen am Folgetag führen.
Auf die Qualifikation achten
Um Osteopathie nach den Regeln der Kunst zu bekommen, sollten Patienten auf die Qualifikation ihrer Behandler achten. In Deutschland praktizieren schätzungsweise 5 000 bis 10 000 Osteopathen – ohne einheitliche Ausbildung. Das Spektrum reicht vom Wochenendseminar bis zum Vollzeitstudium. Bloß eine feste Regel gilt: Osteopathen dürfen nur selbstständig arbeiten, wenn sie auch Arzt oder Heilpraktiker sind. Der Beruf Physiotherapeut allein reicht dafür nicht aus.
Die Behandler unserer fünf Tester erfüllten diese grundsätzliche Bedingung und verfügten zudem über eine osteopathische Ausbildung mit mindestens 1 350 Stunden. Eine solche findet meist berufsbegleitend statt, verteilt über vier bis fünf Jahre.
Tipp: Listen mit entsprechend qualifizierten Therapeuten finden Sie bei Berufsverbänden, etwa unter www.osteopathie.de oder www.bao-osteopathie.de. Hilfreich für Ihre Suche sind auch persönliche Empfehlungen. 82 Prozent der Umfrageteilnehmer vertrauten ihnen. Die Qualifikation sollten Sie aber dennoch überprüfen.
Manche Krankenkassen zahlen
Viele Krankenkassen, die Osteopathie als Extra anbieten, stellen ähnliche Anforderungen an die Ausbildung des Therapeuten wie wir bei unseren Praxisbesuchen. Zudem muss in der Regel ein Arzt die Behandlung schriftlich veranlassen, etwa mit einer formlosen Bescheinigung. Oft erstatten die Kassen nachträglich maximal 60 Euro pro Termin für höchstens sechs Termine im Jahr. Die dürften meist reichen. Unserer Umfrage zufolge umfasst eine osteopathische Behandlung im Mittel fünf Sitzungen.
Tipp: In der Tabelle finden Sie die bundesweit geöffneten Kassen, die zumindest anteilig für Osteopathie zahlen. Weitere Infos, etwa zu regionalen Kassen, erhalten Sie im Produktfinder der Stiftung Warentest unter www.test.de/krankenkassen. Sie können auch direkt bei Ihrer Kasse nachfragen. Das gilt ebenso für Privatpatienten, die Osteopathie häufig erstattet bekommen.
Studien dringend erforderlich
Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen ist Osteopathie nicht. Dafür müssen medizinische Methoden meist ihren Nutzen nach strengen wissenschaftlichen Maßstäben erweisen. Ideal wären klinische Studien über möglichst lange Zeit und mit vielen Patienten, die nach dem Zufallsprinzip eine Therapie oder Schein- oder Vergleichsbehandlung bekommen. Solche Untersuchungen lassen sich für die Osteopathie jedoch nur schwer durchführen. Entsprechend mangelt es noch an aussagekräftigen Daten zum Nutzen.
Immerhin: Es gibt methodisch schwächere Studien, etwa mit wenigen Patienten oder ohne Vergleichsbehandlung, die eine Wirksamkeit der Osteopathie zeigen. Viele deutsche Untersuchungen finden sich bei der Akademie für Osteopathie unter www.osteopathie-akademie.de (Webseite derzeit nicht erreichbar).
Die positiven Effekte könnten auch mit der Geduld und Zuwendung der Behandler zusammenhängen. Die Sitzungen bei unseren Testern dauerten etwa 60 Minuten – Zeit, die in der Schulmedizin oft fehlt.
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Bei 3 Osteopathen, alle nach umfangreicher und offenbar erfolgreicher Ausbildung, war ich bisher in Behandlung und bin es teilweise heute noch. Sie haben meine jeweiligen Probleme recht rasch behoben oder/und mir geholfen, sie selbst zu beheben und in Zukunft zu vermeiden oder zu mildern.
Als Arzt mit 27 Jahren Berufserfahrung und Mitglied bei Mezis möchte ich alle ermuntern genau nach der Ausbildung und Qualifikation des Osteopathen zu fragen. Ein Physikprofessor kann sich genauso wie ein Fensterreiniger mit Lehrbrief in einem 10 Tage-Kurs zum Osteopathen ausbilden lassen. Qualität in der Medizin sieht anders aus.
Oder soll ich mal Ihre Fenster putzen???
Die Berufsbezeichnung Osteopathie ist in keinster Weise geschützt und niemand verlangt einen Nachweis.
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