
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will mehr Organspender gewinnen. © Bundesgesundheitsministerium / Maximilian König
Die Spenderzahlen in Deutschland sind auf dem Tiefpunkt. Bisher gilt in Deutschland: Niemand ist automatisch Organspender. Wer Organe nach Feststellung des Hirntods spenden möchte, kann dies in einem Organspenderausweis oder in einer Patientenverfügung dokumentieren. Bundesgesundheitsminister Spahn möchte das ändern. Im Gespräch Anfang Oktober 2018 erklärte er, was er mit der Novelle des Transplantationsgesetzes erreichen will und warum er für eine doppelte Widerspruchslösung ist.
Ehrliche Debatte nötig
Herr Bundesminister, Sie sprechen sich für eine gesellschaftliche Debatte zum Thema Organspende aus. Was soll sich ändern?
Spahn: Fest steht: Es muss sich was ändern. Denn obwohl wir alles getan haben, um mehr Organspenden möglich zu machen, stagnieren oder sinken die Transplantationszahlen sogar. Das können wir gegenüber den 10 000 Patientinnen und Patienten nicht verantworten, die auf der Warteliste für ein Spenderorgan stehen. Deswegen bin ich überzeugt davon, dass die Debatte um die Widerspruchslösung jetzt geführt und entschieden werden muss. Allein die Diskussion ist übrigens schon ein Wert an sich. Denn dadurch fragen sich viele automatisch, wie sie selber zur Organspende stehen. Und viele entscheiden sich dann, einen Spenderausweis auszufüllen. Das finde ich großartig. Wichtig ist mir vor allem, dass wir die Debatte sachlich und ehrlich führen. Denn es gibt genug Gegenargumente zur Widerspruchslösung. Die nehme ich sehr ernst. Deswegen habe ich den Kritikern dieser Idee auch angeboten, ihnen bei der Formulierung ihrer Gesetzesanträge zu helfen. Ich will mithelfen, im Bundestag eine breite ethische Debatte zu organisieren, unabhängig vom Fraktionszwang. Ich bin sicher, dass sie uns als Gesellschaft weiterbringt.
Was bedeutet „doppelte Widerspruchslösung“?
Widerspruchslösung heißt, dass jeder, der zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widerspricht, automatisch Organspender werden kann. Und doppelte Widerspruchslösung heißt, dass am Ende immer noch die Angehörigen das letzte Wort haben. Auch in Zukunft soll eine Organspende nur dann zulässig sein, wenn sie dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entspricht. Das ist wichtig – es könnte ja zum Beispiel sein, dass der Widerspruch zu Lebzeiten nicht aktiv festgehalten wurde, die Familie aber sicher ist, dass er mit einer Organspende nicht einverstanden wäre. Das muss vor dem Hintergrund der Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts berücksichtigt werden.
„Wir brauchen eine Organspendekultur“
Welches Ziel soll mit einer neuen Lösung erreicht werden?
Die Spenderzahlen sind nach wie vor zu niedrig. 10 000 Menschen – und mit Ihnen oft Kinder, Partner, Eltern und weitere Angehörige – warten auf ein lebensrettendes Organ und stehen auf der Warteliste. Wir sind es Ihnen schuldig, dass wir uns über Organspende Gedanken machen. Schließlich kann jeder von uns plötzlich in die Situation kommen, auf eine Organspende angewiesen zu sein. Daher brauchen wir in Deutschland eine Organspendekultur. Die Widerspruchslösung und die Diskussion darüber ist ein wichtiger Schritt.
In einem Gesetzesentwurf schlagen Sie weitere Maßnahmen vor, um die Zahl der Organspenden zu erhöhen. Welche Maßnahmen sind das?
Wir wollen dafür sorgen, dass Organspende in Krankenhäusern künftig Alltag wird. Dafür brauchen wir nicht nur eine höhere Spendebereitschaft, sondern auch die Kapazitäten. Die Transplantationsbeauftragten sollen mehr Zeit für ihre wichtige Aufgabe bekommen, vor allem auch, um mögliche Organspender auf der Intensivstation zu erkennen. Und wir wollen, dass die Krankenhäuser leistungsgerecht vergütet werden und keine finanziellen Nachteile haben, wenn sie sich bei der Organspende engagieren.
Betreuung der Angehörigen ist wichtig
Wird es in Zukunft für Angehörige möglich sein, mehr über den Erfolg einer Organtransplantation zu erfahren?
Eine gute Betreuung der Angehörigen halte ich für wichtig und wertvoll. Diese Aufgabe soll der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) zugewiesen werden. Im Rahmen dieses Betreuungsangebots kann die DSO die nächsten Angehörigen auch über anonymisierte Ergebnisse der Organtransplantation informieren, wenn diese es wünschen. Den nächsten Angehörigen kann eine solche Information sehr viel bedeuten.
Wie sieht der Zeitplan aus? Wann ist mit einer neuen Regelung zu rechnen?
Die Reform der Krankenhausabläufe in der Organtransplantation sollten wir so schnell wie möglich verabschieden. Da liegt der Kabinettsbeschluss bereits vor. Für die Widerspruchslösung brauchen wir dagegen mehr Zeit. Noch haben sich die Parlamentarier nicht einmal alle gefunden, die Anträge dazu formulieren wollen. Ich rechne aber damit, dass wir im kommenden Jahr zu einer Entscheidung kommen.
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Richtig, es wäre keine OrganSPENDE mehr. Aber wie ich bereits ausführte, arbeitet kein Arzt umsonst und kein Medikament ist kostenlos. Arzt wie Medikamente sind je nach Erkrankung lebensrettend und kosten dennoch Geld ... zum Teil enorm viel. Das bezahlt der Patient selbst oder schließt eine Krankenversicherung ab, die im Fall der Fälle die Kosten trägt.
Illegalen Organhandel (also gegen den Willen des "Spenders" oder unter unmenschlichen Umständen) bekämpft man sehr viel einfacher, wenn es legale Alternativen gibt und deshalb das Ausweichen auf den Schwarzmarkt unnötig ist.
Wer aufgrund seiner Armut seine doppelten Organe verkauft, tut dies sowieso. Aber wenn dies geregelt, mit Aufklärung und anständiger Entlohnung geschieht, ist dies auf jeden Fall besser als irgendwo in einem dunklen Hinterhof.
Und bei einer Totenspende (was ja die größte Zahl aller Organspenden ausmacht), greift ja auch dieses Argument nicht.
Wenn man Geld für eine "Organspende" bekäme wäre es keine Spende mehr sondern ein Verkauf von Organen. Das liefe dann darauf hinaus dass ärmere Menschen ihre Niere oder ähnliches "spenden" würden. Zudem wäre es dann noch schwerer Missbrauch und illegalen Organhandel zu bekämpfen.
Ich habe seit vielen Jahren einen Organspendeausweis und bin zur Organspende bereit. Eine Spende ist immer freiwillig. Wenn aber der Staat bzw. Gesetzgeber diese Spende per Gesetz einfordert, ist es keine Spende mehr, sondern staatlich verordnete Organentnahme. Wenn bis zur erforderlichen Entscheidung keine Angehörigen zu finden sind, der Organspendeausweis gerade nicht verfügbar bzw. zu finden ist oder das Widerspruchsregister aktuell Lücken aufweist … Was dann? Hier geht mir die Machtausübung des Staates viel zu weit. Sie verletzt mein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und persönliche Selbstbestimmung in einer für mich unerträglichen Weise. Wer garantiert denn, dass jeder Bürger dieses Widerspruchsregister überhaupt kennt? Wieso muss ich aktiv werden, um mich vor dem Übergriff des Staates zu schützen. Falls die Widerspruchsregelung kommt, ziehe ich sofort meine Spendenbereitschaft zurück und hoffe, dass diese Weisung letztendlich beachtet wird.
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