
Der mexikanische Pflücker Miguel Peréz* trägt Saftorangen zur Sammelstelle. Bis zu 80 Kilo wiegt ein voller Korb. © Stiftung Warentest
Die meisten Anbieter wissen nicht, welche Zustände auf den Plantagen ihrer Zulieferer herrschen. Eine Fairtrade-Farm fällt negativ auf.
Das Hemd des Pflückers ist schweißgetränkt, als er Orangen in einen hohen Tragekorb schüttet. Knapp 30 Grad im Schatten sind es hier am Golf von Mexiko. Miguel Pérez* schiebt seine Mütze zurecht und hievt die 80 Kilogramm schwere Last auf seine Schultern. Den weißen Trageriemen legt er sich um die Stirn und stapft durch lange Reihen von Orangenbäumen zur Sammelstelle. Mindestens 15 Körbe muss Pérez füllen, 1,2 Tonnen Früchte zur Sammelstelle schleppen. Erst ab dieser Menge kommt er auf den gesetzlichen Mindestlohn: etwa 6,60 Euro pro Tag.
Orangen-Ernte ist Knochenarbeit, nicht nur in Mexiko. Im vergangenen Jahr erhoben die Gewerkschaft Verdi und die christliche Initiative Romero schwere Vorwürfe gegen brasilianische Saftkonzerne. Auf deren Plantagen müssten Arbeiter zu Dumpinglöhnen im Akkord schuften, bekämen weder Sicherheitsschulungen noch Schutzkleidung und seien teils unter menschenunwürdigen Bedingungen untergebracht.
Den Vorwürfen nachgehen
Das Gros der Früchte für den Orangensaft auf Deutschlands Tischen ernten Pflücker in Brasilien: Etwa drei Viertel an Konzentrat und Direktsaft kommen von dort. Hauptanbaugebiet ist der Bundesstaat Sao Paulo. Mexiko liegt bei der Liefermenge deutlich dahinter.
Die Stiftung Warentest hat untersucht, unter welchen Bedingungen die 26 Fruchtsäfte aus dem Warentest produziert wurden. Zwölf Plantagen haben wir in den vergangenen Monaten besucht, eine davon ist die beschriebene in Mexiko. Wir wollten wissen: Wo werden die Orangen geerntet und gepresst, wo wird der Saft abgefüllt? Wie geht es den Pflückern, wie den Arbeitern in Abfüllbetrieben? Setzen sich die Anbieter für Arbeits- und Umweltschutz in der gesamten Lieferkette ein?
Seit zehn Jahren macht die Stiftung Warentest Untersuchungen zur gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung (Corporate Social Responsibility, kurz: CSR). Es ist der erste CSR-Test von Lebensmitteln, bei dem alle Anbieter mitmachten. Das Ergebnis allerdings ernüchtert.
Wir wollten von den Anbietern wissen, welche Plantagen den größten Teil der Orangen für die von uns untersuchten Chargen geliefert haben. Nur für 6 der 26 Säfte konnten die Unternehmen dies eindeutig belegen. Auf vier dieser Plantagen bewerten wir Arbeitsbedingungen und Umweltschutz mit ausreichend, auf zweien mit mangelhaft. Selbst das Fairtrade-Siegel ist kein Garant für Arbeits- und Umweltschutz Fairtrade bei Orangensaft.
In der Gesamtnote verdient nur ein Anbieter für sein CSR-Engagement die Note gut – ausgerechnet für den Saft, der im Warentest mangelhaft abschneidet. Einen Orangensaft haben wir gar nicht bewertet, weil der Anbieter während der Untersuchungszeit seinen Lieferanten gewechselt hat: K-Classic Premium von Kaufland.
Sechs lückenlose Lieferketten
Vor allem in Mexiko wachsen die Orangen für jene sechs Säfte, deren Anbieter ihre Produktionskette bis zum letzten Gliedoffenlegen konnten. Sie wiesen uns nach, welche Plantage den größten Anteil Orangen für den getesteten Saft geliefert hat. So konnten wir vor Ort untersuchen, unter welchen Bedingungen die Pflücker dort arbeiten. Eigene Erkenntnisse zu den Verhältnissen auf den Farmen haben die Anbieter offenbar nicht. Nach Aussagen der Farmbesitzer hat keiner der sechs Anbieter die Plantagen je gesehen.
Mangelhaft für zwei Plantagen

Anbau. Auf der größten besuchten Plantage in Brasilien standen mehr als 4 Millionen Orangenbäume. Der Eigentümer besitzt 26 weitere Farmen. Ihm gehören insgesamt 60 000 Hektar – diese Fläche ist etwa zweimal so groß wie München. © Stiftung Warentest
Bei zwei dieser Plantagen bewerten wir Arbeitsbedingungen und Umweltschutz mit mangelhaft. Eine ist der größte Zulieferer für den getesteten Amecke-Saft. Dort existieren weder schriftliche Arbeitsverträge noch Schutzmaßnahmen für die Arbeiter oder feste Löhne. Teils arbeiten auch sehr junge Pflücker auf Plantagen. Auf der besuchten Plantage gibt es dennoch keine Ausweiskontrollen. Die zweite Plantage mit mangelhaften Bedingungen liegt in Brasilien. Sie ist der größte Zulieferer für den Saft Lidl Fairglobe. Sie hat nur einen Angestellten, einen schriftlichen Arbeitsvertrag sahen die Prüfer nicht. Auch Gehalt und Arbeitszeiten der Helfer, welche die 6 000 Orangenbäume abernten, wurden nicht genannt. Den Arbeitern stehen weder Toiletten, noch Verpflegungsmöglichkeiten oder bei Unfällen Erste Hilfe zur Verfügung. Pikant: Der Lidl Fairglobe trägt das Fairtrade-Siegel. Verbraucher erwarten bei zertifizierten Säften neben fairen Preisen für die Farmer auch soziale und ökologische Mindeststandards bei der Produktion.
Gut für Edeka Karibische Orange
Edeka Karibische Orange ist beim CSR-Engagement der einzig gute Saft. Ebenso wie Edeka Bio lässt er sich bis auf die Plantage mit dem größten Orangenanteil zurückverfolgen. In beiden Fällen waren die Bedingungen auf der Plantage ausreichend. Beim Saft Karibische Orange schnitten der Abfüllbetrieb sehr gut und der Verarbeitungsbetrieb gut ab. Der Abfüller wies zum Beispiel großes Engagement beim Arbeitsschutz der Mitarbeiter nach. Der Weiterverarbeitungsbetrieb belegt unter anderem, dass er die ausgepressten Orangenschalen kompostiert. Farmer können den Kompost kostenfrei als Dünger mitnehmen. Laut Edeka wurde der CSR-Testsieger Karibische Orange, der im Test der Warenqualität mangelhaft abschnitt, inzwischen vom Markt genommen. Stattdessen steht nun der Saft Florida Orange in den Läden, der eine andere Lieferkette hat.
Das Argument der großen Menge
Aus Brasilien stammen die Früchte für 19 Säfte im Test, deren Lieferkette nicht mit Mengenangabe bis zur Plantage zurückverfolgbar war. Die hiesigen Anbieter weisen die Verantwortung von sich. Argument: Die große Produktionsmenge mache die Rückverfolgbarkeit der einzelnen Orange zu kompliziert. Zwar nannten uns die Anbieter einige Plantagen. Allerdings konnten sie uns nicht genau sagen, welchen Anteil an Orangen diese Betriebe zum getesteten Saft beigesteuert haben. Wir haben je eine dieser Farmen besucht. Da wir nicht ausschließen können, dass wir eine Vorzeigeplantage zu sehen bekamen, haben wir Arbeitsbedingungen und Umweltschutz in diesen Fällen nicht bewertet.
Drei Betriebe kontrollieren den Markt
Betrachtet man die schiere Masse, scheint eine Rückverfolgbarkeit zur Plantage tatsächlich kompliziert. So kann eine Flasche Orangensaft Teile der Ernte von bis zu 900 verschiedenen Plantagen enthalten.
Die Früchte für einen Großteil der getesteten Säfte werden jedoch in den Fabriken von nur drei brasilianischen Konzernen gepresst: Citrosuco S/A Agroindustria, Louis Dreyfus Commodities und Sucocítrico Cutrale. Sie kontrollieren etwa 90 Prozent der Verarbeitungsbetriebe für Orangen im Land. Die Organisationsstruktur der großen Drei sucht in der Branche ihresgleichen. Ihnen gehören zahlreiche Plantagen und teils auch Schiffsflotten, mit denen sie Saft und Konzentrat transportieren.
Obwohl die drei Saftriesen auch Orangen bei selbstständigen Farmen zukaufen, nannten sie in 18 von 20 Fällen direkt mit ihnen verbundene Plantagen. Ob diese Plantagen wirklich den größten Anteil Orangen für die getesteten Säfte geliefert hatten, wiesen sie nicht nach.
Wenig Einsatz, kaum Belege
Nicht nur für die Plantagen fehlten oft verlässliche Belege. Auch die Betriebe in Brasilien und Mexiko, die den Orangensaft pressen und verarbeiten, ließen in diesem Punkt zu wünschen übrig.
Nur drei Weiterverarbeiter stellten beim Waschen, Pressen, Konzentrieren und Kühlen der Orangen gute Arbeitsbedingungen unter Beweis. Sie zahlen zum Beispiel alle mehr als den gesetzlichen Mindestlohn. Sieben Betriebe gaben schon in den Fragebögen nur einen geringen Einsatz für Mitarbeiter und Umweltschutz an – und selbst diese wenigen Angaben belegten sie nicht. Sie schneiden ausreichend ab.
Bei den in Europa sitzenden Abfüllunternehmen verlief das besser. Sechs Betriebe belegten gutes, vier sogar sehr gutes CSR-Engagement. Nur mit ihnen haben die Anbieter regelmäßig zu tun. Ein Grund dafür ist, dass alle Glieder der Lieferkette gesetzlich verpflichtet sind, ihre Ware mindestens einen Handelsschritt zurück und einen nach vorn zu verfolgen. Wir erwarten mehr: CSR-Engagement muss Umweltschutz und Arbeitsbedingungen in der gesamten Lieferkette umfassen.
* Name von der Redaktion geändert.
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Ich bin die Plastikverpackungen und Einwegverpackungen leid! - Ich warte auf Ihren längst überfälligen Orangensaft-Test, aber bitte auch in Glasflaschen.
PS: In meiner Stadt (Hamm/ Westfalen) wurde unlängst ein großer EDEKA-Laden umgebaut und nach einigen Tagen neu eröffnet; in der Obstabteilung stand eine Orangenpresse für direkt gepressten Orangensaft; super Idee! - Aber leider nur für Plastikflaschen der Fa EDEKA! Eigene Glasflaschen (Typ Milchflasche, große Öffnung, mit Drehverschluss), die ich selber reinige und in der Spülmaschine bei 55 Grad Celsius spüle, waren nicht erlaubt. - Folge: Ich habe nicht eine Flasche gekauft. Der Stand wurde nach wenigen Tagen abgebaut. Insgesamt kein Käufer-Interesse. - Schade!
Frohe Weihnachten!
Reiner Schmidt, Hamm
@Peregrino303: Danke für den Hinweis. In der Tat sind alte Testberichte und Testergebnisse häufig nicht mehr hilfreich. Und tatsächlich entfernen wir nutzlos gewordene ältere Inhalte auf test.de nun konsequent, zumeist dann, wenn ein Themenbereich - etwa durch einen neuen Test - eine Aktualisierung erfährt. Beim Orangensaft ist das noch nicht geschehen. Aber auch hier werden wir tätig. (LW/SL)
Welche Tests aus dem Jahre 2004- 2015 bieten sie den Verbraucher sonst noch an? Es ist traurig als Flat
Kunde diese uralten Test zu lesen ,um daraus irgend welche Schlüsse zu ziehen.
Man kann ja verstehen dass zwei Jahre alte Tests noch wert sind, veröffentlicht zu werden,doch was älter ist ,ist nicht mehr das Papier wert, auf dem sie stehen.
Auch das ist Verbraucherorientierung.
@IrisGruber: Vielen Dank für Ihre Testanregung, die wir gerne entgegennehmen. Allerdings gibt es eine Vielzahl an Themen, die in der Planung stehen, so dass wir nicht alle Testvorschläge in absehbarer Zeit realisieren können. (PF)
Ich wünsche mir häufigere Tests von Lebensmitteln, deren Qualität sich ändert. Ein Orangensafttest aus dem Jahr 2014 bringt mir im Jahr 2018 rein gar nichts mehr, zumal ich als Käuferin von Bio Lebensmitteln von einem heutigen Test mehr Bio Orangensäfte im Test erwarte, die es 2014 in der Anzahl noch gar nicht gab. Ein jährlicher Test wäre sicherlich sinnvoll und wünschenswert und würde auch die Hersteller mehr unter Druck setzen, Schadstoffe möglichst gering zu halten, danke!