Augenoptikerketten versprechen hochwertige Brillen zum günstigen Preis. Wir haben die Qualität der größten Ketten und einiger selbstständiger Augenoptiker getestet.
Fast jeder Dritte sieht nicht scharf. Das ist das Ergebnis von 20 000 Sehtests, die Augenoptiker in der bundesweiten „Woche des Sehens“ im vergangenen Herbst durchführten. Manch einer zwischen 40 und 50 Jahren war offenbar zu eitel für eine Lesebrille, aber auch Autofahrer hatten nicht immer den optimalen Durchblick. Für den Zentralverband der Augenoptiker war das ein Anlass, zu regelmäßigen Augenprüfungen im Fachgeschäft aufzurufen. „Der Augenoptiker“, so heißt es in der Selbstdarstellung, „ist nicht nur Techniker, Physiker und Handwerker, sondern auch Psychologe, Designer, Mode- und Typberater sowie Kaufmann in einer Person.“
Das wollten wir genauer wissen, vor allem ob auch Service und Qualität stimmen. Die Kunden selbst können allenfalls Materialfehler oder den schlechten Sitz der Brille feststellen und reklamieren. Ob die ermittelten Brillenwerte stimmen oder die Gläser richtig positioniert sind, können sie in der Regel nicht überprüfen. Wir schickten deshalb Fehlsichtige zum Kauf von Gleitsicht-, Fern- und Nahbrillen bei den sieben größten Augenoptikerketten und fünf freien Berliner Optikern. Außerdem bestellten wir fünf Brillen bei Internetanbietern (siehe „Brillen aus dem Internet“).
Schwankende Qualität
Gesamtergebnis: Wichtigste Prüfkriterien waren für uns die fachlichen und handwerklichen Leistungen der Augenoptiker und die Frage: Wie gut ist das Endprodukt Brille? Im Gesamtergebnis konnten wir den Augenoptikern nur „befriedigende“ Leistungen bescheinigen. Besonders enttäuscht waren wir von der schwankenden Qualität im Brillenhandwerk, sowohl in verschiedenen Filialen derselben Augenoptikerkette als auch in den Berliner Einzelgeschäften. Gravierende Fehler passierten schon bei den ersten Arbeitsschritten, zum Beispiel der Augenprüfung. Im weiteren Verlauf versäumten die meisten Augenoptiker, die Brille individuell an Kopf und Gesicht der Kunden anzupassen. Ergbebnis: Druckstellen, eine schiefe Brille und im schlimmsten Fall ein verzerrter Seheindruck.
Beratung: Ehe der Kunde eine Brille kauft, erwartet er vom Augenoptiker gründliche Beratung. Doch unsere Untersuchungsergebnisse zur Beratungsleistung sind ernüchternd. Nur Binder und Matt Optik boten „befriedigende“ Beratung an, alle anderen waren schlechter.
So befragten nur wenige Augenoptiker unsere Tester nach ihrer Augengesundheit und nach Allgemeinerkrankungen, die sich auf die Augen auswirken können. Auch Hinweise auf die Bedeutung augenärztlicher Untersuchungen waren selten. Sie wären aber umso wichtiger, als die Brille für Erwachsene keine Kassenleistung mehr ist und die Praxisgebühr vermutlich eine weitere Hürde auf dem Weg in die Augenarztpraxis ist.
Auch das Interesse, für welchen Zweck die Brille genutzt werden sollte, blieb eher oberflächlich. Zwar gehörte die allgemeine Frage nach Autofahren, Bildschirmarbeit und Lesegewohnheiten überwiegend zum Standard, doch nach Details der Benutzungssituation erkundigten sich die Optiker nur selten.
Zur Auswahl der Brillengläser hatten die Anbieter schon mehr zu sagen. Allerdings wiesen sie eher auf die Vorteile von Sonderausstattungen hin als auf Nachteile oder Preisunterschiede. Ein ganz besonderes Manko der Glasberatung bestand darin, dass keiner der Augenoptiker unserem Nahbrillen-Tester riet, kleinere Glasrohlinge zu verwenden – Zwischengrößen, die von den gängigen Lagergläsern abweichen. Das wäre für einen relativ geringen Aufpreis möglich gewesen und hätte zu einer drastischen Verringerung der Glas-Mittendicke geführt. Hierdurch wäre die Brille nicht nur schöner, sondern vor allem auch leichter geworden (siehe „Richtiges Glas“). Die Funktionsweise von Gleitsichtgläsern erklärten alle Augenoptiker mehr oder weniger ausführlich. Eventuelle Umstellungsschwierigkeiten, gegebenenfalls verbunden mit konkreten Tipps fürs „richtige“ Sehverhalten, sprachen sie jedoch seltener an.
Bin ich schön?
Bei der Wahl der Brillenfassung wurden unsere Tester nur von wenigen Optikern kompetent beraten, zumindest in ästhetischen Fragen. Doch immerhin rieten die meisten beim Kauf der Gleitsichtbrille von kleinen Fassungen ab, die nicht genügend Platz für die verschiedenen Sehzonen boten. Bedauerlich war, dass die Fachleute fürs gute Sehen den Fehlsichtigen nicht ermöglichten, sich selbst mit der neuen Brille anzusehen. Denn ohne Sehhilfe taucht bei stark Fehlsichtigen nur ein verschwommenes Bild im Spiegel auf. Doch nur zwei Optiker machten digitale Fotos, einer bot Tageskontaktlinsen, ein weiterer eine Lupe an.
Haarscharf daneben
Bestimmung der Glasstärken: Die beste Beratung und die schönste Brille nützen jedoch keinem Fehlsichtigen, wenn die Basis nicht stimmt – die Bestimmung der Fehlsichtigkeit und der notwendigen Brillengläser zu ihrer Korrektur. Zu oft verließen unsere Tester den Laden mit Brillen, die ihre Fehlsichtigkeit unzulänglich korrigierten. Nur der Augenoptikerkette Binder konnten wir in diesem Punkt ein „Gut“ geben. In den Geschäften anderer Ketten und der Berliner Augenoptiker schwankte die Qualität erheblich.
Die meisten Patzer – falsche Glasstärken und ungenau ermittelte Werte für die Hornhautverkrümmung – passierten bei den Gleitsichtbrillen und bei der Korrektur der Kurzsichtigkeit. Die Werte der Nahbrille wurden dagegen bis auf zwei Ausnahmen richtig ermittelt.
Zentrierung: Wenn die Bestimmung der Glasstärken abgeschlossen ist, muss der Augenoptiker die Pupillendistanz für die richtige Zentrierung der Brille bestimmen. Entsprechend muss er später die Gläser in die Fassung einarbeiten.
Nur Apollo und Abele boten bei der Zentrierung „gute“ Leistungen, Binder und die Berliner Einzelanbieter kamen nicht über „ausreichend“ hinaus. Die Folgen: Wenn die Augen beim Blick durch die Gläser die optimalen Stellen nur um wenige Millimeter verfehlen, kann die Sehhilfe unbrauchbar sein oder den Brillenträger zumindest mit erheblichen Problemen konfrontieren, wie Unschärfen, verzerrter Wahrnehmung, tränenden Augen oder Kopfschmerzen. Dabei sind die Ursachen der Beschwerden für ihn meist nicht zu erkennen.
Durchblick nicht optimal
Besonders schwierig war die Zentrierung bei der Gleitsichtbrille mit den verschiedenen Sehzonen und hohen Glasstärken. Die meisten Optiker setzten den optimalen Durchblickpunkt für die Ferne zu tief an. Das bedeutet, dass unser Tester vor allem beim Blick auf den Bildschirm seinen Kopf deutlich anheben muss, um gut zu sehen, und auf Dauer belastet das die Wirbelsäule. Besonders wichtig bei Gleitsichtgläsern: Die Zentrierwerte sollten im Stehen ermittelt werden, denn nur so ist die natürliche Kopf- und Körperhaltung sicher festzustellen. Auch die Verwendung von videogestützten Zentriersystemen kann helfen.
Handwerklich auf hohem Niveau
Fertigung: Wenn Fassung und Gläser ausgesucht, alle Werte ermittelt sind und der Hersteller die Gläser geliefert hat, kann der Augenoptiker die maßgeschneiderte Sehhilfe zusammenbauen. Für diesen handwerklichen Teilaspekt der Augenoptikerleistungen konnten wir die besten Noten im Test vergeben, fünfmal „Gut“ und dreimal „Befriedigend“. Zum Beispiel erzielten alle fünf getesteten Filialen von Apollo „gute“ oder „sehr gute“ Ergebnisse. Auch bei den anderen Anbietern bewegte sich die Fertigungsqualität insgesamt auf einem hohen Niveau. Selbst die Anfertigung der randlosen Bohrbrillen war durchweg gelungen. Diese Bauart stellt von allen Brillenarten die höchsten Anforderungen an die Fertigungstechnik.
Schief im Gesicht
Anpassung: Auffällig war dagegen die fast durchgängig unzureichende Anpassung der Brillen. Die Augenoptikerketten Abele, Matt, Bode und die Berliner Einzelanbieter erzielten nur „ausreichende“, Apollo, Fielmann, Binder und Krane „befriedigende“ Ergebnisse. Nur 3 von insgesamt 40 Brillen waren „gut“ angepasst. Viele Mängel wären zwar nachträglich behebbar, aber zunächst fand keine individuelle Brillenanpassung statt. In Extremfällen verließen unsere Tester die Geschäfte mit zu hoch, zu tief oder völlig schief sitzenden, sehr lockeren oder stark drückenden Brillen. Bei einer schiefen Brille verschiebt sich zum Beispiel die Zentrierung. Nach stundenlangem Tragen kann das zu Doppelbildern führen, weil die Augenmuskeln ermüden.
Schlechte Noten gab es vor allem für die Anpassung auf der Nase und die fehlerhafte Anpassung der Bügel, die eigentlich für den festen, aber druckfreien Sitz der Brille sorgen sollen. Nasenpads waren zu klein für eine schwere Brille, lagen an der falschen Stelle auf oder waren verkantet. Einschneidende Metallbügel drückten sich in den Schläfenbereich, schwebende Bügelenden gaben der Brille nicht den notwendigen Halt.
Kaum Produktinformationen
Kundenorientierung: Verbesserungsfähig ist auch die Kundenorientierung der Augenoptiker. Nur Apollo und Fielmann erzielten hierbei ein „Gut“. Wichtiger Kritikpunkt: Oft gab es zum Beispiel weder eine detaillierte Auftragsbestätigung mit eindeutigen Angaben zu Glastyp, Hersteller oder Extras wie Entspiegelung oder Härtung. Auch auf etlichen Rechnungen fehlten solche Produktinformationen, oder sie waren für Laien nicht verständlich.
Preise: Die Preisspanne der gekauften Brillen war groß. Die Gleitsichtbrillen zum Beispiel kosteten zwischen 98 und 534 Euro. Allerdings sind die Brillen nicht direkt vergleichbar. Zum Teil waren die Fassungen relativ teuer oder die Gläser hatten hochwertige Entspiegelungen. Im Übrigen wird indirekt die umfangreiche Dienstleistung (Augenprüfung, Brillenanfertigung und -anpassung) in Rechnung gestellt.
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