Online-Videotheken schicken Video-Daten statt Scheiben ins Haus. Das ist komfortabel, doch die junge Geschäftsidee muss noch reifen: Ein Videoabruf ist nicht so einfach wie das Einlegen einer DVD und das Filmangebot ist deutlich knapper als bei der klassischen Videothek um die Ecke.
Zu diesem Thema bietet test.de einen aktuelleren Test: Online-Videotheken.
Kinderkrankheiten
Einen Film bequem zuhause auf dem Sofa auswählen, dann sofort genießen, ohne einen Fuß vor die Türe zu setzen – die Idee hat was. Sie wird bereits umgesetzt. Das Zauberwort heißt Video on Demand, zu Deutsch etwa Video auf Abruf. Die Stiftung Warentest hat neun Anbieter dieser nicht mehr ganz neuen Geschäftsidee geprüft. Begeisterung kam dabei nicht auf. Die Anbieter sind weder so gut sortiert noch so preiswert wie Videotheken. Bei der Videothek um die Ecke kostet eine Ausleihe deutschlandweit im Durchschnitt zwar 2,56 Euro, während der Videoabruf bei 99 Cent startet. Doch aktuelle Filme in HD-Qualität sind drastisch teurer. Sie kosten im Videoabruf bis zu 6,09 Euro. Filme werden überwiegend geliehen. Sie stehen meist für 48 Stunden zum Ansehen zur Verfügung. Danach erlischt die Lizenz – Rückgabe überflüssig. Immerhin: So gibt es wenigstens keinen Zuschlag bei zu später Rückgabe eines Filmes.
Angebot für Technikfreaks
Während der Weg zur nächsten Videothek an der Ecke einfach ist, wirkt der Videoabruf kompliziert. Am leichtesten klappt es mit einem Smart-TV, also einem Fernseher mit Internetzugang. Smart-TVs haben einen eingebauten Zugang zu einigen Online-Videotheken. Eine weitere Technik zum Videoabruf setzt auf Settop-Boxen wie Apple-TV, auf internetfähige Blu-ray-Spieler, Computer oder Spielekonsolen. Diese Geräte müssen angeschlossen und für die Online-Videothek eingerichtet werden. Zur Fernbedienung fürs Fernsehgerät kommt noch eine zweite für den Zuspieler. Das muss man mögen.
Alles hängt am Internet
Alle Zugangswege haben die gleiche Hürde: Den Internetzugang. In Gegenden mit langsamen DSL-Verbindungen nerven Ladezeiten bis zu einigen Stunden und Bildruckler beim Abspielen von Filmen und Serien. In Großstädten ist der Internetanschluss meist schnell genug, auf dem Lande eher nicht. Eine zweite Hürde ist die Internetverbindung ins Wohnzimmer, zu Fernseher, Settop-Box oder Computer. Das geht entweder per Netzwerkkabel oder per WLan-Funk. Das Kabel funktioniert zuverlässig, ist im Wohnzimmer aber oft noch ein Fremdkörper. WLan ist eleganter, der Adapter kostet aber oft extra und die Funkbrücke ist nicht so stabil wie das Netzwerkkabel. Die perfekte Lösung gibt es nicht.
Einfach geht anders
Erste Erkenntnis der Tester: Ein Videoabruf ist lange nicht so einfach, wie das Abspielen einer DVD oder einer Blu-ray-Disc (BD). Als Nächstes stolperten sie über die Bildqualität. Der Testanschluss hatte eine Bandbreite von 50 Megabit/Sekunde (VDSL 50). Bereits mit einem Drittel davon, etwa 17 Megabit/Sekunde, wird die Bild- und Tonqualität einer Blu-ray erreicht. Trotz ausreichender Bandbreite lieferten gerade mal drei Online-Videotheken ein sehr gutes Bild. Doch selbst bei ihnen wirkt kein heruntergeladenes Video bis ins letzte Detail so brillant wie von der Blu-ray-Disc. Die Filme bei Lovefilm sind sogar ausgesprochen zum Weggucken: detailarmes Material mit unsauberen Kanten und grob verpixelten Bildern (Fachjargon: Blur-Effekt). Selbst DVDs machen mehr her, von einer Blu-ray-Disc ganz zu schweigen. Immerhin: Wer bei Lovefilm ordert, kann den Film parallel zum Abruf auch auf DVD oder BD ausleihen. Die Scheibe kommt per Post.
Nur wenig Filme zur Auswahl
Vor dem Filmgenuss steht die Auswahl. Auch in diesem Punkt gab es Magerkost. Werbung wie „Ihr Kino zu Hause“ (Acetrax Movies) oder „Wir haben, was Du sehen möchtest“ (Sony) entpuppt sich als Absichtserklärung. Die Tester durchforsteten das Repertoire der neun Anbieter nach je 100 Kinofilmen und TV-Serien, davon zwei Drittel Klassiker und ein Drittel aktuelle Hits. Wer zum Beispiel nach Blockbustern wie Star Wars, Zurück in die Zukunft, Pulp Fiction oder Toy Story 3 sucht, wird nur in Ausnahmefällen fündig, Gleiches gilt für Serienhits wie Raumschiff Enterprise, Akte X, Mad Men oder Türkisch für Anfänger. Lovefilm bietet zwar mehr als tausend Titel, doch kaum einen aus der Wunschliste zum Abruf an. Apples iTunes-Angebot schnitt mit knapp drei Viertel der gesuchten Filme am besten ab.
Geschäftsbedingungen mit rechtswidrigen Regeln
Kritik gab es für die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Apple iTunes, Lovefilm und Sony. Mit mehr als zwanzig Verstößen gegen gesetzliche Regeln stellt Sony einen Negativrekord auf. Meist wird nicht klar, was geregelt wird – im Zweifel erfährt das der Kunde erst, wenn er vom Dienst ausgesperrt wird. Ungenügend ist auch der Jugendschutz. Acetrax Movies will ein Altersverifikationssystem einführen und bis dahin keine FSK-18-Filme einstellen. Doch die sind schon heute ohne Nachfrage abrufbar. Blamabel: Apple, Microsoft und Sony sichern den Jugendschutz so lax, dass ihn wohl schon Sechsjährige aushebeln können. Unterm Strich entpuppt sich der Videoabruf mehr als Baustelle denn als Flaniermeile für Cineasten.