Patienten warten oft lange auf einen Psychotherapie-Platz. Einige Kassen bezahlen nun auch Internet-Behandlungen. Doch Psychotherapeuten-Verbände warnen davor, herkömmliche Therapien ganz durch Onlineverfahren zu ersetzen.
Eingesetzt werden häufig Methoden aus der Verhaltenstherapie
Psychotherapie-Praxen sind übervoll, Wartezeiten oft monatelang. Um die Versorgungslücke zu füllen, gibt es immer mehr Onlineangebote für psychisch Kranke – alternativ oder ergänzend zur Behandlung oder zur Überbrückung der Wartezeit. Sie richten sich oft an Patienten mit Angststörungen oder Depressionen. Nutzer chatten etwa mit einem Therapeuten oder erhalten online Aufgaben. Eingesetzt werden häufig Methoden aus der Verhaltenstherapie, wonach Lernprozesse bei psychischen Störungen helfen (Test Psychotherapie: Welche Therapie hilft, test 11/2011).
Behandlung für Versicherte oft kostenlos
Studien legen nahe, dass die virtuelle Behandlung wirkt. Auch einige deutsche Krankenkassen führen zusammen mit Universitäten Untersuchungen zum Thema durch. In diesem Rahmen ist die Behandlung für Versicherte oft kostenlos möglich. Die DAK teilt mit, das Programm Deprexis lindere durch Übungen und Informationen die Schwere einer Depression. Und die Techniker Krankenkasse betont, ihr DepressionsCoach hole viele Versicherte mit Onlineaufgaben und E-Mail-Rückmeldung von Therapeuten sogar aus der Depression heraus.
Psychotherapeuten-Verbände warnen
Psychotherapeuten-Verbände warnen davor, herkömmliche Therapien ganz durch Onlineverfahren zu ersetzen. Sie empfehlen dringend persönliche Gespräche, etwa um die Diagnose zu stellen. Nur so lasse sich entscheiden, ob zum Beispiel bei leichten Symptomen Onlinehilfen infrage kommen.
Persönlicher Kontakt fehlt
Onlinetherapien fordern Zeit und Eigeninitiative. Nutzer erhalten oft Aufgaben oder sollen Gelerntes im Alltag anwenden. Besonders schwierig: Sie müssen sich ohne dauerhaften persönlichen Kontakt mit dem Therapeuten motivieren.
Tipp: Wägen Sie als Betroffener in Ruhe und mit Sorgfalt ab, ob eine Onlinetherapie für Sie infrage kommt. Anbieter sollten zumindest vor Beginn per Fragebogen oder Interview klären, ob jemand nicht doch eine persönliche Behandlung braucht.
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Zum Kommentar von Hacky86: Das ist faktisch FALSCH! Die Zertifizierung Heilpraktiker Psychotherapie ist staatlich anerkannt und befugt zur Ausübung der Psychotherapie. Der Test dafür ist von sehr hohem Niveau. Ich habe in Amerika Psychologie studiert (Masters) und der HP Psychotherapie erlaubt mir, auch hier therapeutisch zu arbeiten. Und letztlich ist die menschliche Komponente - Empathie, Lebens- und Therapieerfahrung sowie persönliche Verbindung ("connection") - wichtiger für den Therapie-Erfolg als eine theoretische Ausbildung als "Diplom Psychologe". MfG Ingo Michehl, M.Ed.
Ich würde jedem Patienten empfehlen, auf jedem Fall zu einem psychologischen Psychotherapeuten zu gehen (diese Bezeichnung ist rechtlich geschützt) und nicht zu einem Heilpraktiker für Psychotherapie, da letzteres keine staatlich anerkannte Form der Psychotherapie darstellt und der Begriff auch nicht geschützt ist. Ähnlich wie auch "Energieberater" kann sich jeder "Heilpraktischer für Psychotherapie" nennen, auch ohne wirkliche Ausbildung.
Als HP für Psychotherapie biete ich meinen Patienten, die zu weit weg wohnen oder aus anderen Gründen nicht in die Praxis kommen können, auch Onlinetherapiestunden an. Dabei nutze ich ausschließlich Bildtelefonie, damit die Informationen, die über Stimme, Gestik und Mimik übermittelt werden, nicht komplett wegfallen, wie etwa bei Chats. Die Erfahrungen damit sind recht gut, vor allem im 'Mischbetrieb', wenn eine Therapie also nach anfänglichem persönlichem Kontakt auf diese Weise weiter geführt wird.
Ein reiner Therapie-Chat als Sparmaßnahme scheint mir allerdings zweifelhaft, da die Beziehung zwischen Therapeut und Patient größten Einfluss auf den Erfolg hat.