Online-Bewerbungen Worauf es ankommt

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Mappe, Umschlag, Briefmarke? Das war gestern. Wer heute auf Jobsuche ist, kommt um das Internet nicht herum.

Die Tage der Bewerbung auf dem Postweg sind gezählt. 75 Prozent der deutschen Großunternehmen nehmen die Unterlagen inzwischen bevorzugt online entgegen. Auch im Mittelstand ist die papier­lose Form gefragt. Das zeigt die Studie „Recruiting Trends 2009“ der Universitäten Bamberg und Frankfurt am Main und des Onlineportals Monster. „Das Internet ist bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter nicht mehr wegzudenken“, sagt Wiebke Bräuer, Recruitment-Spezialistin bei Philips. Der Elektronikkonzern erhält in Deutschland rund 40 000 Bewerbungen im Jahr.

Doch selbst Unterlagen, die per E-Mail eingehen, sind vor allem bei großen Firmen inzwischen die weniger beliebte Alternative. Die Bewerber sollen sich stattdessen in ein Formular auf der Homepage des Unternehmens eintragen. Dort geben sie ihre Daten ein. Lebenslauf und Zeugnisse sind als Dateien hochzuladen. Das Anschreiben wird in ein Freitextfeld formuliert.

Überzeugend auf den ersten Blick

Der virtuelle Fragebogen muss ausgefüllt denselben Ansprüchen genügen wie eine Mappe aus Papier. „Häufig wird das Formular nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit ausgefüllt“, stellt Bräuer fest. „Ein Einzeiler als Anschreiben genügt nicht.“

An den Standards hat sich in den vergangenen Jahren wenig geändert: individuell formuliertes Anschreiben, tabellarischer Lebenslauf, relevante Zeugnisse und gegebenenfalls Arbeitsproben. Ein Foto dürfen Arbeitgeber heute nicht mehr verlangen. Das verbietet sich seit 2006 mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Dennoch wird ein Bild gern gesehen.

Nur wenige Minuten dauert das erste Sichten der Bewerbungsunterlagen. Die Kunst ist also, auf Anhieb zu überzeugen.

„Wer positiv auffallen will, sollte seine Bewerbung so übersichtlich und informativ wie möglich gestalten“, sagt Simone Ulmer, Personalfachfrau beim Chemieriesen BASF. „Kreative Ideen sind okay, aber ich will kein rosarotes Päckchen ohne Inhalt.“

Neben der Qualifikation will Ulmer die Motivation erfahren: „Warum will jemand bei uns arbeiten? Diese Frage muss das Anschreiben beantworten.“

Auch für Mittelständler Claus Schuster zählt der individuelle Zuschnitt. „Eine Serienbewerbung erkenne ich sofort“, sagt der Geschäftsführer der Dialogmarketing-Agentur defacto marketing in Erlangen. Schuster empfiehlt, sich genau über den Arbeitgeber zu informieren.

Clever sei ein Anruf vorab. „Das zeigt ­Engagement und Interesse“, sagt er. „Diesen Bewerber merke ich mir.“

An einzelne Anrufer erinnert sich Christina de Bakker bei 18 000 Bewerbungen im Jahr nicht. Die Personalleiterin beim Wirtschaftsprüfer Deloitte lässt sich aber mit einem aussagekräftigen Lebenslauf beeindrucken: „Nicht nur die Berufsstationen, sondern auch Arbeitsschwerpunkte und Verantwortungsbereiche sind zu nennen.“

Wiebke Bräuer von Philips sagt: „Wenn jemand Projektleiter war, möchte ich genauer wissen, um was für ein Projekt es ging und welche Aufgaben der Bewerber hatte.“

Brüche im Lebenslauf erklären

Kaum ein beruflicher Werdegang verläuft heute ohne Brüche. Der Job auf Lebenszeit ist selten geworden. Was tun, wenn Arbeitslosigkeit eine Lücke in die Biografie reißt? „Nicht kaschieren, sondern erklären“, rät Xenia Meuser, Leiterin Recruitment bei Otto. „Arbeitslosigkeit ist heute kein Ausschlusskriterium mehr.“

Ehrlichkeit empfiehlt auch Thomas Michel, Personalchef Europa beim Softwarehersteller Mentor Graphics: „Personaler wissen, was sich hinter Begriffen wie ‚berufliche Neuorientierung‘ oder Orientierungsphase‘ verbirgt. Also legt man die Karten besser gleich auf den Tisch.“

Xing-Profil statt Initiativbewerbung

Da die Unternehmen nicht jede freie Stelle ausschreiben, ist es sinnvoll, sich auch initiativ, also unaufgefordert zu bewerben. Mit Standardschreiben kommt man allerdings nicht weit.

„Eine Initiativbewerbung muss ganz konkret Bezug nehmen auf unser Unternehmen und auf die Aufgaben, die sich der Bewerber bei uns vorstellt“, sagt Xenia Meuser von Otto. „Ein beliebiges Anschreiben, bei dem nur Name und Anschrift des Arbeitgebers ausgetauscht wurden, macht keinen überzeugenden Eindruck.“

Thomas Michel von Mentor Graphics hält Initiativbewerbungen im Zeitalter von Online-Netzwerken wie Xing für überflüssig. „Wer den Arbeitgeber wechseln will, sollte dort ein Profil mit Lebenslauf und Foto anlegen“, sagt er. Ein Hinweis auf die Jobsuche sei nicht nötig. „Personaler treten in Kontakt, wenn sie interessiert sind. Man wird gefunden, so oder so.“

Persönlichkeit ist gefragt

Kommt die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch, dann haben die Unterlagen gefallen und die Qualifikation stimmt grundsätzlich. Nun geht es vor allem um die Persönlichkeit. „Wir fragen zum Beispiel, wie der Bewerber schwierige Situationen in seinem Berufsleben gemeistert oder welche Erfahrungen er in Teams gemacht hat“, sagt Christina de Bakker von Deloitte. Geprüft wird im Gespräch auch, ob der Bewerber die Jobanforderungen tatsächlich erfüllt. „Wird verhandlungssicheres Englisch verlangt, muss in der Regel ein Teil der Fragen in der Fremdsprache beantwortet werden“, sagt Simone Ulmer von BASF.

Eins sollten Bewerber nie tun: sich verstellen. „Nervosität ist normal“, sagt Thomas Michel von Mentor Graphics. „Wir wollen den Bewerber kennenlernen, wie er wirklich ist.“ Denn am Ende steht die Frage: Passt der Bewerber ins Unternehmen? 

Bevor Mittelständler Claus Schuster endgültig einstellt, geht er mit dem Bewerber auf eine Reise – allerdings nur in Gedanken: „Wenn ich mir vorstellen kann, dass wir es im Auto von Erlangen bis nach Flensburg miteinander aushalten, dann passt es.“

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