
Vorsicht. Manche Mittel, die friedlich zusammenliegen, können Wechselwirkungen haben.
Selbst die besten Arzneiversender im Test schneiden nur befriedigend ab. Schwach ist vor allem die fachliche Beratung. Die Europa Apotheek liegt vorn.
Alles Bestellte ist drin in den Paketen sämtlicher Versandapotheken – und das heißt hier nichts Gutes. Unsere Testerin hatte ein Rezept über zwei Arzneimittel eingeschickt, die als Nebenwirkung den Kaliumspiegel im Blut erhöhen können. Das muss der Arzt regelmäßig kontrollieren. Zugleich bestellte sie das Nahrungsergänzungsmittel Magium K forte, das Kalium enthält. In der Summe kann der Kaliumspiegel im Körper stark steigen und Folgen bis hin zu bedrohlichen Herzrhythmusstörungen verursachen. Ein Hinweis darauf wäre wichtig: ein Anruf oder eine schriftliche Information, Magium K forte nicht zu nehmen, vielleicht auch ein Alternativvorschlag. Doch es kam nichts. Keine geprüfte Versandapotheke warnte unsere Testkundin vor dem Risiko.
Unser Rat
Testsieger, aber nur befriedigend, ist die Europa Apotheek, gefolgt von der Shop-Apotheke und Versandapo. Kein geprüfter Anbieter schneidet fachlich gut ab. Vor allem erkannten sie Wechselwirkungen oft nicht. Was Nutzer beachten sollten, steht in unseren Tipps. Versender aus dem EU-Ausland dürfen deutschen Kunden Rabatt auf rezeptpflichtige Arzneien geben (siehe Wie Sie bei Arzneimitteln sparen können).
Bestenfalls befriedigend
Der Kalium-Fall ist längst nicht die einzige Schwachstelle im Test. Auch bei den anderen Aufgaben haben viele Arzneiversender nicht überzeugt. Unter anderem wiesen sie nicht ausreichend auf Wechselwirkungen bei bestellten verschreibungspflichtigen Medikamenten hin und hinterfragten zu wenig, ob gewünschte rezeptfreie Mittel für Patienten geeignet sind. Das ist notwendig, um Arzneimittelrisiken zu vermeiden, und auch für Versandapotheken Pflicht. Sie werden von Vor-Ort-Apotheken betrieben und unterliegen deren gesetzlichen Vorschriften. Die Apothekenbetriebsordnung verlangt von beiden Sparten bei der Abgabe von Medikamenten ausdrücklich „Information und Beratung“ – auch zu Neben- und Wechselwirkungen. Bei rezeptfreien Mitteln sollen Apotheker klären, welches individuell infrage kommt. Besser als in den fachlichen Tests schneiden die Versender im Service, im Website-Check und bei den allgemeinen Geschäftsbedingungen ab. Dennoch sind die stärksten insgesamt nur befriedigend, sieben sogar mangelhaft.
Ganz vorn liegt die Europa Apotheek. Sie löste die Testaufgaben noch am besten, gefolgt von der Shop-Apotheke und Versandapo. Wir prüften 18 umsatzstarke Versandapotheken. 3 sitzen in den Niederlanden und haben eine Erlaubnis, Medikamente nach Deutschland zu versenden.
Vor-Ort-Apotheken sind in der aktuellen Prüfung nicht vertreten. Beim letzten Doppeltest boten sie ein ähnliches – mittelprächtiges – Bild wie die Versandapotheken (Artikel-PDF, test 5/2014). Und als wir kürzlich in zehn örtlichen Apotheken baten, einen Medikationsplan zu aktualisieren, ernteten wir zehn Mal Kopfschütteln (Test Medikationsplan, aus test 10/2017). Dieselbe Aufgabe stellten wir nun den Versendern. 6 der 18 erfüllten sie.
Versandapotheken sind in Deutschland seit 2004 erlaubt. Sie machen bei rezeptfreien Mitteln schon einen Marktanteil von etwa 13 Prozent aus. Nur rund 1 Prozent beträgt er bei rezeptpflichtigen Medikamenten – doch die sorgen für Wirbel.
Diskussion um Rabatte
Im Oktober 2016 entschied der Europäische Gerichtshof: Versender aus dem EU-Ausland dürfen Kunden in Deutschland Rabatte auf verordnete Medikamente geben. Schnell standen erste Offerten im Netz. „Bis zu 15 Euro Bonus“, versprechen etwa Docmorris und Shop-Apotheke pro Rezept, Europa Apotheek sogar bis zum Doppelten.
Deutsche Apotheker dürfen solche Rabatte nicht gewähren: Verordnete Medikamente unterliegen hierzulande der Preisbindung. Entsprechend erhitzte das Urteil die Gemüter. Apothekerverbände forderten gar, den Versandhandel mit verschreibungspflichtiger Arznei zu verbieten, Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe schloss sich an. „Bei Rezepten darf es nicht ums Schnäppchenjagen gehen“, sagte er uns auf Nachfrage. „Ein aggressiver Preiskampf gefährdet die flächendeckende Rundum-Versorgung der Bürger durch Präsenzapotheken.“ Der Vorstoß schaffte es ins Wahlprogramm von CDU und CSU. Bleibt abzuwarten, was daraus wird.
Die meisten anderen Parteien lehnen ein Verbot ab, genau wie Krankenkassen. Die Stiftung Warentest wie auch andere Verbraucherschützer halten die Versender für eine sinnvolle Ergänzung zu stationären Apotheken. „Allerdings ist es natürlich zwingend geboten, dass die Versandapotheken ihren rechtlichen Vorgaben und Pflichten im Sinne der Patientensicherheit nachkommen“, sagt Kai Vogel, Leiter des Bereichs Gesundheit beim Bundesverband der Verbraucherzentralen.
Risiken und Nebenwirkungen nennen

Auf Draht. Versandapotheken müssen Kunden zu Arzneimitteln beraten und dafür eine Telefonnummer anbieten.
Wir prüften die fachliche Qualität mit sieben Aufgaben. Drei betrafen rezeptpflichtige Medikamente. Noch halbwegs ordentlich klappte der Fall, bei dem ein Tester zwei Rezepte von verschiedenen Ärzten einschickte. Auf dem einen stand der Cholesterinsenker Atorvastatin, auf dem anderen ein Wirkstoff gegen Herzrhythmusstörungen namens Amiodaron. Er kann die Effekte von Atorvastatin verstärken – auch bedrohliche wie den Abbau von Herzmuskelgewebe. Jeder zweite geprüfte Versender wies auf die Wechselwirkung hin.
Um Welten schlechter lief es beim nächsten Fall. Ein Tester sandte Rezepte von zwei Ärzten ein. Einer hatte unter anderem Ibuprofen verordnet, der andere Diclofenac. Sie zählen zur selben Gruppe von Schmerzmitteln, mit ähnlichen Nebenwirkungen. Im Doppelpack drohen Überdosierungen. Ein einziger Versender, Medikamente-per-klick, wies darauf hin: Ein Mitarbeiter rief unseren Probanden an und riet dringend, nur eines der Mittel zu schlucken – und auch nur eines der zwei Magenschutzmittel, die ebenfalls auf den Rezepten standen.
Um solche Probleme zu erkennen, zählt pharmazeutischer Sachverstand. Die übliche Apotheken-Software gibt dazu keinen Warnhinweis, sondern zeigt nur Wechselwirkungen verschiedenartiger Arzneigruppen. Gar nicht erfasst sind Wechselwirkungen mit Nahrungsergänzungsmitteln – wie beim eingangs erwähnten Kaliumpräparat, vor dem kein Versender warnte.
„Ich habe kein gutes Gefühl“
Viele Menschen halten Nahrungsergänzungsmittel und rezeptfreie Medikamente für harmlos. Manche können jedoch Neben- und Wechselwirkungen verursachen; Beratung ist gefragt. Um diese zu prüfen, riefen drei Tester bei allen Versandapotheken an. Einer erzählte, er habe oft Schmerzen im Knie und wolle zum Wandern ein Schmerzmittel einpacken. Ein Freund habe immer Voltaren-Tabletten dabei. Ob er die auch nehmen könne? Das wäre bei ihm keine gute Idee. Auf Nachfrage sollte er von seiner Herzkrankheit erzählen. Bei der Vorbelastung erhöht der Wirkstoff Diclofenac laut neueren Studien Herz-Kreislauf-Risiken, etwa für Infarkte. Betroffene dürfen das Mittel nicht nehmen, heißt es in der Fachinformation für Ärzte und Apotheker. Das teilten aber nur Europa Apotheek und Shop-Apotheke mit. Sie erklärten den Hintergrund, nannten Alternativen. Sechs weitere warnten immerhin, wenn auch ohne klare Begründung, etwa so: „Ich habe kein gutes Gefühl bei den Tabletten.“ Insgesamt hatte sich nur etwa die Hälfte der Fachleute nach Vorerkrankungen oder eingenommenen Medikamenten erkundigt.
Mehr Verkaufsargumente als Rat
Auch bei den anderen beiden Aufgaben fragten viele Apotheker kaum nach, wodurch ihnen Probleme wie Wechselwirkungen entgingen. Zu viele empfahlen rezeptfreie Mittel, ohne Einschränkungen zu nennen. Ginkgo bei zunehmender Vergesslichkeit? Augenvitamine bei nachlassender Sehkraft? Warum nicht. So lässt sich manche Beratung zugespitzt zusammenfassen.
Beide Beschwerden sollte zunächst ein Arzt abklären, was aber nur die Hälfte der Berater sagte. Zudem ist weder für Ginkgo noch für Augenvitamine ausreichend nachgewiesen, dass sie die Probleme, die die Tester nannten, verbessern können. Dennoch empfahl fast jede zweite Versandapotheke die Mittel unkritisch, oft mit werbeartigen Aussagen wie: „Die Kapseln enthalten alles, was man braucht“ oder „Es gibt ganz verschiedene Präparate. Ich möchte das von Orthomol vorstellen.“
Unser siebtes Testmodell entstand aus aktuellem Anlass. Seit Oktober 2016 haben gesetzlich Versicherte, die mindestens drei rezeptpflichtige Medikamente nehmen, Anspruch auf einen Medikationsplan. Ausstellen sollen ihn Haus- oder Fachärzte. Kauft der Patient ein weiteres Medikament und wünscht die Aktualisierung des Plans, muss der Apotheker dem nachkommen – auch bei rezeptfreien Mitteln.
Ein Tester schrieb den 18 Versendern per Kontaktformular oder E-Mail, er wolle rezeptfreie Präparate bestellen und in seinen Medikationsplan aufnehmen lassen. Sechs Anbieter erfüllten seine Bitte. Sie ließen sich das Dokument schicken und sandten es meist handschriftlich ergänzt zurück.
Meist nach wenigen Tagen geliefert

Klartext. Wir bewerten es positiv, wenn auf dem Paket steht, dass es nicht bei Nachbarn oder Minderjährigen landen darf.
Beim Service schneiden zwei Versandapotheken sehr gut ab, die übrigen gut bis befriedigend. Die Päckchen enthielten stets den korrekten Inhalt, wenn auch mitunter ohne beigelegte Rechnung, und die meisten kamen nach wenigen Tagen an.
Vom Gesetz her dürfen Arzneimittel nur an Besteller oder von ihnen benannte Personen ausgehändigt werden. Nicht alle Versender beschrifteten Pakete entsprechend und warnten vor der Abgabe an Minderjährige und Nachbarn. Fast jedes dritte Paket im Test landete in der Nachbarschaft. Positiv werteten wir, wenn Versender Kunden beim Bestellen die Möglichkeit gaben, neben sich konkrete Empfänger zu benennen.
Oft verwirrend viel Werbung
Viele Internetseiten wimmeln vor Werbung, vor allem mit Sparpreisen für rezeptfreie Medikamente. Das ist erlaubt, erschwert Surfern aber die Orientierung.
Es hapert auch im Umgang mit Nutzerdaten. Die Datenschutzerklärungen lassen Kunden im Unklaren, was mit ihren Angaben geschieht. Immerhin klappte überall die Verschlüsselung, wenn Nutzer sich registrieren, einloggen und bestellen.
Verschlüsselt übertragen wurden auch die Anfragen über das Kontaktformular. Manche Versender hatten jedoch kein Formular oder es funktionierte nicht. Dann stellten wir unsere Anfragen per E-Mail. Egal ob mit oder ohne Kontaktformular: Fast alle Anbieter antworteten uns per E-Mail. Das ist kein sicherer Weg für sensible medizinische Daten.