Offene Immobilienfonds Welche Folgen hat die Corona-Krise?

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Offene Immobilienfonds - Welche Folgen hat die Corona-Krise?

Leere Liegestühle, leere Hotels – für die Tourismusbranche bringt Corona starke Einbußen. © Getty Images

Renditen um die 3 Prozent pro Jahr waren üblich. Finanztest hat gefragt, welche Folgen die Krise haben wird.

Offene Immobilienfonds Testergebnisse für 13 Offene Immobilienfonds 06/2020

Die Konsumlaune ist im Keller, die Geschäfts­aussichten gelten als so mies wie noch nie in der Nach­kriegs­geschichte. Der Corona-Lock­down lähmte wochen­lang große Teile der Wirt­schaft. Läden, Hotels, Bars und Restaurants blieben geschlossen. Das trifft nicht nur die Gewer­betreibenden selbst, sondern auch ihre Vermieter – wie offene Immobilienfonds. Die Fonds erwirt­schaften Erträge, indem sie Immobilien kaufen, verkaufen und vermieten. Außerdem legen sie flüssige Mittel an, um Anleger auszahlen zu können, die ihre Anteile gekündigt haben.

Unser Rat

Beimischung. Offene Immobilienfonds sind eine lang­fristige Anlage. Sie eignen sich nicht zum Spekulieren und sind auch kein Ersatz für Tages­geld. Mischen Sie sie nur bei.

Entscheiden. Sofern Sie eine vorüber­gehende Ertrags­delle erwarten, behalten Sie Ihre Anteile. Blicken Sie wegen der Krise pessi­mistisch in die Zukunft, können Sie Ihre Anteile sofort an der Börse verkaufen, aber mit Abschlag.

Büros, Shopping Malls und Hotels

Mehr als 110 Milliarden Euro steckten Ende 2019 in den Fonds. Allein im vergangenen Jahr haben Anleger 10 Milliarden Euro investiert, auch dieses Jahr gab es noch starke Zuflüsse. Wir haben die Anbieter gefragt, wie sie die Folgen der Krise einschätzen. Wir haben uns angesehen, wie sich die Fonds entwickelt haben, wie viel sie kosten und welche Immobilien sie verwalten.

Einige halten hohe Bestände an Einzel­handels­flächen und Hotels – Branchen, die von der Krise stark betroffen sind. Den Groß­teil machen Büro­gebäude aus (Tabelle: Offene Immobilienfonds 6/20). Doch auch die sind nicht immun gegen die Folgen des Virus. Bauen Firmen Stellen ab, wird weniger Platz benötigt. Home­office verringert den Bedarf ebenfalls. Gleich­zeitig sind Büro­gebäude noch im Bau. Offene Immobilienfonds waren bei Anlegern wegen ihrer stabilen Renditen beliebt. Drohen jetzt Verluste? Oder erneut Schließungen wie in der Finanz­krise nach 2008?

Geld ist da

Die Situation ist im Vergleich zur Finanz­krise eine andere. Damals zogen institutionelle Anleger auf einen Schlag große Summen aus den Fonds ab, was diese nicht leisten konnten. Darauf­hin hat der Gesetz­geber die Regeln geändert. Nun müssen Anleger die Fonds­anteile mindestens zwei Jahre halten. Wer verkaufen will, muss zwölf Monate vorher kündigen. Fonds­schließungen wie in der Finanz­krise dürften daher weniger wahr­scheinlich sein.

Hinzu kommt, dass die Fonds nach den Rekord­käufen des vergangenen Jahres viel Cash haben und es erst einmal wegstecken könnten, wenn Geld abflösse. Zurzeit liegen die Zuflüsse noch über den Rück­gabewünschen, heißt es seitens der Anbieter. Einige Fonds geben nicht einmal mehr Anteile aus, weil sie so viel Geld einge­sammelt haben.

Ausgang über die Börse

Anleger, die Geld brauchen oder jetzt aussteigen wollen, weil sie die Zukunft der Immobilienfonds skeptisch sehen, können ihre Anteile an der Börse verkaufen. Dort werden die Fonds mit Abschlägen zwischen 3 und 11 Prozent gehandelt. Die geringsten Abstriche gibt es beim Wert­grund Wohn­select, die höchsten beim Inter Immo­profil.

Die Abschläge sind der Preis dafür, dass Anleger so schneller an ihr Geld kommen. Ob sie auch darauf hinweisen, dass die Fonds künftig Verluste machen, ist schwierig zu beur­teilen. Die Umsätze mit Immobilienfonds­anteilen sind teil­weise so gering, dass die fest­gestellten Kurse wenig aussagekräftig sind.

Deka rechnet mit Plus

Die Fondsanbieter wollen von Verlusten nicht sprechen. „Wir rechnen damit, dass die Rendite im laufenden Jahr um ungefähr 1 Prozent­punkt sinkt“, sagt etwa Esteban de Lope, der das Immobilienmanagement bei Deka Immobilien leitet. Der Fonds Deka Immobilien Europa würde sein Geschäfts­jahr dann noch mit 2,5 Prozent plus abschließen. Für den Deka Immobilien Global und den West­invest Interselect erwartet de Lope ein Plus von rund 1,5 Prozent. „Voraus­gesetzt, es kommt nicht noch zu einem weiteren Lock­down“, fügt er hinzu.

Grund für die Zuver­sicht seien auch die Staats­hilfen, die „so schnell kamen wie noch nie“. Auf die „schnellste Rezession jemals“ dürfte eine relativ kräftige Erholung folgen, erwarten die Volks­wirte der Deka. Mit Miet­ausfällen rechnen sie vor allem im Einzel­handel und bei Hotels. Die Deka hat hier allerdings nur vergleichs­weise geringe Bestände. Letztes Jahr hat sie noch zwei Shopping Malls in Südeuropa verkauft.

Nahversorgung nährt die Fonds

Beim Wett­bewerber Union Investment sieht das anders aus. Im Fonds UniImmo Deutsch­land bestehen knapp 36 Prozent des Vermögens aus Einzel­handels­immobilien, das ist der höchste Wert der untersuchten Fonds.

„Im Einzel­handel läuft ja nicht alles schlecht“, sagt Fabian Hell­busch von Union Investment Real Estate. Die Nahversorgung mit Lebens­mitteln oder Drogeriewaren gehe gut. Auch wenn nicht alle Mieter die Krise über­stünden – die Fonds verfügten über Top-Objekte in guten Lagen, die sich im Aufschwung wieder erholten, betont Hell­busch. Prognosen über die Wert­entwick­lung der Fonds gibt Hell­busch nicht ab. Zu Abwertungen aufgrund kurz­fristiger Miet­ausfälle komme es aber erst einmal nicht. Grund: Die Gutachter ziehen zur Bewertung der Immobilien die lang­fristig erziel­bare Miete heran.

Handel schon vor Corona im Wandel

Offene Immobilienfonds - Welche Folgen hat die Corona-Krise?

Leere Einkaufs­straße. Zwar dürfen die Läden in vielen Ländern wieder öffnen, doch die Konsumlaune ist wegen der unsicheren Aussichten getrübt. © Getty Images / Peter Horrox

Mario Schüttauf, der Manager des Fonds Haus­invest von Commerz Real zeigt sich zuver­sicht­lich. „Wenn ich Verlust machen würde, wäre ich kein guter Fonds­manager“, sagt er. Sein Portfolio ist 16 Milliarden Euro schwer. Der Einzel­handel macht rund 30 Prozent davon aus, allein 2,8 Milliarden Euro stecken im Shopping Center West­field in London. Es gilt mit rund 450 Geschäften und geschätzt 30 Millionen Besuchern im Jahr als eines der größten Einkaufs­zentrum Europas.

Das West­field London sei super gelegen und daher für Mieter weiter attraktiv. Es sei zum Teil auch anders nutz­bar, etwa für Büros. „Schon vor Corona hat sich im Handel ein Strukturwandel gezeigt“, sagt er und nennt das Stich­wort Online­handel. Darauf habe man sich bereits vorbereitet. „Corona beschleunigt jetzt den Prozess.“

Schüttauf hat für mögliche Abwertungen aufgrund von Miet­ausfällen Rück­stel­lungen gebildet. Der Anteils­preis fiel kurz­zeitig um rund ein halbes Prozent, stieg aber wieder.

Trend Logistik und Online­handel

Auch die Anteils­preise der DWS-Grund­besitz-Fonds sind kurz­zeitig leicht gefallen. Grund: Die DWS hat die flüssigen Mittel auch in Anleihen etwas längerer Lauf­zeiten angelegt, die im Zuge der Krise ins Minus gerutscht sind. In den vergangenen Jahren hat sie damit jedoch bessere Renditen erzielt als mit täglich fälligen Einlagen.

Die DWS hat verglichen mit anderen Fonds recht viele Wohn­immobilien und auch den Trend zum Online­handel aufgegriffen: Insbesondere der Fonds Grund­besitz Fokus Deutsch­land – er ist seit dem Jahr 2014 auf dem Markt – hat von Anfang an einen Schwer­punkt auf Logistikimmobilien gelegt. Ein Viertel des Fonds ist damit bestückt.

Auch der Fonds Kanam Lead­ing Cities ist noch relativ neu. Er wurde 2013 aufgelegt und hat einen sehr geringen Anteil an Handels­objekten und gar keine Hotels. Schwer­punkt sind Büros. Sprecher Michael Birnbaum sagt im Hinblick auf die Digitalisierung: „Ich glaube nicht, dass Home­office sich als Massenbewegung durch­setzen wird.“

Wohnungen weniger betroffen

Der Wert­grund Wohn­select fällt ein wenig aus der Reihe. „Bei uns ist aktuell alles gut“, sagt Fonds­manager Marcus Kemmner. „Klar kann es bei längerem Verlauf der Pandemie Dellen geben“, räumt er ein. Allerdings investiert der Fonds zum größten Teil in Wohn­immobilien, die von der Krise nicht so betroffen sind. Falls es bei manchen Mietern doch zu Geld­problemen kommt: „Wir können damit umgehen, das gab es auch schon vor Corona“, sagt Kemmner.

Kosten als Bürde für die Zukunft

Wie lange die Pandemie dauert, ist der entscheidende Punkt. Miet­stundungen und -ausfälle werden zumindest vorüber­gehend die Erträge mindern. Die Frage ist, ob es auch zu Abwertungen der Immobilien kommt. Die Branche betont, ihre Bestände seien sehr konservativ bewertet. Mit anderen Worten: Da ist noch Puffer drin. Wie groß er ist und wie lange er hält, ist schwer einzuschätzen. Im Moment stehen die Zeichen auf Lockerung. Doch sollte es zu neuerlichen weitreichenden Einschränkungen des Wirt­schafts­lebens kommen, hielten wir auch Verluste der Fonds für möglich.

Ein Blick auf vergangene Konjunktur­einbrüche zeigt: In der Finanz­krise entwickelten sich die Anteils­preise der Fonds, die geöffnet blieben, recht stabil. Nach Platzen der Dotcom-Blase Anfang der 2000er Jahre hatte es Abwertungen bei den Immobilien gegeben.

So unsicher Vorher­sagen über künftige Renditen sind, sicher ist, dass die Kosten zumindest zum Teil auch in Zukunft anfallen. Günstig sind die Fonds nicht (Kündigung: Zweierlei Fristen). Wenn Miet­einnahmen ausfallen oder Verkehrs­werte sinken, müssen die Immobilien trotzdem weiter verwaltet werden.

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Profilbild Stiftung_Warentest am 17.06.2021 um 20:15 Uhr
Offene Immobilienfonds in Abwicklung

@goofi: Wir wissen nicht, wie lange es noch dauert, bis der KanAm Grundinvest komplett aufgelöst wird. Wir können auch nicht sagen, wie viele Kosten im Laufe der Zeit noch anfallen. Wenn Sie Ihr Geld sofort haben wollen, dann können Sie es an der Börse versuchen. Wenn Sie eine Verkaufsorder aufgeben, dann am besten mit Limit, damit Sie keinen noch geringeren Preis bekommen.
(dda)

goofi am 16.06.2021 um 20:38 Uhr
Offene Immobilienfonds in Abwicklung

Sehr geehrtes test-Team!
Bezüglich der in Abwicklung befindlichen Fonds, wäre interessant, ob ein Warten bis zur endgültigen Auflösung oder ein Verkauf über die Börse die sinnvollere Lösung ist.
Speziel beim KanAm Grundinvest stellt die KAG (mit 5,80 Euro) einen etwas höheren Anteilswert als über die Börse (4,43 Euro) erzielbar.
Kann man davon ausgehen, dass die Differenz und eventuell noch mehr durch die Kosten der Verwaltung (negative Zinserträge, Rückstellungen und Gebühren) aufgefressen wird?
Vielen Dank für die Beantwortung im Voraus.

Profilbild test_de-Projektleiter_Stoffel am 14.06.2021 um 10:21 Uhr
Risikobewertung offene Immobilienfonds

@Dokawu: Die Risikoklasse wird nicht von uns ausgewählt, sondern berechnet - für alle Fonds nach gleicher Formel. Sie bezieht sich auf die letzten 5 Jahre und reicht von 1 bis 12. Die Risikoklasse 7 entspricht per Definition dem Risiko des MSCI World Index (Aktienmärkte Industrieländer). Die Risikoklasse sagt nichts darüber aus, ob ein Verlust möglich ist oder nicht, sie klassifiziert nach Schwankungsfreude der Anlage - und wenn eine Anlage ohne Schwankung stetig nach unten geht (siehe Geldmarktfonds), dann kann sie auch Risikoklasse 1 sein. Risiken wie Liquiditätsrisiken und andere seltene Ereignisse bilden solche Maße nicht ab. Deshalb sind solche Risikokennzahlen als alleiniges Maß nicht empfehlenswert, aber im Kontext und mit anderen Kennzahlen können sie hilfreich sein.

Dokawu am 14.06.2021 um 09:42 Uhr
Risikobewertung offene Immobilienfonds

Wie begründen Sie Ihre Risikobewertung der offenen Immobilienfonds mit "1", also gleich wie Tagesgeld? Sie sind meines Erachtens bei anderen Fonds sehr kritisch mit Ihrer Einstufung, Verwerfungen der Coronakrise werden folgen, wenn man sich die Innenstädte ansieht. Wäre es nicht gerechtfertigt, diese Fonds mindestens auf "2" herabzustufen?

Profilbild Stiftung_Warentest am 10.09.2020 um 14:25 Uhr
Wertgrund Wohnselect D

@Börsenspecht: Vielen Dank für den Hinweis. Wir werden das korrigieren. (TK)