
Anleger, die nach einer Beratung mit offenen Immobilienfonds Geld verloren haben, sollten die Verluste nicht unbedingt sofort akzeptieren. Vor dem Kammergericht in Berlin hat sich jetzt eine Beratungsfirma verpflichtet, einem Anleger einen Teil der Verluste zu ersetzen, die dieser nach dem angeratenen Kauf von Fondsanteilen erlitten hatte. test.de erklärt den rechtlichen Hintergrund.
Anleger Z. wollte Sicherheit
Der Fall: Ein Berater der Firma SRQ FinanzPartner AG (jetzt Finum Private Finance AG) hatte dem Kläger Z. empfohlen, Geldmarktfonds zu verkaufen und sein Geld in offene Immobilienfonds wie den Morgan Stanley P2 Value zu stecken. Die Anlage sei sicher, hatte der Berater seinem Kunden erklärt. Sie ermögliche es dem Kläger zudem, von Steuerersparnissen zu profitieren. Z. tat, was ihm geraten wurde und kaufte Fondsanteile für insgesamt rund 44 000 Euro. Im Jahr 2009 geriet der Fonds dann aber in Schwierigkeiten und setzte die Rücknahme von Anteilen aus. Der Wert der Anteile sank unterdessen immer weiter. Aktuell sind sie nur noch rund 3 500 Euro wert. Der Fonds wird jetzt aufgelöst.
Schadenersatz vom Landgericht
Anleger Z. schaltete Rechtsanwalt Ralf Stoll aus Lahr im Schwarzwald ein und forderte Schadenersatz wegen Falschberatung. Zumindest im Verfahren der ersten Instanz war Z. damit erfolgreich. Das Landgericht Berlin verurteilte die Finum Private Finance AG zu vollem Schadenersatz, Zug um Zug gegen die Rücknahme der Anteile. Die Beratung sei fehlerhaft gewesen und die Berater hätten Z. sagen müssen, dass sie für die Vermittlung des Deals über 1 300 Euro Provision von der Fondsgesellschaft bekamen.
Zunächst Gegenwind vor dem Kammergericht
Die Finanzberater gingen in Berufung – und heute verhandelte das Kammergericht in Berlin den Fall. Danach sah es für Anleger Z. zunächst gar nicht gut aus. Die Berater-Empfehlung von offenen Immobilienfonds war aus damaliger Sicht in Ordnung, erklärte der Vorsitzende des Gerichtssenats. Und das Beratungsunternehmen Finum hätte Z. seinerzeit auch nicht sagen müssen, wie viel Provision Finum bekam. So eine Offenbarungspflicht treffe nur Banken – und keine freien Vermögensvermittler. Das gelte sogar dann, wenn die Vermögensberatung – wie die Finum Private Finance AG – ganz oder teilweise Tochterunternehmen einer Bank sei.
Dann ein Vergleich zwischen Anleger und Berater
Was der Finum-Berater dem Anleger Z. allerdings auch nicht gesagt hatte: Immobilienfonds können die Rücknahme von Fonds stoppen, wenn Anleger mehr Anteile zurückverkaufen wollen als der Fonds an Mitteln flüssig hat. Unter Gerichten ist umstritten, ob und ab wann Banken und Anlageberater über dieses „Aussetzungsrisiko“ informieren müssen. Der Vorsitzende des Kammergerichts-Senats Jörn Harte meinte im Prozess: „Wir neigen dazu, eine Aufklärungspflicht anzunehmen“. Anleger Z. konnte das im Verfahren aber nicht vollständig zu seinen Gunsten ausnutzen. Ob ihm der Berater das Aussetzungsrisiko tatsächlich verschwiegen hat, ist umstritten. Und der Anleger trägt in diesem Zusammenhang die Beweislast. Auf Vorschlag des Gerichts einigten sich die Parteien schließlich auf einen Vergleich: Anleger Z. bekommt 7 500 Euro von Finum, darf die Anteile im Wert von aktuell rund 3 500 Euro behalten und muss dreiviertel der Prozesskosten tragen. Beide Parteien können den Vergleich zwei Wochen lang widerrufen.
Kuriose Verpflichtung zum Stillschweigen
Kuriosum am Rande: Die Parteien vereinbarten auf Wunsch der Finum-Finanzberatung, dass über den Vergleich Stillschweigen zu bewahren sei. Allerdings hatten sie den Vergleich in öffentlicher Verhandlung ausgehandelt und vom Gericht protokollieren lassen. Den test.de-Redakteur, der die Verhandlung im Gerichtssaal beobachtete, bindet die Schweigeverpflichtung nicht.
Banken haften strenger
Auch ohne Urteil dokumentiert das Verfahren: Anleger haben gute Chancen auf Schadenersatz, wenn ihnen bankunabhängige Berater den Kauf von Anteilen an offenen Immobilienfonds empfohlen haben, ohne auf das Aussetzungsrisiko hinzuweisen. Das letzte Wort hat der Bundesgerichtshof. Er verhandelt am Dienstag, 29. April, über zwei Fälle, bei denen es wie Z. darum geht, ob Anlageberater dazu verpflichet sind, Anleger auf das Risiko der Aussetzung der Anteilsrücknahme hinzuweisen. Allerdings: Zahlreiche Schadenersatzansprüche dürften bis dahin verjährt sein, wenn Betroffene nicht bereits den Ombudsmann eingeschaltet oder Klage erhoben haben. Auch heute noch bessere Chancen auf Schadenersatz haben Kunden, denen der Bankberater Anteile an offenen Immobilienfonds empfohlen hat ohne offenzulegen, wie viel Provision die Fondsgesellschaft an die Bank gezahlt hat. Die Verjährung beginnt in solchen Fällen erst, wenn der Anleger erfährt, dass die Bank tatsächlich eine Geheimprovision kassiert hat.
Kammergericht Berlin, Protokoll der Verhandlung vom 03.03.2014
Aktenzeichen: 24 U 83/12