
Jeder Tarif liefert 100 Prozent Ökostrom. Der Umwelt nutzen aber nur zwei von drei Angeboten wirklich – und die kosten oft weniger als Normalstrom.
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Testergebnisse für 19 Ökostromtarife 2/2012Es war das erste Mal für die Deutschen: 2011 gewannen sie mehr Strom aus erneuerbarer Energie als aus Steinkohle oder aus Atomkraft. Ökostrom erreichte einen Anteil von 20 Prozent am gesamten Strommix, Steinkohle 19, Atomkraft 18 Prozent. Den größten Anteil hatte Braunkohle mit 25 Prozent. Wichtigster grüner Energieträger in Deutschland ist Windkraft, gefolgt von Biomasse, Wasserkraft, Solarenergie.
Wer einen Ökostromtarif wählt, der möchte seinen Beitrag zum Umweltschutz leisten und die Energiewende vorantreiben. Das gelingt ihm aber nicht mit jedem Tarif. Nicht einmal, wenn der Anbieter tatsächlich 100 Prozent Ökostrom liefert, die Energie also aus Wasser, Wind oder Sonne stammt. Das Problem: Zurzeit gibt es mehr Ökostrom als Ökostromkunden. Die Wahl eines Ökotarifs bietet daher nicht unbedingt einen echten Umweltnutzen. Der entsteht erst, wenn der Ökotarif konventionellen Strom vom Markt verdrängt. Der Kauf von Ökostrom sollte dazu führen, dass erneuerbare Energien ausgebaut werden, zum Beispiel neue Wind- oder Wasserkraftanlagen entstehen. Genau hier trennt sich die Spreu vom Weizen: Eine Zubauwirkung garantieren nur 13 der 19 Ökostromtarife im Test.
Mittlerweile bieten rund 730 Stromlieferanten in Deutschland einen Ökotarif an. Wir haben 19 Tarife untersucht, für die sich bundesweit jeder Verbraucher entscheiden kann. Die Auswahl beschränkte sich auf Angebote mit einer Vertragslaufzeit von maximal einem halben Jahr. Billigtarife der Stromdiscounter sind daher nicht dabei, sie gibt es erst mit einer Mindestlaufzeit von einem Jahr und mehr. Um aber einen Eindruck zu bekommen, haben wir exemplarisch Ökostromtarife von Billiganbietern mitgeprüft (siehe „Ökostrom vom Discounter“).
Wie stark engagieren sich die Anbieter für den Wunsch der Kunden nach mehr Umweltschutz und Vorantreiben der Energiewende? Neben Tarifbedingungen wie etwa der Kündigungsfrist interessierte uns in erster Linie das „ökologische Engagement“, das der Anbieter mit seinem Tarif erkennen lässt (siehe Tabelle).
Ökostrom ohne Umweltnutzen

Einen echten Nutzen für die Umwelt hat ein Ökostromtarif nur, wenn er konventionellen Strom vom Markt verdrängt. Der Kauf des Ökostroms sollte dazu führen, dass neue Wind-, Solar- oder Wasserkraftanlagen entstehen. Das bietet längst nicht jeder Tarif.
Die Minimalanforderung an einen Ökostromtarif erfüllen alle im Test: Sie liefern 100 Prozent Ökostrom. Anders jedoch bei der Zubauwirkung. Nur zwei von drei der getesteten Tarife bieten sie. Der Bau neuer Ökokraftwerke wird vor allem auf zwei Arten gefördert: Entweder investieren die Stromanbieter einen Teil des Geldes direkt in neue Anlagen. Diese Aufpreistarife sind eher selten. Häufiger sorgen die Anbieter mit ihren Lieferverträgen dafür, dass der Strom für ihre Kunden stets aus Ökokraftwerken stammt, die ein Höchstalter nicht überschreiten. Auch dadurch werden laufend neue Kraftwerke gebaut.
Die Zubauwirkung lassen sich die Anbieter mit einem Zertifikat bescheinigen: Die strengsten Maßstäbe legen das Ok-power-Label und das Grüner-Strom-Label an. Beide werden von Umwelt- und Verbraucherverbänden vergeben. Um diese Label zu erhalten, müssen die Anbieter beim Bau der Ökokraftwerke auch Umweltkriterien erfüllen – dürfen zum Beispiel keine Windkraftanlagen in Naturschutzgebiete bauen.
Auch manche Zertifikate vom Tüv-Süd garantieren einen gewissen Zubau, der Effekt ist aber schwächer. Der Typ dieser Zertifikate heißt EE01 und EE02. Andere Tüv-Zertifikate im Test garantieren keinerlei Zubau. Das gilt auch für die europäischen RECS-Zertifikate mit dem vielversprechenden Namen Renewable Energy Certificate System. Das sind nur Herkunftsnachweise. Und um die Verwirrung komplett zu machen: Manche Anbieter wie EWS Schönau und Greenpeace Energy setzen sich eigene, teils strengere, über die Label hinausgehende Maßstäbe, die sie vom Tüv Nord prüfen lassen. Wir bewerteten jedes Zertifikat nach der Zubauwirkung.
Wasserkraft aus Skandinavien

Nur rund 14 Prozent des in Deutschland produzierten Ökostroms kommen aus Anlagen der Energieversorger. Rund 40 Prozent wird in privaten Anlagen erzeugt.
Der Strom für die Ökotarife kommt ganz überwiegend aus Skandinavien, Österreich und der Schweiz. Nur selten liefert ein Wasserkraftwerk oder ein Windrad in Deutschland den Strom. Da wir in einem europäischen Verbundnetz für Strom leben, ist das nicht schlimm. Rein physikalisch kommt ohnehin überall der gleiche „Saft“ aus der Steckdose – und zwar immer vom nächstgelegenen Kraftwerk. Interessant ist die Herkunft des Stromes dennoch. Sie sagt viel über den deutschen Markt.
Der Grund für die Importe ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Es garantiert all jenen, die in Deutschland Ökostrom erzeugen, besondere Vergütungen. So liefert es einen Anreiz zum Bau neuer Windräder und Solaranlagen. Nahezu der gesamte in Deutschland produzierte Ökostrom wird über das EEG gefördert. Das heißt aber auch: Alle Verbraucher, nicht nur die Ökokunden, bezahlen den Ökostrom. Die Kosten für die EEG-Förderung muss jeder per Aufschlag auf den Strompreis mitzahlen – zurzeit 3,6 Cent pro Kilowattstunde.
Tarife fördern Kraftwerke im Ausland
Strom, für den ein Erzeuger Geld aus der EEG-Förderung erhalten hat, darf in der Regel nicht noch einmal als Ökostrom verkauft werden. Die Versorger kaufen daher Ökostrom im europäischen Ausland, um ihren Kunden einen Ökotarif anzubieten. Das führt dazu, dass deutsche Ökotarife oft auch den Kraftwerksbau im europäischen Ausland fördern – immer dann, wenn der Strom aus Anlagen kommt, die ein Höchst-alter nicht überschreiten dürfen. Aufpreistarife dagegen fördern vor allem Anlagen in Deutschland. Dem Klima ist das egal: Kohlendioxid kennt keine Grenzen.
Die besten Ökostromtarife
Um die Bestnote für ökologisches Engagement im Test zu bekommen, muss ein Anbieter aber mehr tun, als den Kraftwerksbau zu fördern. Er muss Initiative zeigen. Die reicht vom kostenlosen Verleih von Energiemessgeräten etwa bei den Stadtwerken München über eine persönliche Vor-Ort-Beratung zur Modernisierung der Heizung bei Greenpeace Energy bis hin zu Förderprogrammen für Privathaushalte bei Entega. Ein Klimarechner wie auf der Website von NaturenergiePlus ist zu wenig.
Engagiert ist ein Versorger auch, wenn er seinen Strom zeitgleich ins Netz einspeist. Das bedeutet: Er produziert zu jedem Zeitpunkt genau die Menge, die seine Kunden momentan verbrauchen – zu Spitzenlastzeiten in der Mittagszeit mehr als in der Nacht. Das ist technisch aufwendiger, daher begnügen sich die meisten Anbieter damit, über ein Jahr verteilt die Strommenge ins Netz zu speisen, die ihre Kunden insgesamt verbrauchen und am Ende die Bilanz rechnerisch auszugleichen. Zu Spitzenzeiten etwa bekommen Kunden dann einen gewissen Anteil Strom unbekannter Herkunft. Nur ein zeitgleich einspeisender Ökostromanbieter kann garantieren, dass ein Kunde jederzeit Ökostrom bekommt.
Pluspunkte für innovative Projekte
Engagieren sich Anbieter in besonders innovativen Projekten, haben wir Pluspunkte vergeben. Lichtblick zum Beispiel installiert in Privathäusern Mini-Blockheizkraftwerke. Sie versorgen das Gebäude mit Wärme und erzeugen zugleich Strom, der ins öffentliche Netz gespeist wird. Das soll zu Spitzenlastzeiten schwankenden Wind- und Solarstrom ergänzen und die Netze entlasten. Oder Greenpeace Energy: Hier gab es unter anderem Pluspunkte für ein Carsharing-Pilotprojekt mit Elektroautos.
Ebenfalls positiv ist es, wenn Kunden die Möglichkeit haben, sich an Projekten zu beteiligen. So kann etwa bei EWS Schönau, Greenpeace Energy und Wemag jeder über Genossenschaften den Ausbau erneuerbarer Energien fördern.
Kohle und Atom versus Ökostrom
Nicht bewertet haben wir, ob der Anbieter auch Kohle- und Atomstrom verkauft oder in diese Technologien investiert. Für viele ist das mit dem Gedanken eines Ökostromtarifs nicht vereinbar. Daher haben wir die Tabelle geteilt: Oben reine Ökostromanbieter, die unabhängig von Kohle- und Atomwirtschaft agieren. Unten konventionelle Energieversorger, die Ökostrom anbieten, aber auch Kohle- und Atomstrom verkaufen oder mit Unternehmen verflochten sind, die dies tun. So kann jeder selbst entscheiden, wem er sein Geld geben möchte.
Auf Tarifbedingungen achten
Die Vertragsbedingungen der getesteten Tarife sind etwa zur Hälfte gut, zur Hälfte befriedigend. Generell gilt: Finger weg von Vorkasse, die aber in unserem Test keiner verlangte. Gut sind kurze Laufzeiten, maximal ein Jahr, um nicht lange gebunden zu sein. Ebenfalls gut: eine kurze Kündigungsfrist von vier Wochen. Schlecht ist dagegen, wenn Kunden für eine unterjährige Abrechnung viel Geld zahlen müssen. Hier werden bis zu 21 Euro pro Abrechnung verlangt. Aufpassen sollten Kunden auch bei Bonus und Preisgarantie: Im Kleingedruckten schränken viele Anbieter die Preisgarantie wieder ein und reichen Erhöhungen von Abgaben oder Steuern doch weiter. Preise sollten Kunden ohne Bonus vergleichen. Nur dann wird klar, was der Strom auch im zweiten Vertragsjahr kostet. Anbieter und Tarifrechner weisen hingegen die Preise gern mit Bonus aus.
Ökostrom billiger als Normalstrom
61 Prozent der Verbraucher würden laut einer aktuellen Forsa-Umfrage sogar mehr für ihren Strom bezahlen, um die Energiewende voranzubringen. Doch Ökostrom muss gar nicht teuer sein. Wer noch nie seinen Tarif gewechselt hat, kann mit Ökostrom sogar sparen. Er steckt dann in der Grundversorgung, dem meist teuersten Tarif. Im Januar 2012 zahlt laut Tarifportal Verivox eine Familie mit 4 000 Kilowattstunden Verbrauch in den Grundversorgungstarifen der örtlichen Stromanbieter im Durchschnitt 1 046 Euro – für einen Ökotarif mit Gütesiegel nur 1 010 Euro.
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- Klimawandel und Krieg fordern den Umstieg zu umweltfreundlichen Technologien. Wie Anlegende mit aktiv gemanagten Fonds und ETF auf erneuerbare Energien setzen.
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Wer sich für Ökostrom entscheidet, der will damit in der Regel die Energiewende in Deutschland fördern und den Bau von umweltfreundlichen erneuerbaren Energieanlagen vorantreiben.
Leider gelingt das nicht mit allen Ökostromtarifen. Um zu verhindern, dass man als Ökostromkunde doch indirekt Kohle- und Atomkraft mitfinanziert, sollte man bei der Auswahl eines Anbieters sehr genau informieren. Eine fundierte Zusammenfassung der Ökostrom-Thematik liefert der folgende Artikel: http://bit.ly/oeko-strom
Beste Grüße,
Michael Brey
Hallo,
Ich versuche gerade ein Überblick über dieses Thema zu bekommen.
Letzte Woche war bei uns einer von http://www.lekker-energie.de und hat und einen Wechsel vorgeschlagen. Dabei waren die Strom Preise von Lekker tatsächlich günstiger, als die von unserem alten Stadt-Stromanbieter.
Aber jetzt lese ich an manchen Stellen, nur weil ein Unternehmen Ökostromtarife angibt, es nicht direkt heißt, dass unser Geld für Ökostrom Förderungen benutzt wird von den Unternehmen?
Das ist doch eine arglistige Täuschung in meinen Augen, keiner hat auch heutzutage Zeit sich die ganzen AGBs durchzulesen.
Hm...
Kommentar vom Autor gelöscht.
@Tschepe: Danke für den Hinweis. Die beiden Nutzer hatten tatsächlich in diversen Artikeln ausschließlich Schleichwerbung für Vergleichsrechner gepostet.
"celinabina", "handwerker-hans" und andere Profile wurden nur zur Schleichwerbung mit gefaketen Fragen und Antworten eingerichtet und benutzt. Die hier aggressiv beworbenen verschiedenen *.de.vu-Adressen sind lediglich Umleitungen zu Vergleichsportalen zweifelhafter Qualität, die dem Besitzer der Trash-Adressen und Verursacher der Schleichwerbung offenbar Provisionen für jeden Seitenbesucher zahlt. Hier ist besonders lustig, dass der Verursacher ausnahmsweise vergessen hat, "celinabina" auszuloggen und sich für die Antwort als "handwerker-hans" wieder einzuloggen... FAIL! :oD