Die Prüferin isst mindestens eine Tafel Schokolade pro Tag – drei Wochen lang. Mit vier Kollegen testet sie Aussehen, Geruch, Geschmack und Mundgefühl von Nussschokoladen.
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Testergebnisse für 26 Nussschokolade 12/2013
Einatmen. Duften die Haselnüsse? Wie intensiv ist ihre Röstnote? Die Sinne sind gefragt.
Die Prüferin isst mindestens eine Tafel Schokolade pro Tag – drei Wochen lang. Mit vier Kollegen testet sie Aussehen, Geruch, Geschmack und Mundgefühl von Nussschokoladen.
Wie kleine Berge ragen braun überzogene Nüsse aus dem Rücken der Schokolade hervor. Zwei Haselnussschokoladenrippen liegen bäuchlings vor Elena Schmidt* auf dem Teller – so sieht die Schokoladentesterin den Markennamen nicht. Elena Schmidt prüft für die Stiftung Warentest 26 Nussschokoladen. Sie beschreibt das Aussehen, sie riecht, schmeckt und charakterisiert das Mundgefühl. Drei Wochen lang verkostet sie vier verschiedene Schokoladen am Tag, mehr als 11 000 Kalorien insgesamt. „Danach sind wir reif für eine Diät“, scherzt ihre Kollegin.
Elena Schmidts blonde, halblangen Haare sind zu einem Zopf zusammengebunden. Sie trägt einen hoch zugeknöpften weißen Kittel. Elena Schmidt prüft vormittags, wenn sie weder hungrig noch satt ist. Parfüm und duftende Seife sind tabu, um den Schokoladengeruch nicht zu verfälschen. Sie sitzt neben vier Prüfern. Wände schirmen ihren Arbeitsplatz von den Kollegen ab. So kann sie ungestört arbeiten.
Neben der Schokolade stehen je ein Schälchen Apfelschnitze und Weißbrotscheiben, ein Glas Wasser. Zwischendurch darf Elena Schmidt zugreifen, um den Geschmack zu neutralisieren. Schokoladen mit ganzen und die mit gehackten Nüssen prüft sie an verschiedenen Tagen. Die Produktreihenfolge ist zufällig.
Den Geschmack in Worte fassen

Notieren. Elena Schmidt schreibt alle Eindrücke in einen Fragebogen. Mit Äpfeln und Brot kann sie den Geschmack zwischen den Schokoladen neutralisieren.
Mit wachem Blick beugt sie sich über die Schokorippen auf ihrem Teller. Keiner im Raum redet, es ist ganz still. Elena Schmidt betrachtet aufmerksam die Schokolade. „Mittelbraun“ und „mattglänzend“ kreuzt sie auf dem Prüfbogen an.
Die Tafel hat mit 18 Grad Celsius die ideale Temperatur: So kann sie ihr Aroma am besten entfalten und zart auf der Zunge zerschmelzen. Mit einem Ruck bricht Elena Schmidt die Rippen der Länge nach durch. Ist der Bruch sauber und glatt? Sie schreibt es auf. Dann notiert sie auf einer fünfstufigen Skala von sehr wenig bis sehr stark, wie es dabei geknackt hat.
Das erfordert Konzentration. Elena Schmidt benotet nicht, ob die Nussschokolade gut oder schlecht schmeckt. Sie muss den Charakter der Schokolade in Worte fassen. Das will gelernt sein. Die Prüferin ist in den Grundgeschmacksrichtungen süß, sauer, salzig, bitter und umami ausgebildet. Die 29-Jährige besucht regelmäßig Schulungen zu ihrem Spezialgebiet: Süßes und Backwaren. Nur so kann sie Aussehen und Duft- und Geschmacksnuancen standardisiert beschreiben. Das heißt: Sie beherrscht die sensorische Sprache. Wörter wie bissfest, dumpf, fade, muffig, seifig, stumpf, ranzig gehören zu ihrem Vokabular.
Der Unterschied zum Laien: Ein Laie kann beurteilen, ob etwas süß schmeckt oder nicht. Ein sensorisch geschulter Tester muss sagen können, wie süß etwas schmeckt. Für die präzisen Beschreibungen braucht er viel Fantasie, Sprachgefühl und ein gutes Gedächtnis. Sonst verliert er womöglich das Gespür, zwischen einer bitteren und sehr bitteren Nuss zu unterscheiden.
Um auf alle Feinheiten achten zu können, setzen sich die Verkoster noch vor der Prüfung zusammen, probieren Nussschokoladen und suchen nach geeigneten Vokabeln für die Beschreibung. Sie trainieren ihre Wahrnehmung, bis der Prüfplan steht.
Den Schokoladenduft tief einsaugen
Im Prüfinstitut schiebt Elena Schmidt nun den Teller mit der Schokolade bis unter ihre Nasenspitze, schließt die Augen, saugt den Duft tief ein. Sie protokolliert, wie kräftig die Kakaonote riecht. Duftet die Schokolade nach Honig, Sahne, Malz oder Karamell? Elena Schmidt führt ein Stück zwischen Daumen und Zeigefinger zum Mund. Langsam lässt sie es auf der Zunge zergehen: Empfindet sie es als stumpf? Kratzend im Abgang? Oder ist es cremig? Eine hochwertige Schokolade schmilzt zart auf der Zunge, klebt nicht. Und der Schokoladengeschmack wirkt noch lange im Mund nach. Elena Schmidt beißt in ein Stück, kaut, schnippt die Krümel von den Fingerspitzen und notiert, wie knackig die Schokolade ist und wie kräftig der Kakao und die Milch schmecken.
Die Nuss aus ihrem Mantel befreien
Knifflig wird es bei der Haselnuss. Im Raum klackert und quietscht es: Elena Schmidt befreit eine Nuss mit einem Messer aus der Schokolade. Erst schneidet sie mit einem heftigen Ruck die Nuss in einem dicken Schokoladenmantel von der Reihe, dann löst sie vorsichtig die Schokoreste ab, ohne die äußeren, braunen Samenhautreste zu zerkratzen. Die könnten der Nuss einen bitteren oder pelzigen Geschmack verleihen. Leise knacken die ersten Nüsse in den Mündern der Prüfer. Vereinzelt hört man Schmatzen. Das darf auch so sein, denn mit etwas Luft können sich die Aromastoffe gut entfalten. Schmecken die Nüsse aromatisch? Wie stark ist die Röstnote?
Für jede Schokolade brauchen Elena Schmidt und ihre Kollegen ungefähr eine Viertelstunde. Nachdem jeder vier verschiedene Schokoladen getestet hat, setzen sie sich an einen Tisch und tragen ihre Ergebnisse zusammen. Bei kleinen, abweichenden Beschreibungen einigen sie sich auf einen Konsens, bei größeren Abweichungen prüfen sie ein weiteres Mal.
Am nächsten Tag beginnt alles von vorn. Jede Schokolade wird von jedem mindestens zweimal anonymisiert geprüft, bei Auffälligkeiten wie bitteren Nüssen oder kratzendem Mundgefühl auch öfter. Die Charakterisierungen der Prüfer sind später die Grundlage für die Bewertungen der Stiftung Warentest.
Elena Schmidt mag ihren Beruf, weil sie gern analysiert. Und sie liebt Schokolade, meistens jedenfalls. Jetzt, nach den vielen Tafeln im Test braucht sie eine Pause – und greift abends zu Gummibärchen.
*Name von der Redaktion geändert.
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- Schokolade hat eine Menge Kalorien, egal welche Sorte. Dunkle Schokolade gilt als gesünder als helle – aber stimmt das auch? Wie sieht es mit Fett und Zucker aus? Wie...
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- Die Stiftung Warentest hat Frucht- und Wassereis getestet. Viele der 25 Produkte sind aromatisiert, echte Frucht bieten nur wenige. Und wahre Zuckerbomben gibts auch.
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… automatisch.
Mir war schon länger bekannt, daß Milka keine echte Schokolade ist, da der Geschmack hauptsächlich aus künstlichen Aromen stammt, und der Kakao nur geschmackloses Füllstoff-Alibi ist. Neben dem niedrigen Anteil von echter Kakaobutter. Deswegen ist sie auch so weich.
Nun muß ich davon ausgehen, daß Ritter Sport *natürlich* das selbe tut. Nicht wegen des Tests, sondern *wegen* der Klage. Ein ehrlicher Konzern (lol, ja ich weiß, das widerspricht sich schon rein psychologisch per Definition) hätte Stiftung Warentest kontaktiert, und eventuelle Irrtümer korrigieren lassen, oder hätte zu seinen Fehlern gestanden, und sie korrigiert. Fehler macht jeder. Die Schande ist *die Reaktion darauf!* … Daher ist es auch egal, ob nun wirklich künstliche Aromen darin enthalten sind, oder nicht. Personen die sich so verhalten, verhalten sich auch weiterhin so, und werden boykottiert. … Aber sagen wir mal, überrascht hat mich das Ganze nicht.
Heute hat die Stiftung Warentest das Urteil des OLG München anerkannt. Damit bleibt die Einstweilige Verfügung bestehen. Nähere Informationen dazu finden Sie unter: https://www.test.de/Rechtsstreit-um-Ritter-Sport-Voll-Nuss-beendet-Stiftung-Warentest-erkennt-Urteil-des-OLG-Muenchen-an-4758833-0/
(TK)
Nach Bekanntwerden des heutigen Urteils kaufe und verzehre ich Ritter Sport natürlich nicht mehr.
@alle:
Liebe Nutzerinnen und Nutzer,
aufgrund der rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Anbieter Ritter Sport sehen wir uns gezwungen, die Kommentare unter diesem Artikel zu löschen. Das Landgericht München hat der Stiftung Warentest vorläufig untersagt, bestimmte Aussagen zum Aromastoff Piperonal in der Schokoladensorte Ritter Sport Voll-Nuss weiter zu treffen – oder treffen zu lassen. Die Stiftung Warentest wird sich gegen diese einstweilige Verfügung wehren. Wir informieren zeitnah, wenn eine Diskussion zu diesem Thema an dieser Stelle wieder möglich ist und die gelöschten Kommentare wieder hergestellt werden können.
(TK)
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