Nied­rige Zinsen und die Politik der EZB

Lohnt sich Sparen über­haupt noch?

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Bei dauer­haft nied­rigen Zinsen, wie wir sie derzeit erleben, geht der Zinseszins­effekt gegen null. Und dann führt die EZB auch noch Negativzinsen ein. Wozu über­haupt noch sparen? Und wie ist das mit der Inflation? Finanztest erklärt die Zusammenhänge.

Es gibt fast keine Inflation – daher liegt der reale Zins über null

Als Sparer fühle ich mich von der EZB ent­eignet. Statt aufs Konto kann ich mein Geld doch genauso gut unters Kissen legen, oder?

Nein. Ent­eignung hieße, dass Ihr Vermögen angegriffen würde. Wenn Sie Ihr Geld unters Kopf­kissen stopfen oder im Bank­fach einschließen, ent­eignen Sie sich selbst. Dann zehrt jede noch so kleine Inflation an der Substanz. Wenn Sie Ihr Geld statt­dessen auf ein gut verzinstes Tages­geld­konto legen, vermehrt es sich nach wie vor. Der reale Zins, also der Zins korrigiert um die Inflation, liegt hierfür in den letzten beiden Jahren teils deutlich über null. Das zeigt die Grafik, die die monatliche Durch­schnitts­verzinsung der 20 besten Tages­geld­angebote in Finanztest abbildet. Zum Vergleich sehen Sie die Inflation für denselben Zeitraum, in dem das Geld fest­lag. Zuletzt lag die Inflation in Deutsch­land nahe 0 Prozent. In so einem Fall erleiden noch nicht einmal Sparer mit Minizinsen einen Kauf­kraft­verlust, für Sparer mit gutem Tages­geld bleibt unterm Strich sogar deutlich mehr als etwa noch vor zwei Jahren. Anders geht es vielen institutionellen Investoren, die nicht die Tages­geld­schnäpp­chen für Privatkunden abschließen können, sondern Bundes­anleihen kaufen müssen. Ihre Rendite ist schon vor Abzug der Inflation negativ.

Tipp: Die besten Tages­geld­angebote mit Einlagensicherung zeigen unsere Produktfinder Zinsen.

Was nach Abzug der Inflation übrigbleibt - Sparer im Plus

Nied­rige Zinsen und die Politik der EZB - Was Anleger jetzt tun können

© Stiftung Warentest

Gilt der Negativzins der EZB auch für mich als Bank­kunde?

Bisher nicht. Zur Kasse gebeten werden bei einigen Instituten jedoch Geschäfts­kunden. Glaubt man den Ankündigungen der Banken, sollen Privatkunden verschont bleiben. Die Deutsche Skat­bank hat bereits 2014 Negativzinsen für Tages­geld einge­führt – für Privat­anleger jedoch ohne praktische Bedeutung. Sie gelten nur bei Gesamt­einlagen von mehr als 3 Millionen Euro.

Allerdings geben Banken den Negativzins der EZB zunehmend in Form höherer Gebühren weiter. Einige Institute haben dieses Jahr die Gebühren für Konto­führung oder Kreditkarten erhöht. Kostenlose Giro­konten gibt es seltener oder die Bedingungen dafür sind erschwert. Manche Banken schränken ihren Service ein, indem sie Filialen schließen.

Auch Fonds­anleger können von Negativzinsen betroffen sein. Geld, das die Fonds nicht in Wert­papiere stecken, legen sie zum Beispiel auf einem Konto bei der Depot­bank an – die dafür Zinsen kassieren kann.

Lang­fristig orientierte Anleger sollten auch an Aktien denken

Lohnt sich Sparen denn über­haupt noch? Das Geld vermehrt sich ja gar nicht mehr.

Nied­rige Zinsen und die Politik der EZB - Was Anleger jetzt tun können

Die Grafik zeigt, was - je nach Zins - aus 10 000 Euro nach 20 Jahren werden kann. Quelle: Eigene Berechnung. © Stiftung Warentest

Klar: Sparen macht mehr Spaß, wenn die Zinsen hoch sind und das Vermögen sicht­bar wächst. Sind sie so nied­rig wie jetzt, bleiben nicht nur die Zins­erträge klein, auch das wunder­bare Helferlein, der Zinseszins­effekt, wirkt kaum. Zinseszins­effekt heißt, dass die Zinsen aus dem ersten im zweiten Jahr mitverzinst werden und so fort. Das sorgt gerade bei längerer Spardauer für hohe Vermögens­zuwächse. Bei einem Satz von 1 Prozent erhalten Sie nach 20 Jahren aus angelegten 10 000 Euro rund 2 200 Euro Zinsen. Bei 4 Prozent wären Zins und Zinseszinsen nicht das Vierfache, sondern etwa das Fünf­einhalb­fache. Es kämen knapp 12 000 Euro zusammen.

Um Ihre Ziele zu erreichen, müssen Sie in Nied­rigzins­zeiten daher mehr sparen als sonst. Oder Sie riskieren mehr und investieren einen Teil Ihres Gelds etwa in Aktienfonds. Zwar sind die Börsen zuletzt bereits gestiegen, doch für eine lang­fristige Anlage taugen Aktien nach wie vor. Einige Experten warnen vor möglichen Turbulenzen an den Märkten, sollte die EZB die Zinsen erhöhen. Die Zins­wende der US-Noten­bank Fed im Dezember 2015 wurde von den Börsen eher positiv aufgenommen, die Kurse der Anleihen sind kurz­zeitig gesunken.

Tipp: Wenn Sie Aktienfonds kaufen wollen, investieren Sie welt­weit, dann hängt der Erfolg weniger von einzelnen Regionen ab. Gut geeignet sind Indexfonds, ETF, auf den Aktien­index MSCI World. Über Chancen und Risiken lesen Sie im Special Mit Indexfonds Geld anlegen.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 08.11.2016 um 08:01 Uhr
    Niedrige Zinsen

    @MrRight2004: Wir hatten bereits auf die Netiquette zum Verfassen von Postings verwiesen. Wir möchten Sie ein letztes Mal darauf hinweisen. Solch lange Beiträge machen das Lesen und Erfassen der für die anderen Leser wichtigen Beiträge sehr schwer. Aus Rücksicht auf alle Leser sollten sich alle Posting-Teilnehmer deshalb kurz fassen und nur Themen mit Bezug zum eigentlichen Artikel posten. (AK)

  • MrRight2004 am 05.11.2016 um 20:13 Uhr
    Hochgradige Ungleich...-die weitere Zukunft-Teil6

    werden um die sozialen Härten zu verhindern und den Opfern angemessene Einstiegsmöglichkeiten zu ermöglichen. Nur so erhält man letztlich eine Welt, die in sich menschlich und moralisch gerecht ist und den Lobbyisten gleichzeitig auch die Grundlage für verkehrtes Wirken entzieht.
    Eine derartige Gestaltung und Korrektur der Märkte ist nur gemeinschaftlich möglich, so daß auch politischen Entwicklungen hier an sich interessant sein können. Letztlich wäre es allerdings dennoch sicherlich bedeutsam die Entwicklung der Welt in eine bessere und empfehlenswertere Richtung zu lenken als jene, die im Moment vorhanden ist und dabei auch alle möglichen Gefahre beinhaltet.

  • MrRight2004 am 05.11.2016 um 20:07 Uhr
    Hochgradige Ungleich...-die weitere Zukunft-Teil5

    ... den Kleinsparer am mesiten treffen wird, weil er nicht wie die Unternehmen die Möglichkeit besitzt, das Geld in Aktien oder Immobilien anzulegen. Zusammengefaßt läßt sich somit sagen, daß in diesem ständig wachsenden Kapitalisierungsprozeß die Wirtschaft extrem profitiert und an Einfluß gewinnt, während das Volk stark einbüßt. Noch bedeutsamer sind die stetig anfallenden Opfer die dabei entstehen, die zuweilen ohne wirkliches eigenes Verschulden Ihre gesamte Lebensqualität verlieren. Die gesamte Entwicklung ist somit als äußerst bedenklich einzustufen und besitzt als Grundlage lediglich einseitige Interessen spezieller Lobbyisten.
    Die Entwicklung wäre an sich nur umzuformen durch angemessene Strukturierung der Märkte, so wie es in der vorigen Darlegung dargelegt wurde mit letztlich praktisch den gleichen Resultaten in der Leistungserbingung und einem wesentlichen Verbesserung in der sozialen Wohlfahrt. Dazu müßte in erster Linie die Preisgestaltungen angemessen strukturiert ...

  • MrRight2004 am 05.11.2016 um 19:55 Uhr
    Hochgradige Ungleich...-die weitere Zukunft-Teil4

    ... aber zugleich einen harten Ausdruck besitzt, und unsere Gesellschaft im Zuge der kapitalistischen Willkür auch in Arm und Reich teilt, diejenigen, die durch glückliche Umstände einen angemessenen Job erhalten haben und zu Opfer gewordene, die dann in Ihrem weiteren Leben kaum noch Beachtung erhalten. Dadurch werden die Kontraste zwischen Arm und Reich weiter zunehmen, ohne das es dafür wirklich eine wirkliche Legitimation gibt, schon gar nicht eine Menschen respektvolle. Dies hat nicht nur eine wirtschaftliche Konsequnez zu Folge, sondern führt generell auch zu weiter wachsenden Spannungen im globalen Bewußtsein. Durch diesen andauernden Prozeß ist an sich eine wirkliche Demokratie nicht mehr gegeben. Das Agieren der EZB in weiterer Kreditvergabe und Geldmengenausweitung wird sich so fortsetzen, weil an sich keine andere Möglichkeit besteht die ärmeren südlichen Staaten zu finanzieren, was wiederum die Entwertung von Geldvermögen noch sich zieht, was insbesondere den ...

  • MrRight2004 am 05.11.2016 um 19:40 Uhr
    Hochgradige Ungleich...-die weitere Zukunft-Teil3

    ... noch stärker verarmen, die Wechselwirkung wird sowohl den Druch auf alle sowie auch das Leid der Menschen noch weiter erhöhen. Die stetig wachsende Bedeutung der Unternehmen insbesondere der Konzerne werden deren Forderungen im Sinne deren Interesse leicht realisierbar machen, wie ja mittlerweile schon unserer Staat in erster Linie deren Ansprüche realisiert. Lediglich im sozialen Bereich wird der Staat seine Pflicht wohl erfüllen wollen, doch bedeutet dies für die Betroffenen in diesem Prozeß dann an sich nur das Allernotwenigste ohne die Möglichkeit wichtige Lebensinhalt noch realisieren zu können. Auch ansonsten wird vieles in diesem ständig wachsenden Leistungsanspruch immer mehr in Hintergund geraten, was sich mitterweile bereits in unserer Gesellschaft abzeichnet, die außer Leistungserbringung und anschließendem Kosum nicht mehr in der Lage ist. Der miteinhergehende Flair dieser Entwicklung ist wohl eine moderne Gesellschaft, die wohl die schnellste Entwicklung besitzt, ...