Neuwagenkauf Kunden als Bettler

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Bislang gaben Autohersteller, die etwas auf sich halten, ­Garantie auf ihre Wagen. Doch das war einmal. Jetzt ­ersetzen sie Garantien durch unverbindliche Versprechen.

Wer heute einen Neuwagen kauft, fährt in den ersten Jahren unbeschwert – denkt er. Obwohl die Technik voranschreitet, produziert die Industrie Wagen mit Macken. Für Helmut Blümer vom Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe steht fest: „Die Käufer sind Testfahrer der Konzerne. 2003 erwarten wir 120 Rückrufaktionen. Kostendruck und kurze Modell­zyklen bewirken, dass Autos nicht halten, was Hersteller versprechen.“

Bislang gab es dieses Versprechen ­wenigstens schwarz auf weiß – als Herstellergarantie. Damit verpflichteten sich die Hersteller freiwillig, eine Zeit lang für die Mängelfreiheit der Wagen geradezustehen. Käufer mit Garantie haben dann bei Fehlern zwei Ansprechpartner: den Hersteller über die Garantie und den Händler, bei dem sie den Wagen gekauft haben. Der muss aufgrund der gesetzlichen Sachmängelhaftung für seine Ware einstehen.

Garantien werden gestrichen

Doch die Herstellergarantien fliegen raus. Während asiatische Hersteller oft mit Dreijahresgarantien glänzen, wollen etwa Mercedes, Porsche oder VW nicht mehr für die Qualität der Wagen bürgen. Klar sagen das Hersteller aber nicht immer. So wirbt etwa Ford im Internet unter dem Stichwort „Garantie“ damit, dass Kunden beim Ford-Händler zwei Jahre Sachmängelhaftung bekommen – „ohne Kilometerbegrenzung!“

Was wie ein tolles Extra klingt, ist aber eine freche Irreführung. Denn Ford preist sich nur mit dem gesetzlichen Haftungsminimum, das Ford-Händler wie alle Verkäufer gegenüber privaten Käufern einhalten müssen – und zwar schon von Gesetzes wegen ohne Kilometerbegrenzung. Ford selbst verpflichtet sich mit dem Werbespruch zu nichts.

Autokäufer sind verwirrt

Zwar sind private Autokäufer seit Anfang 2002 auch ohne Garantie besser dran als früher. Durch neue Gesetze können sie vom Verkäufer bei Mängeln viel länger Nachbesserungen, Preisminderung oder Rückabwicklung des Geschäfts verlangen.

Doch diese Rechte sind wertlos, wenn der Händler Pleite geht. Gegen den dahinter stehenden Hersteller haben Kunden ohne Garantie keine Handhabe und müssten um Kulanz betteln. Zwar müssen die Autohersteller dafür sorgen, dass Kunden ihre Rechte gegen den Verkäufer auch bei anderen firmengebundenen Händlern durchsetzen können. Doch wenn der Hersteller das nicht tun oder sich andere Vertragshändler quer stellen, dann schauen die Kunden in die Röhre. Der Hersteller muss dann zwar mit Strafen rechnen. Der Autokäufer kann ihn deswegen aber nicht gerichtlich belangen.

Neuwagenkäufer haben noch ein Problem: Nur im ersten halben Jahr ab Kauf ist die Beweissituation für sie günstig, wenn sie Mängel beim Verkäufer rügen. Der muss dann belegen, dass der Kunde Schuld hat oder dass das Auto bei Übergabe in Ordnung war. Kann er das nicht, haftet er. In den verbleibenden eineinhalb Jahren muss dann aber der Kunde beweisen, dass von Anfang an der Wurm drin war.

Herstellergarantien sind in diesem Punkt bequemer. Hier kommt es nicht darauf an, wann ein Mangel erstmalig vorlag. Eine Garantie ist das Versprechen, dass ein Wagen eine gewisse Zeit problemlos fährt. „So hat der Bundesgerichtshof den Begriff ,Herstellergarantie‘ definiert und diese verbraucherfreundliche Auslegung ist Herstellern ein Dorn im Auge. Deshalb fliegen die Garantien aus dem Programm“, meint ADAC-Jurist Ulrich May.

Hinzu kommt: Inzwischen hat die EU-Kommission klargestellt, dass Garantieansprüche nicht verloren gehen, wenn Kunden den Wagen beim freien Schrauber statt in der Vertragswerkstatt warten lassen. Das gilt auch, wenn diese Reparaturen mit werksfremden, aber gleichwertigen Teilen durchgeführt werden. Zur Kundenbindung taugen Garantien also nur noch bedingt. Besser funktioniert das über ein unverbindliches Kulanzversprechen. Da kann weiterhin davon abhängig gemacht werden, dass der Kunde nicht „fremdgeht“.

Vernünftige Alternativen möglich

Natürlich schreiben viele Garantie gebende Konzerne Ausnahmen in die Bedingungen und schließen typische Verschleißteile von der Garantie aus. Trotzdem gilt: Wer das Kleingedruckte liest, hat zumindest Klarheit.

Immerhin: Manche Hersteller gehen vernünftige Mittelwege, um den Kunden auch ohne Garantie mehr zu bieten. BMW etwa schreibt seinen Verkäufern mittlerweile vor, im Kaufvertrag zu ­regeln, dass Kunden während der gesamten Gewährleistungsfrist bei Mängeln nichts beweisen müssen.

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