Neues Osteoporose­mittel Evenity Gut für die Knochen, aber keine Option für Herz­kranke

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Neues Osteoporose­mittel Evenity - Gut für die Knochen, aber keine Option für Herz­kranke

Diagnose Osteoporose. Frauen erkranken oft nach den Wechsel­jahren. © mauritius images / BSIP

Seit März 2020 ist das neue Osteoporose­mittel Evenity auf dem Markt, zugelassen für Frauen nach den Wechsel­jahren. Studien bestätigten in beein­druckender Weise, dass sein Wirk­stoff (Romoso­zumab) Knochenbrüche verhindern kann. Besorgnis­erregend ist allerdings, dass es auch Anzeichen für schwerwiegende Neben­wirkungen wie Herz­infarkt und Schlag­anfall gibt. Ob das Medikament im Einzel­fall sinn­voll ist oder nicht, sollte jede betroffene Frau mit ihrem Arzt besprechen.

Was ist eigentlich Osteoporose?

Osteoporose ist eine Krankheit, die Knochen zer­brech­lich macht und das Risiko für Brüche von Wirbeln, Hüfte, Ober- und Unter­armen erhöht. In Deutsch­land leiden etwa 2,3 Millionen Menschen an Osteoporose, 80 Prozent davon sind laut dem Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose Frauen. Die meisten von ihnen erkranken nach den Wechsel­jahren an Osteoporose, weil der gesunkene Östrogenspiegel ihren Knochen­stoff­wechsel beein­trächtigt.

Für wen ist Evenity zugelassen und wie wird es einge­setzt?

Evenity ist verschreibungs­pflichtig. Zugelassen ist das neue Medikament für Frauen nach den Wechsel­jahren, die unter einer fort­geschrittenen Osteoporose leiden und ein deutlich erhöhtes Risiko für Knochenbrüche haben. Ein Arzt spritzt das Mittel einmal im Monat unter die Haut.

Was bewirkt das neue Mittel?

Der in Evenity enthaltene neue Wirk­stoff heißt Romoso­zumab. Seine Wirkung basiert auf einem neuartigen Mecha­nismus über einen speziellen Antikörper, der am Ende den Knochen­aufbau fördert und in geringem Maße auch den Knochen­abbau hemmt.

Wie lange kann Evenity einge­nommen werden?

Die Behand­lung mit Evenity ist auf ein Jahr begrenzt, da die Wirkung nach dieser Zeit nach­lässt. Betroffene müssen dann mit anderen Osteporose­mitteln weiterbe­handelt werden, damit die gewonnene Knochenmasse nicht wieder verschwindet.

Wie wurde die Wirk­samkeit geprüft?

ARCH-Studie. Forscher untersuchten den neuen Wirk­stoff Romoso­zumab in mehreren Studien. Besonders aufschluss­reiche Ergeb­nisse zur Wirk­samkeit liefert dabei die ARCH-Studie von 2017 (das Kürzel ARCH steht für Active-Controlled Fracture Study in Post­menopausal Women with Osteoporosis at High Risk).

Romoso­zumab vs. Alendronsäure. Ein Forscher­team unter Federführung der US-Universität Alabama at Birmingham verglich Romoso­zumab mit dem Stan­dard-Wirk­stoff zur Osteoporose-Behand­lung – das ist Alendronsäure aus der Gruppe der Bisphosphonate. An der ARCH-Studie nahmen knapp 4 100 Frauen teil, die im Durch­schnitt 74 Jahre alt waren und ein hohes Knochenbruch-Risiko hatten. Die Hälfte von ihnen erhielt in der ersten Studien-Phase zwölf Monate lang Romoso­zumab, die andere Hälfte nahm in dieser Zeit Alendronsäure ein. In der zweiten Phase bekamen alle Patientinnen für ein weiteres Jahr Alendronsäure.

Was sind die Vorteile gegen­über herkömm­lichen Mitteln?

Weniger Knochen- und Wirbelbrüche. Der neue Wirk­stoff zeigte sich gegen­über dem Stan­dard­wirk­stoff über­legen, auch wenn es darum geht, osteoporose-typische Knochenbrüche zu vermeiden. Im Laufe der zwei Jahre erlitten in der Gruppe, in der Romoso­zumab angewendet wurde, 62 von 1000 Patienten einen Wirbelbruch. Das waren nur etwa halb so viel Wirbelbrüche wie in der Gruppe derjenigen, die durch­gängig Alendronsäure einnahmen. Dort waren 119 von 1 000 betroffen.

Experten sehen klaren Nutzen. Das spricht nach Einschät­zung des unabhängigen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) für „einen beträcht­lichen Zusatz­nutzen“. Auch andere Knochenbrüche traten unter Romoso­zumab seltener auf. Allerdings war hier der Unterschied nicht ganz so deutlich: So kam es bei 87 von 1 000 Patientinnen aus der Romoso­zumab-Gruppe zu Knochenbrüchen. In der Gruppe, die durch­gehend mit dem Stan­dard­mittel Alendronsäure behandelt wurde, waren es 106 von 1 000.

Welche Nachteile hat Romoso­zumab?

Höheres Risiko für Herz­infarkt und Schlag­anfall. Trotz der guten Ergeb­nisse hat die europäische Arznei­mittel-Zulassungs­behörde EMA Romoso­zumab nicht gleich im ersten Anlauf die Zulassung erteilt. Der Grund: Es besteht der Verdacht, dass das Mittel das Risiko für Herz­infarkt und Schlag­anfall erhöht. In der ARCH-Studie erlitten nämlich 25 von 1 000 Patientinnen während des ersten Behand­lungs­jahrs mit Romoso­zumab ein schwerwiegendes Herz-Kreis­lauf-Ereignis. Unter den Patientinnen, die das Stan­dard­medikament einnahmen, betraf das nur 19.

Mehr Todes­fälle. Zudem ergeben sich nach Auswertung von drei weiteren Studien Hinweise, dass bei Einnahme von Romoso­zumab auch in der Personengruppe über 75 Jahre mehr Todes­fälle auftreten. Möglicher­weise begüns­tigt das neue Mittel die Gefäß­verkalkung. Allerdings ist seine Arznei­mittel­karriere noch jung. Das bedeutet: Noch ist nicht ausreichend abschätz­bar, ob sich der Verdacht auf mehr Wirbelbrüche und Todes­fälle im Vergleich zur Stan­dard­therapie auf Dauer bestätigen.

Für wen kommt Romoso­zumab in Frage?

Eine Therapie mit Romoso­zumab kommt nur für Frauen in Frage, die kein erhöhtes Risiko für ein Herz-Kreis­lauf-Ereignis haben, also weder Blut­hoch­druck, erhöhte Blut­fett­werte noch Diabetes. Wer den Wirk­stoff einnimmt, sollte auch nicht rauchen. Auch das Alter spielt bei der Abwägung eine Rolle.

Der Wirk­stoff ist zudem nicht dafür gedacht, Menschen gleich nach einer erst­mals diagnostizierter Osteoporose zu behandeln – aus Sicher­heits­gründen: Wenn neue Arznei­mittel auf den Markt kommen – insbesondere mit einem neuen Wirk­mecha­nismus –, ist das Wissen zu möglichen seltenen, aber schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen anfangs immer sehr begrenzt. Romoso­zumab ist da keine Ausnahme. Der Wirk­stoff wurde zwar in mehreren Studien an immerhin mehr als 11 000 Frauen mit Osteoporose untersucht – aber das ist wenig angesichts der Zahl von Frauen, die damit im echten Leben behandelt werden.

Die Zukunft wird klären, wie viele Anwende­rinnen wirk­lich von den gravierenden Neben­wirkungen betroffen sind. Bis dahin kommt es auf den Einzel­fall an, ob Evenity angewendet werden sollte. Der Arzt muss das verminderte Risiko für Knochenbrüche gegen ein möglicher­weise erhöhtes Risiko für Herz­infarkt und Schlag­anfall abwägen.

Was gibt es bei der Einnahme zu beachten?

  • Nahrung ergänzen. Die zusätzliche Einnahme von Kalzium und/oder Vitamin D kann während der Behand­lung sinn­voll sein. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt.
  • Zähne pflegen. Pflegen Sie Ihre Zähne während der Behand­lung besonders sorgfältig und lassen Sie Zähne und Kiefer in halb­jähr­lichem Abstand von einem Zahn­arzt kontrollieren. Wie bei der Einnahme von Bisphosphonaten (Alendromsäure, Risedronsäure) muss auch bei der Behand­lung mit dem neuen Wirk­stoff mit einer Kiefer-Nekrose gerechnet werden. Dabei zerstören unauf­halt­same Prozesse im Körper den Kieferknochen. Wenn während der Behand­lung mit einem Osteoporose-Mittel ein größerer zahn­ärzt­licher Eingriff vorgenommen werden muss, sollte ein Arzt je nach individuellem Risiko entscheiden, ob das Mittel für eine gewisse Zeit vor und nach der OP abge­setzt werden muss.
  • Auf Schmerzen achten. Wie bei der Behand­lung mit Bisphosphonaten ist auch für Romoso­zumab nicht auszuschließen, dass der Oberschenkelknochen an einer, für Osteoporose untypischen Stelle bricht. Wenn Sie Schmerzen in Oberschenkel, Hüfte oder Leiste haben, können dies Anzeichen dafür sein. Sie sollten sich dann umge­hend mit einem Arzt in Verbindung setzen.

Wie kann ich Osteoporose vorbeugen?

Ab Mitte Dreißig nimmt bei Frauen und bei Männern die Knochendichte lang­sam und kontinuierlich ab. Wie stark, hängt auch von individuellen Faktoren ab. Generell büßen Frauen nach den Wechsel­jahren stark an Knochen­substanz ein, Männer oft ab 65 Jahren. Bestimmte Maßnahmen können helfen, die Knochen zu festigen und so Osteoporose und Knochenbrüche zu verhindern. Die wichtigsten Punkte sind dabei:

  • Kalziumreich essen. Nehmen Sie mindestens 1 000 Milligramm knochen­stärkendes Kalzium pro Tag auf. Zu den kalzium­reichsten Lebens­mitteln gehören Hartkäse, Milch, Joghurt. Milchmuffel können ein kalziumreiches Mineral­wasser wählen und sollten viel grünes Blatt­gemüse essen.
  • Täglich raus­gehen. Setzen Sie die Haut von Gesicht und Armen jeden Tag eine halbe Stunde lang dem Tages­licht aus – ohne Sonnen­schutz­mittel. Mithilfe des UV-Lichtes entsteht in der Haut knochen­stärkendes Vitamin D. Menschen ab 65 Jahren oder Bett­lägerige können ihren Vitamin-D-Haushalt auch mit Vitamin-D-Präparaten aufrecht erhalten, für Jüngere ist das normaler­weise nicht notwendig (mehr dazu in unseren FAQ Vitamin D).
  • Aktiv sein. Körperliche Bewegung ist besonders effektiv, wenn man dabei das eigene Gewicht einsetzt – wie beim Gehen, Laufen und Springen. Auch Kraft­training ist geeignet.
  • Lunge und Leber schonen. Das Risiko für Knochenbrüche verringern Sie auch, indem Sie das Rauchen aufgeben und nicht mehr als 30 Gramm Alkohol am Tag trinken.

Ratgeber der Stiftung Warentest

Neues Osteoporose­mittel Evenity - Gut für die Knochen, aber keine Option für Herz­kranke

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