
Wer beim Strom sparen will, sollte den Lieferanten wechseln. Das klappt aber nicht immer. Die Antworten auf den Leseraufruf von test.de zeigen: Kunden müssen oft sehr lange auf ihren günstigen Strom warten. Mitunter legen Anbieter bei der Abrechnung utopische Zählerstände zu Grunde. Finanztest sagt, was in solchen Fällen zu tun ist.
Lange Wartezeiten

Drei Monate musste Marc Chenaux-Repond auf den Strom vom billigeren Anbieter warten und in dieser Zeit mehr zahlen als vorher beim alten Versorger. Dabei hat der Mann Übung: Das ist schon sein vierter Wechsel, dreimal hat alles geklappt.
Die Preiserhöhung seines Stromanbieters Mainova ist Marc Chenaux-Repond zu happig. Der Energielieferant hat im April angekündigt, dass er den Preis für die Kilowattstunde um 7,5 Prozent erhöht. Da sucht sich der Kunde mit dem Stromtarifrechner von Verivox einen günstigeren Stromanbieter, siehe Unser Rat. Die Wahl des 45-Jährigen fällt auf Rheinpower.
Steigt der Preis, hat der Kunde immer ein Sonderkündigungsrecht von vier Wochen. Die Frist läuft, sobald die Ankündigung bei ihm eingegangen ist.
Anfang Mai kündigt Chenaux-Repond den Stromvertrag für seine Wohnung im Main-Taunus-Kreis nördlich von Frankfurt und gleichzeitig den Vertrag seiner Mutter, die ebenso von Mainova ihren Strom bezieht. Die Rentnerin lebt im Nachbarort.
Der Firma Rheinpower gibt der Sohn den Auftrag, beide Haushalte mit Strom zu versorgen. Nach Plan muss der neue Anbieter zum 1. Juli liefern. Dann sind acht Wochen seit der fristgemäßen Kündigung verstrichen. Das ist der zulässige Zeitraum für eine Umstellung.
Doch der Wechsel klappt nicht, wie geplant. Die Rentnerin wartet bis zum 1. September auf den billigeren Strom vom neuen Anbieter. Ihr Sohn bekommt den Rheinpower-Strom sogar erst ab 1. Oktober.
Mehr als 200 Antwortschreiben
Die Chenaux-Reponds sind zwei von vielen Stromkunden, die beim Wechsel Verzögerungen von etlichen Monaten erlebten. Das zeigen die mehr als 200 Antwortschreiben auf den Leseraufruf, den wir Mitte August im Internet auf www.test.de gestartet hatten. Wir wollten wissen, wie gut der Wechsel bei unseren Lesern gelaufen ist.
„In der Regel klappt es mit dem Lieferantenwechsel“, sagt Renate Hichert von der Bundesnetzagentur. Ein Viertel der Leser bestätigen uns das in ihren Zuschriften. Die anderen berichteten von Verzögerungen und anderen Schwierigkeiten.
Oft geht ein Wechsel auch schief, weil Kunden nicht die Mindestlaufzeit ihres bestehenden Stromvertrags beachten oder die Kündigungsfrist verpassen. Dann verlängert sich der Vertrag um ein Jahr.
Nur wer seinen Strom im Grundtarif des örtlichen Versorgers bezieht, kann jederzeit mit einer Frist von einem Monat zum Ende des nächsten Kalendermonats kündigen. Für alle anderen Stromtarife regeln die Lieferverträge Laufzeiten und Kündigungstermine. Wer wechseln will, findet die Termine in seinem Vertrag.
Versorger halten Kunden hin
Ende Mai will Chenaux-Repond von seinem alten Lieferanten Mainova wissen, warum er keine Wechselbestätigung erhält. Bei der dritten Nachfrage bekommt er zur Antwort: Die Fachabteilung prüft.
„Ich habe etliche E-Mails geschickt und telefoniert, aber keine Antwort bekommen. Manche Abteilungen spielen toter Mann“, beklagt sich der Kunde. Zuvor hatte er bereits dreimal den Anbieter gewechselt, das ging problemlos.
Als er bei Rheinpower wegen der verstrichenen Lieferfrist nachfragt, bekommt er zur Antwort: „Ihr bisheriger Lieferant, die Mainova AG, hat uns mitgeteilt, dass eine Kündigung zum gewünschten Termin nicht erfolgen kann.“
Chenaux-Repond und seine Mutter sitzen in der Übergangszeit nicht im Dunkeln, doch sie müssen mehr als früher bezahlen. Der örtliche Grundversorger Süwag springt ein, weil der neue Anbieter nicht liefert. Er ist dazu gesetzlich verpflichtet.
Von der Rentnerin verlangt die Süwag einen monatlichen Abschlag von 146 Euro für den Grundtarif. Das ist meist die teuerste Tarifvariante. Da war die Kundin sogar beim alten Anbieter Mainova mit 131 Euro im Monat vor der Preiserhöhung günstiger dran.
Hätte der Wechsel ohne Komplikationen geklappt, würde sie ab 1. Juli einen monatlichen Betrag von 128 Euro für den Rheinpower-Strom zahlen.
Finanztest empfiehlt wechselwilligen Stromkunden, beim alten Lieferanten vorsorglich eine weitere Belieferung zu beantragen, bis die Umstellung tatsächlich vollzogen ist. Stimmt der alte Versorger zu, rutscht der Kunde bei Verzögerungen nicht in den teuren Tarif des Grundversorgers.
Marc Chenaux-Reponds ständiges Nachfassen hat schließlich Erfolg. Ab 1. September liefert Rheinpower den Strom an seine Mutter zu dem Preis, der für den geplanten Liefertermin 1. Juli vereinbart war. Und ab 1. Oktober hat auch er billigeren Strom.
Flexstrom und Teldafax machen Ärger
Herbert Raue* ist von seinem Versorger Flexstrom so genervt, dass er seinen Vertrag fristgemäß Ende April kündigt. Der Billigstromanbieter hat in der Jahresstromrechnung über 4 600 Euro von ihm verlangt. Bisher hatte der Kunde für seinen Strom jährlich etwa 1 200 Euro gezahlt.
Er ruft die Lastschrift zurück und es beginnt „ein vollständig unsinniger Mail-Verkehr, der ausgedruckt eine Papierstärke von rund fünf Zentimetern hat“, sagt Raue. Flexstrom schickt Mahnungen, erneute Rechnungen und schaltet ein Inkassobüro ein. Der Streit dauert von November 2009 bis August 2010. Dann lenkt Flexstrom ein.
Der Anbieter hatte den Jahresstromverbrauch von Raue und seiner Frau auf einer Wohnfläche von 120 Quadratmetern im brandenburgischen Zeuthen auf fast 20 000 Kilowattstunden geschätzt. Tatsächlich hat das Paar nur weniger als 5 200 Kilowattstunden verbraucht.
Flexstrom behauptet, Raue habe seinen Zählerstand nicht angegeben. Der Kunde war sich nicht sicher und hat die Daten nochmals nachgereicht. Die Firma ignorierte das.
Auch mit seinem neuen Anbieter Teldafax hat Raue gleich Ärger. Schon drei Monate vor Liefer- und Vertragsbeginn bucht die Billigstromfirma monatlich 78 Euro Abschlag ab. Mitte August zieht Teldafax ohne Rechnung 4 500 Euro von Raues Konto ein. Er lässt den Betrag zurückbuchen.
Zwischen Mai und August übernimmt der Grundversorger Eon Edis die Stromlieferung. Denn Raue hat Teldafax für den Wechsel zu wenig Zeit eingeräumt. Der neue Anbieter braucht mindestens sechs Wochen für die Umstellung. Raue landet vorübergehend im teuren Grundtarif des örtlichen Versorgers. Der verlangt irrtümlich einen enormen Abschlag von monatlich 575 Euro.
Inzwischen hat er von Flexstrom und Eon Edis eine Schlussrechnung. Teldafax will die zu früh abgebuchten Beträge verrechnen.
„Die Billiganbieter Teldafax und Flexstrom haben die Regeln für eine Umstellung anscheinend nicht im Griff“, sagt Jürgen Schröder, Jurist bei der Verbraucherzentrale NRW. Die meisten Beschwerden gehen bei ihm zu diesen beiden Firmen ein.
Nur mit neuem Anbieter verhandeln
Wer den Stromanbieter wechselt, sollte sich am besten nur mit dem neuen Lieferanten auseinandersetzen, rät die Bundesnetzagentur. Das verringert die Gefahr, Fehler zu machen, etwa eine Zahl falsch zu übermitteln.
Der neue Stromlieferant kümmert sich um die Kündigung beim alten Anbieter und regelt alles mit dem Netzbetreiber. Möglicherweise hätte das auch Raue einigen Ärger erspart.
Immer wieder ein Wechselbonus
Etliche Leser schrieben uns, dass sie ständig wechseln, um immer wieder einen Bonus zu kassieren. Sie verabschieden sich nach zwölf Monaten aus ihrem Stromvertrag und suchen sich einen neuen, der eine fette Belohnung für den Wechsel zahlt.
Sie müssen im Kleingedruckten aber nachlesen, unter welchen Voraussetzungen der Bonus fließt, und sollten aufpassen, dass sie sich nicht wegen dieser Sonderzahlung zwei Jahre an einen Stromversorger binden müssen. Eine Leserin hatte dieses Problem mit Flexstrom.
Auch Gregor Deing kassiert jedes Jahr einen Bonus. Das funktionierte immer, bis auf einmal. Bei Teldafax beißt er im Jahr 2007 auf Granit. Seine Anrufe nimmt niemand entgegen, seine E-Mails beantwortet keiner.
Doch Deing hatte eine clevere Beschwerdeidee. Im April 2008 schreibt er an den Fußballverein Bayer Leverkusen, dessen Trikotsponsor Teldafax ist. Einen Tag später bekommt Deing von Teldafax einen Anruf, ab 1. Juni klappt der Wechsel.
*Name von der Redaktion geändert.
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- Nur Vergleichsportale listen aktuelle Preise für Strom- und Gastarife. Die Stiftung Warentest hat acht untersucht und zeigt, wie Sie mit ihnen günstige Tarife finden.
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- Die Preise am Strommarkt fallen. Inzwischen gibt es viele Neukundentarife, die günstiger sind als die Preisbremse von 40 Cent. test.de gibt Tipps zum Tarifwechsel.
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- Ohne Aufwand in einen günstigeren Strom- oder Gastarif wechseln? Das kann ein Wechselservice übernehmen. Wie gut das klappt, zeigen Recherchen der Stiftung Warentest.
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Kommentarliste
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Die Praktiken von FlexStrom sind schon erbärmlich und erschreckend.
Kommentar vom Autor gelöscht.
Kommentar vom Autor gelöscht.
Hallo,
leider weden die Schwierigkeiten bei einem Wechsel zu stark dargestellt.
Interessant wäre eine Übersicht von Verivox (über den wir schon mehrfach problemlos gewechselt sind) wieviele problemlose und problematische Fälle es gab in 2009.
Der "Rat" Kasten sagt es ja auch deutlich "Lassen Sie Verträge mit Vorkasse oder Paketpreis links liegen."
Ich würde mir wünschen, Sie würden eher den Mut zu wechseln stärken als Ängste zu schüren. Sonst wird das mit günstigeren und ökologischerem Strom noch später was in Deutschland.
Viele Grüße
pianola
Kommentar vom Autor gelöscht.