
Kopfschmerzen, Durchfall, Heuschnupfen – bei leichten Beschwerden verzichten viele Deutsche auf den Arztbesuch und greifen auf eigene Faust zu rezeptfreien oder früher verschriebenen Medikamenten. Erfreulich: Dabei kommt es selten zu schweren Neben- und Wechselwirkungen, wie eine aktuelle Studie mit fast 7 000 Patienten zeigt. Vor allem Schmerzmittel können aber durchaus gefährliche Folgen haben. test.de gibt Tipps für eine sichere Selbstmedikation.
Verschriebene Mittel verursachen deutlich häufiger Probleme
Für die in der Zeitschrift „Drug Safety“ veröffentlichte Studie haben die Wissenschaftler zwischen den Jahren 2000 und 2008 in den Unikliniken Rostock, Greifswald, Jena und Weimar die Daten von 6 887 Patienten erhoben. Diese wurden wegen Neben- oder Wechselwirkungen von Arzneimitteln auf einer internistischen Abteilung behandelt. Der Großteil der Problemfälle, nämlich rund 96 Prozent, ließ sich auf verschriebene Medikamente zurückführen. Nur 266 Patienten, rund 4 Prozent, hatten sich auf eigene Faust mit einem Mittel behandelt. Bei etwas mehr als der Hälfte davon waren rezeptfreie Medikamente die Ursache. Bei den anderen Fällen handelte es sich um eigenmächtig eingenommene Arzneimittel, die ein Arzt zu einem früheren Zeitpunkt verschrieben und der Patient noch vorrätig hatte. Die Dunkelziffer könnte allerdings höher liegen – etwa, weil nicht immer alle Nebenwirkungen als solche erkannt werden, und Patienten selbst eingenommene Medikamente nicht immer lückenlos angeben. Außerdem waren in die Studie nur Patienten der Inneren Medizin einbezogen.
Tipp: Je vollständiger Sie auch Ihre selbst eingenommenen Medikamente bei einer Krankenhauseinlieferung angeben, desto eher können Ärzte unerwünschte Arzneimittelwirkungen erkennen.
Am häufigsten sind Magen-Darm-Beschwerden bei Schmerzmitteln
Die häufigste durch Selbstmedikation ausgelöste unerwünschte Wirkung waren Magen-Darm-Beschwerden. Hierfür waren in erster Linie schmerzstillende Wirkstoffe aus der Gruppe der sogenannten nichtsteroidalen Antirheumatika verantwortlich. Dazu zählen zum Beispiel Azetylsalizylsäure (ASS, etwa in Aspirin), Ibuprofen undDiclofenac. Besonders häufig kam es zu einer Krankenhauseinweisung, wenn Patienten mehrere Wirkstoffe aus dieser Medikamentengruppe gleichzeitig einnahmen – etwa wenn sie Diclofenac verschrieben bekamen und zusätzlich ASS eigenverantwortlich einnahmen oder umgekehrt. Solche Kombinationen sind nicht selten, da diese Wirkstoffgruppe bei unterschiedlichsten Beschwerden zum Einsatz kommt: etwa zur Blutverdünnung, als Schmerzmittel, bei entzündlichen Erkrankungen oder auch bei Erkältungen – als Bestandteil mancher Kombinationsmittel. Bei vormals verschriebenen Medikamenten lösen insbesondere blutverdünnende Mittel gegen Thrombosen und Wirkstoffe gegen erhöhten Blutzucker häufig schwere Nebenwirkungen aus: Bei Überdosierung kann es im ersten Fall zu akuten Blutungen, im zweiten Fall zu gefährlicher Unterzuckerung kommen.
Besonders betroffen sind ältere Menschen
In der Studie am stärksten betroffen waren Frauen zwischen 70 und 79 Jahren und Männer zwischen 60 und 69 Jahren. Eine mit steigendem Alter nachlassende Nieren- und Leberfunktion kann dazu führen, dass die Mittel nicht mehr wie bei einem jungen Menschen abgebaut und ausgeschieden werden und dadurch stärker wirken. Auch müssen ältere Menschen oft langfristig viele Arzneimittel einnehmen. Jedes zusätzlich auf eigene Faust eingenommene Medikament erhöht dann das Risiko für Neben- und Wechselwirkungen. Besondere Vorsicht ist für alle angebracht, die langfristig Schmerzmittel aus der Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika, blutgerinnungshemmende Mittel oder Blutverdünner nehmen.