Getreide, Zucker, Schlachtabfälle – was wirklich drin ist

Die Herstellung von Tierfutter ist umstritten. „Premiumqualität“ wie beworben oder letztlich doch nur billige Abfälle? Das ist die Frage, wenn es um Zutaten von Tierfutter geht. Wir konfrontierten Hersteller mit vier häufigen Vorwürfen und besuchten zwei Werke. Hier lesen Sie, worin die Vorwürfe bestehen und wie die Hundefutter-Hersteller auf sie reagieren.
„Feines Ragout“ oder nur Schlachtabfall?
Umsatzprobleme kennt die Tierfutterbranche nicht: 2018 verkaufte sie für mehr als 3 Milliarden Euro Fertignahrung für Hund und Katz. Doch sie ist harschen Vorwürfen ausgesetzt. Ihre „saftigen Häppchen“ und „feinen Ragouts“ seien minderwertige Schlachtabfälle, gepaart mit chemischen Zusätzen und billigen Füllstoffen, so der Tenor mancher Kritiker. Wir kennen die Vorwürfe – aus Zuschriften, die uns regelmäßig erreichen.
Überzogen oder wahr? Wir baten die Hersteller im Test, die Hunde-Feuchtfutter in der Dose anbieten, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Zwei besuchten wir: Mars Petcare, einen der Großen der Branche, dem Marken wie Cesar, Chappi und Kitekat gehören, sowie den Mittelständler Dr. Alder‘s, der für Kunden wie Fressnapf, Lidl und Real Futter herstellt. Nicht jeder war so offen: Nestlé und Saturn Petcare lehnten Besuche ab. 7 von 14 Herstellern blieben Antworten schuldig: Die Antworten der Hersteller.
Vorwurf 1: Tierfutter enthält billige Schlachtabfälle
„Angaben wie ‚Fleisch und tierische Nebenprodukte‘ erlauben es dem Hersteller, auch Hufe, Hörner, Federn und Fell zu verwerten“, schreibt ein Leser auf test.de. Das stimmt. Tierfutterhersteller haben einen großen Spielraum, was das Verwerten von Schlachtresten betrifft. Auch unappetitlich anmutende Teile wie Geflügelköpfe oder Schweinsborsten sind erlaubt. Sie müssen aber immer von gesunden, schlachttauglichen Tieren stammen, schreiben die Hygienevorschriften der EU vor. Dann handelt es sich um Produkte der Kategorie 3, von denen für die Gesundheit von Mensch und Tier eine geringe Gefahr ausgeht. Nur sie dürfen zu Tierfutter verarbeitet werden. Tabu sind Teile kranker Tiere, Magen-Darm-Inhalt oder Küchenabfälle.
„Jede Zutat muss einen Beitrag zur Nährstoffdeckung leisten“
In der Praxis wird der Spielraum kaum ausgereizt. „Federn, Darm- oder Hartknochenpakete setzen wir nicht ein“, sagt Joachim von Menges, Geschäftsführer von Dr. Alder‘s. „Der Hund muss alles gut verdauen können, und wir wollen Rückfragen ausschließen.“ Dr. Petra Hellweg aus der Forschungsabteilung von Mars sagt: „Jede Zutat muss einen Beitrag zur Nährstoffdeckung von Hund und Katze leisten. Auf Kategorie-3-Materialien wie Wolle, Hufe, Klauen, Hörner, Borsten, Häute, Felle, die größtenteils unverdaulich sind, verzichten wir.“
Schlachtnebenprodukte liefern Vitamine und Mineralstoffe
Nicht Schlachtabfälle, sondern Schlachtnebenprodukte spielen eine Schlüsselrolle. Sie liefern essenzielle Vitamine und Mineralstoffe. „Wir verarbeiten vorwiegend Fleisch und Innereien, etwa Lungen, Nieren, Herzen sowie Karkassenteile, die viel Kalzium enthalten“, sagt von Menges. In unserem Kulturkreis werden sie kaum von Menschen verspeist, im Futter finden sie sinnvolle Verwertung. Animonda, Finnern, Herrmann‘s, Nestlé und Ospelt Petfood schrieben ebenfalls, sie verwendeten nur kontrollierte Nebenprodukte. Herrmann’s misstraut der Konkurrenz: „Im preisaggressiven Marktsegment“ seien Schlachtabfälle wahrscheinlich.
Eiweißqualität im Test meist gut
Auch der Stiftung Warentest wird unterstellt, minderwertige Futter mit Gut zu bewerten. Zu Unrecht. In den Tests fahnden wir nach erlaubten, aber ungewollten Teilen wie Hufe oder Borsten. Nie fanden wir sie in auffälliger Menge, nur vereinzelt. Auch eine geringe Eiweißqualität oder schlechte Eiweißverdaulichkeit – beides Hinweise auf billige Zutaten – haben wir selten zu bemängeln.
Vorwurf 2: Tierfutter enthält künstliche Zusatzstoffe
„Ein Hundefutter mit Zusatzstoffen, die im Futter nichts zu suchen haben ..., kommt für mich nicht in Frage“, kommentiert ein Tierhalter auf test.de. Meist würden sie aus technologischen Gründen eingesetzt, schreiben einige Hersteller: etwa Gelier- und Verdickungsmittel, Farb- und Konservierungsstoffe, Emulgatoren und Aromen. Die seien zugelassen, gesundheitlich unbedenklich, unterstützten Erwartungen der Tierhalter. Sie wegzulassen hätte Folgen. „Dann sieht das Produkt nicht mehr appetitlich aus, hat nur eine kurze Haltbarkeit oder riecht ungewohnt“, so Ospelt Petfood.
Konservierungsstoffe sind überflüssig
Ganz stimmt das nicht. Konservierungsstoffe etwa sind überflüssig. Dosenfutter wird erhitzt und so haltbar gemacht. Wer Zusatzstoffe meiden will, sollte das Etikett genau lesen. Biohersteller Herrmann‘s verzichtet auf synthetische Zusätze – aber auch auf Vitamine und Mineralstoffe, belegt unser Test. Ohne die deckt ein Alleinfutter den Nährstoffbedarf nicht.
Vorwurf 3: Zucker und Getreide im Futter machen krank
„Weshalb werden Hundefutter mit Zuckerzusatz nicht abgewertet? Immerhin gefährdet Zucker die Zahngesundheit der Tiere!“, ärgert sich ein Leser auf test.de. In unseren Tests liegen die Gehalte pro 100 Gramm Futter unter 2 Prozent. Das ist gering, führt weder zu Diabetes noch zu Karies. Animonda, Dr. Alder‘s, Finnern und Herrmann’s geben an, nie Zucker zuzusetzen. Andere nutzen ihn in sehr geringer Menge: für den Geschmack oder das Erscheinungsbild.
Hohe Nachfrage nach glutenfreiem Futter
Manche Halter finden glutenfreies Futter gesünder. Hersteller Mars bietet es an, obwohl er glutenhaltiges Getreide für gut verträglich hält. „Weil es der Kunde nachfragt und es Rezepturen gibt, die so funktionieren,“ sagt Peter Hill, Vize-Präsident der Entwicklungsabteilung von Mars Petcare Europa. Bei Dr. Alder‘s kommen zwei Drittel der 700 Rezepturen im Jahr ohne Getreide aus. „Der Anteil der Hunde, die auf Dauer Probleme mit Gluten bekommen, ist relativ hoch,“ sagt Joachim von Menges.
Hunde vertragen Getreide
Studien ergaben, dass der Hund seine Verdauung im Laufe der Domestizierung angepasst hat und Getreide verträgt. Unsere Tests zeigen: Getreide ist ein wichtiger Kohlenhydratlieferant. Es gibt aber glutenfreie Futter, die Hunde gut versorgen.
Vorwurf 4: Für Tierfutter müssen andere Tiere leiden
„Tierfutter aus Massentierhaltung ist aus Umweltschutz- und Tierwohlgründen inakzeptabel“, schrieb ein Leser. Kunden fragen selten danach, sagen Hersteller. Mars hofft, dass auf EU-Ebene Tierwohl-Kriterien eingeführt werden. Dr. Alder‘s geht eigene kleine Schritte: „Wir entwickeln ein Futter, bei dem sichergestellt ist, dass die Schlachttiere Auslauf hatten“, sagt von Menges.
Peta spricht von „grausamen Futtertests“
Die Tierschutzorganisation Peta wirft Mars „grausame Futtertests an Tieren im Labor“ vor. In seinem Pet Center hält Mars derzeit zirka 90 Hunde und 220 Katzen. „Das ist eine Tierhaltungseinrichtung für Futterakzeptanztests, hier werden definitiv nach Tierschutzgesetz keine Tierversuche gemacht“, sagt Petra Hellweg. Mitbewerber hätten ähnliche Tierzentren.
Tiere brauchen kein Muskelfleisch
Peta kritisiert auch Hersteller, die reines Muskelfleisch anbieten. Die Tierschützer befürchten, dass Schlachtungen zunehmen und für Tierfutter extra Tiere sterben. Muskelfleisch brauchen Hund und Katze nicht in großen Mengen. Eine bodenständige Fütterung ist besser und nachhaltiger.
Die Reaktionen der Unternehmen
Wir fragten die 14 Hersteller der Hundenassfutter im Test, wie ihre Produkte zusammengesetzt sind. Nur jeder zweite antwortete. Hier einige Auszüge.
Was verstehen Sie unter „Premiumqualität“, „hochwertigen und frischen Zutaten“?
Das sagt Animonda: „Wir verarbeiten hauptsächlich selektierte Rohstoffe wie Herz, Lunge, Leber, Nieren und auch Fleisch. Diese Rohstoffe sehen wir als hochwertig an, da sie lebenswichtige Nährstoffe wie Aminosäuren, Fettsäuren, Mineralstoffe und fettlösliche Vitamine liefern.“
Dr. Alder‘s (Landfleisch, Norma, Real): „Ein hochwertiges Hunde- und Katzenfutter ist nach unserer Auffassung soja- und weizenfrei, ohne zugesetztes Gluten, und der Kunde sieht in der Dose, was er gekauft hat: Hühnerherzen, Fleischfasern, Lungenwürfel.“
Finnern (Rinti): „Für den Hundebesitzer ist der hohe Fleischgehalt das wichtigste Qualitätsmerkmal. Unser Produkt enthält kein Formfleisch, keine Fleischmehle sowie natürlich keine Federn und Hornbestandteile.“
Nestlé (Purina): „Erhöhte Gehalte an Antioxidantien, z. B. Vitamin E und Vitamin C, helfen, Alterungsprozesse von Zellen zu verlangsamen ... Prebiotika bewirken nachweislich gesundheitliche Zusatznutzen, z. B. gesunde Darmflora und gesunde Verdauung.“
Viele Leser bemängeln, dass das Zutatenverzeichnis ihnen zu wenig Informationen gibt. Was sagen Sie dazu?
Ospelt Petfood (Aldi, Kaufland): „Die für die Kennzeichnung von Heimtierfutter maßgebliche EU-Verordnung Nr. 767/2009 erlaubt ... die Kennzeichnung der verwendeten Zutaten in Form von Gruppennamen (wie z. B. Fleisch und tierische Nebenerzeugnisse) oder durch die detaillierte Angabe der jeweils verwendeten einzelnen Rohstoffe. Die Kennzeichnung von Gruppennamen erfolgt z. B. im Falle kleiner Verpackungsgrößen ... Sie ermöglicht es auch, auf etwaige Schwankungen bei der Rohmaterialverfügbarkeit flexibel reagieren zu können.“
Herrmann‘s Manufaktur: „Wir verwenden keine Gruppendeklarationen wie zum Beispiel ‚Fleisch und tierische Nebenprodukte‘, sondern deklarieren alle Zutaten in der Reihenfolge nach ihren Gewichtsanteilen, die Zusammensetzung des Fleischanteils wird nochmals detailliert mit Prozentangaben aufgeführt.“
Setzen Sie Ihrem Futter Zusatzstoffe und Zucker zu?
Mars Petcare (Cesar, Pedigree): „Wir setzen Zucker ... in einigen Produkten in ganz geringen Mengen (ca. 0,2 %) als Farbstoff ein. Er reagiert im Erhitzungsprozess mit Aminosäuren aus dem Eiweiß. Hierbei entstehen ‚Röstaromen‘ ... Nach dieser sogenannten Maillard-Reaktion ist der zugesetzte Zucker im Produkt jedoch vollständig verbraucht.“
Hermann‘s Manufaktur: „Nein! Der Einsatz von synthetischen Zusatzstoffen ist in der Fachliteratur umstritten und da unser Fokus auf ernährungssensiblen Tieren liegt, verzichten wir bewusst darauf.“
Nestlé: „Wir verwenden in unseren Nassnahrungen eine geringe Menge an Zucker, um beim Kochvorgang eine gleichmäßige und intensivere Farbe des Produktes zu erreichen und die Schmackhaftigkeit zu fördern.“
Diese Hersteller haben unsere Fragen nicht beantwortet
Hersteller Saturn Petcare, der für Edeka, Lidl, Netto Marken-Discount, Penny, Rewe und Rossmann Futter produzierte, mauerte: „Wir möchten Sie bitten, sich in dieser Angelegenheit an den Industrieverband Heimtierbedarf zu wenden.“ Keine Auskunft gaben auch: Activa Heimtierprodukte (Das Futterhaus), Altina (GranataPet), Healthfood 24 (Wolfsblut), Landguth (dm) sowie Multifit Tiernahrung (Fressnapf). Herzenshund sandte ein allgemeines Statement.
Jetzt freischalten
Wie möchten Sie bezahlen?
Preise inkl. MwSt.- kauft alle Testprodukte anonym im Handel ein,
- nimmt Dienstleistungen verdeckt in Anspruch,
- lässt mit wissenschaftlichen Methoden in unabhängigen Instituten testen,
- ist vollständig anzeigenfrei,
- erhält nur knapp 5 Prozent ihrer Erträge als öffentlichen Zuschuss.
Dieser Artikel ist hilfreich. 639 Nutzer finden das hilfreich.