
Nanoteilchen sind vielseitig. Unter anderem können sie bewirken, dass Textilien Wasser abweisen. © mauritius images / Justin Bailies
Das Wort „Nanotechnologie“ klingt modern und werbewirksam. Doch viele Verbraucher sind skeptisch. Oft ist unklar, ob die winzig kleinen Partikel der Gesundheit schaden. test sagt, wo Nanoteilchen verarbeitet werden, warum sie so begehrenswert für die Industrie sind, welche Risiken für Mensch und Umwelt davon ausgehen und welche Nanoprodukte man besser meidet.
Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts
So klein sie sind, so groß sind die Begehrlichkeiten, die sie wecken. Aber auch die Vorbehalte nehmen zu. Die Rede ist von Nanoteilchen – winzige Partikel, die immer mehr Produkte des täglichen Lebens besser machen sollen. Nanotechnologie gilt als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Sie spielt in fast allen Branchen eine Rolle: Energie, Kommunikation, Umwelt, Medizin, Lebensmittel, Kosmetik – überall wird an neuen Anwendungen geforscht. Das Wissen über die gesundheitlichen Risiken allerdings hinkt oft hinterher.
Was sind Nanoteilchen?
Sie sind vor allem sehr, sehr klein. Das Wort leitet sich ab vom griechischen „nanos“ für Zwerg. Ein Nanometer ist der millionste Teil eines Millimeters. Zu Nanoteilchen zählen Partikel mit einer Größe von einem bis hundert Nanometer. Das heißt: etwas größer als Atome, etwas kleiner als Bakterien. Ein Nanoteilchen ist im Vergleich zu einem Fußball ungefähr so groß wie der Fußball im Vergleich zur Erde. Oder andersherum: Im Punkt am Ende dieses Satzes hätten rund zehn Milliarden Nanoteilchen Platz.
Wo sind Nanopartikel zu finden?
Nanopartikel kommen einerseits natürlich vor. Viele Strukturen in unserem Körper haben Nanogröße, der DNA-Strang ist zum Beispiel zwei Nanometer breit. Auch Pflanzen enthalten Nanopartikel, Pollen können ebenfalls nanoskalig sein. Außerdem entstehen Nanopartikel, wenn Gesteine verwittern, Vulkane ausbrechen oder Wälder abbrennen. Auch im Ruß einer Kerzenflamme stecken Nanoteilchen. Mittlerweile lassen sie sich auch synthetisch im Labor herstellen und gezielt in Produkten einsetzen. Das nennt man Nanotechnologie.
Was macht Nanoteilchen so begehrenswert für die Industrie?
Partikel in Nanogröße haben in der Regel andere physikalische oder chemische Eigenschaften als größere Teilchen des gleichen Stoffs. Keramik zum Beispiel wird in Nanogröße biegsam, andere Stoffe leiten plötzlich Strom oder ändern ihren Schmelzpunkt. Nanoteilchen reagieren zudem oft schneller und stärker als größere Partikel. Eine Ursache dafür ist die bei gleichem Gesamtvolumen stark vergrößerte Oberfläche. Sie ermöglicht neuartige Produkte und Anwendungen. Allerdings birgt dies auch neue Risiken.
Welche Risiken für Mensch und Umwelt gehen von Nanoteilchen aus?

Imprägniersprays lassen Wasser auf Schuhen und Textilien abperlen. Da Sprühnebel die Lunge schädigen kann, sollte man die Sprays nur draußen nutzen. © Stiftung Warentest
Die Risiken der Nanotechnologie sind bislang nicht ausreichend erforscht. Eine Gefahr geht grundsätzlich eher von Produkten aus, die freie Nanopartikel enthalten, etwa Pflege- und Reinigungssprays wie zum Beispiel Imprägniermittel für Textil und Leder. Fest in einem Material gebundene Nanoteilchen gelten eher als sicher, wenngleich viele Fragen zur Entsorgung noch nicht geklärt sind. Zudem muss jeder Stoff einzeln betrachtet werden. Eine pauschale Bewertung von Nanoteilchen ist nicht möglich.
Risiken bestehen, wenn Nanoteilchen in den Körper gelangen. Als kritischster Eintrittspfad gilt die Atmung: Nanopartikel können tief in die Lunge und von dort ins Blut gelangen, sich in Organen anreichern und sogar Barrieren wie die Blut-Hirn-Schranke und die Plazenta überwinden. Auch aus Nahrungsmitteln können Nanopartikel vom Magen-Darm-Trakt ins Blut- und Lymphsystem übergehen und sich im Organismus verteilen. Die Risiken, die sich daraus ergeben, sind aber noch unklar.
Gesunde Haut gilt als weitgehend sichere Barriere. Nanoteilchen in Kosmetika gefährden bei gesunder Haut die Gesundheit nach derzeitigem Wissensstand nicht. Für wunde oder verletzte Haut gibt es laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) dagegen keine Entwarnung, weil hierzu keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen. Die Gefahr, dass Nanopartikel aus Cremes und Lotionen über die Atemwege in den Körper gelangen, ist generell als gering einzuschätzen.
Einmal im Körper, können Nanopartikel bis in einzelne Zellen vordringen und dort zum Beispiel Entzündungen verursachen oder giftig wirken. Viele Fragen sind hier aber noch offen, etwa ob Nanopartikel chronische Erkrankungen auslösen, Krebs erzeugen oder genetische Schäden hervorrufen können. Auch Folgen für die Umwelt sind bislang kaum erforscht, wenn zum Beispiel Silberpartikel aus Textilien beim Waschen ins Abwasser, oder mineralische UV-Filter in Nanopartikel-Größe aus Sonnenschutzmitteln beim Baden in Gewässer gelangen. Einige Nanoteilchen können offenbar Pflanzen und Wasserorganismen schädigen. Es hängt jedoch von Beschaffenheit, Form und weiteren Eigenschaften ab, welche schädlichen Wirkungen diese Partikel tatsächlich auf die Umwelt haben. Bislang ist das noch nicht ausreichend erforscht. Zum Teil fehlen dazu die Testmethoden.

Silber in Textilien soll Geruchsbakterien killen. Das ist unnötig und kann zu Antibiotikaresistenzen führen. Normale Hygiene reicht. © Adobe Stock / Martinan
In welchen Produkten kommen Nanopartikel schon zum Einsatz?

Sonnenmilch kann mineralische UV-Filter in Nanopartikel-Größe enthalten. Auf gesunder Haut angewandt, gelten sie als gesundheitlich unbedenklich. © Adobe Stock / Bernard Bodo
Nanoteilchen sind entweder im Produkt gebunden oder liegen als freie Partikel vor. In Fassadenfarben zum Beispiel sorgen gebundene Titandioxidpartikel für selbstreinigende und schmutzabbauende Oberflächen. Aluminiumoxid macht Lacke kratzfester und in Autoreifen erhöht „Carbon Black“ – im Gummi gebundener Industrieruß – die Haftung, Elastizität und Abriebbeständigkeit. In Verpackungsmaterial verlängern zum Beispiel Nano-Tonpartikel die Haltbarkeit von Lebensmitteln.
Ein Beispiel für Produkte mit freien Nanopartikeln sind Sonnenschutzmittel, die mineralische Filter wie Titan- und Zinkoxid enthalten können. Die Pigmente dieser Filter werden von Herstellern häufig zu Nanopartikeln vermahlen, damit sie sich nicht als weißer Film auf der Haut ablagern. Sie müssen aber auf der Packung in der Liste der Inhaltsstoffe mit dem eingeklammerten Wörtchen „Nano“ gekennzeichnet werden. In Textilien und Sprays soll antibakteriell wirkendes Silber Schweißgeruch verhindern.

Lebensmittel in Pulverform enthalten teilweise Siliziumdioxid in Nanogröße als Rieselhilfe. Ihr Verzehr gilt als unkritisch. © Adobe Stock / Vitalii
Schon lange wird Siliziumdioxid als Rieselhilfe für pulvrige Lebensmittel wie Gewürze und als Fließhilfsmittel etwa in Ketchup eingesetzt. Ein Teil dieser Partikel kann Nanogröße haben. Neuartige „Nanolebensmittel“ sind in Deutschland laut Lebensmittelverband nicht auf dem Markt. Im Internet lassen sich jedoch ohne Mühe Nahrungsergänzungsmittel ordern, die allerhand Nanoteilchen wie Mineralstoffe, Vitamine oder Silber enthalten sollen.
Soll ich Nanoprodukte meiden?
Es gilt, Nutzen und Risiko abzuwägen: Sonnenmilch mit zu Nanopartikeln vermahlenen mineralischen UV-Filtern schützt vor Hautkrebs. Auf gesunder Haut angewendet, geht von ihr nach derzeitigem Wissensstand keine gesundheitliche Gefahr aus. Zu verletzter Haut gibt es keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse. Sportsocken mit Silber braucht dagegen kein Mensch – normale Hygiene reicht. Auch Nahrungsergänzungsmittel mit Nanoteilchen sollte man meiden, weil die Risiken unklar sind. Auf Kosmetika ist seit Juli 2013 in der Inhaltsstoffliste „Nano“ aufzuführen, wenn Nanoteilchen enthalten sind, seit 2014 gilt die Kennzeichnungspflicht auch für Lebensmittel.
Dieses Special ist erstmals am 27. September 2012 auf test.de erschienen. Die Passagen zu Kosmetika und Lebensmitteln wurden am 27. August 2019 aktualisiert.
-
- Von 20 Sonnencremes, Sprays und Lotions sind vier mangelhaft, darunter drei Naturkosmetika. Die meisten Produkte schützen die Haut aber zuverlässig, auch preisgünstige.
-
- Welche Ganzjahresreifen überzeugen im Test des ADAC? Der letzte Test stammt aus dem Jahr 2020, mit Reifen der Dimension 235/55 R17.
-
- Von sehr gut bis mangelhaft: Die Stiftung Warentest hat 20 Sonnenschutzmittel getestet. Im PDF-Artikel zum Herunterladen lesen Sie unsere aktuellen Bewertungen.
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.
Kommentarliste
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
Kommentar vom Autor gelöscht.
Silber in Textilien vermindert nachweislich die Entstehung von unangenehmen Gerüchen indem es das Wachstum von geruchsbildenden Bakterien hemmt, und es gibt viele Verbraucher, die diesen Effekt bei Funktionswäsche wünschen! Silber in Textilien mit Antibiotikaresistenzen in Verbindung zu bringen ist abwegig. Richtig ist, dass Silber auch in der Medizin als Alternative zu Antibiotika genutzt wird; Resistenz-Entwicklungen sind bisher nicht bekannt. Und für die Ausrüstung von Textilien mit Silber werden auch keine Nanoprodukte benötigt. Bei einer aktuellen Untersuchung der Dänischen Umweltbehörde konnte keine Freisetzung von Nanosilber aus mit Silber ausgerüsteten Textilien festgestellt werden. Außerdem sollten Sie auch wissen, dass der Einsatz von Silber in Textilien in Europa durch die Biozid-Gesetzgebung reguliert ist, die übrigens auch für Nanoprodukte spezielle Zulassungsverfahren und Kennzeichnungen ab September 2013 vorsieht. Verbraucherverunsicherung - braucht kein Mensch!