Lebensmittel können krank machen. Aber viele Betroffene vertragen mehr, als sie denken.
Der Apfel wirkt wie Abführmittel. Die Buttermilch sorgt für Bauchgrimmen. Das Chop Suey verursacht das „Chinarestaurant-Syndrom“ mit Übelkeit und Kopfweh. Eine Fülle von Lebensmitteln beschert empfindlichen Menschen eine Fülle von Beschwerden, kurz: Frust statt Lust.
Bis zu 40 Prozent der Deutschen glauben laut Umfragen, bestimmte Speisen oder Getränke nicht zu vertragen. Aber: Viele gehen mit ihrem Verdacht nie zum Arzt. Bei anderen verstreichen Jahre bis zur richtigen Diagnose. Ob mit oder ohne professionellen Rat – manche Patienten kasteien sich übermäßig, riskieren gar einen Nährstoffmangel. Menschen mit Lebensmittelunverträglichkeiten dürfen allerdings oft viel mehr essen und trinken, als sie denken.
Echte Lebensmittelallergien selten
Besonders oft machen Fruktose (Fruchtzucker) und Laktose (Milchzucker) Probleme, seltener Histamin und Gluten (siehe unten). Davon abzugrenzen sind die seltenen Lebensmittelallergien, bei denen das Immunsystem fälschlich auf harmlose Substanzen im Essen reagiert. „Insgesamt scheinen die Raten der Unverträglichkeiten zu steigen“, sagt Dr. Imke Reese, Ernährungsberaterin aus München, die Leitlinien zum Thema mit entwickelt. „Das liegt wohl auch an einer besseren Diagnostik, einer erhöhten Aufmerksamkeit, etwa in den Medien, und veränderten Ernährungsgewohnheiten.“ So äßen die Deutschen mehr Obst als früher. Das liefere dem Körper Vitamine – und Fruchtzucker. Der sei zudem in der Lebensmittelindustrie schwer in Mode: als „natürliche Süße“.
Fruchtzucker stresst den Dickdarm
„Bei dieser großen Zufuhr bemerkt man schnell, wenn man Fruktose nicht verträgt“, sagt Reese. Fast jeder dritte Deutsche leide an „Fruktose-Malabsorption“. Dabei arbeiten Transporteiweiße in der Dünndarmwand nicht richtig, die Fruchtzucker ins Blut schleusen. So landet er unverdaut im Dickdarm, wo sich Bakterien darüber hermachen. Beim Zersetzen bilden sie Gase, die Bauchgrimmen und Blähungen verursachen. Auch Durchfall tritt auf. Verstärkt werden die Beschwerden oft durch Sorbit, das ebenfalls in Obst vorkommt und in der Lebensmittelindustrie als Süßungsmittel dient. Übrigens: Ab einer bestimmten Menge bereitet Fruchtzucker allen Menschen Verdauungsbeschwerden. Das weiß jeder, der schon einmal kiloweise Kirschen auf einen Schlag gegessen hat.
Auch Milchzucker rumort im Darm
Ähnliche Symptome entstehen bei der Laktose-Intoleranz. Sie betrifft etwa 15 Prozent der Deutschen. Hier stresst unverdauter Zucker aus Milchprodukten den Dickdarm, aber aus einem anderen Grund: Im Dünndarm fehlt das Enzym Laktase. Es spaltet Laktose in seine beiden Bestandteile Galaktose und Glukose (Traubenzucker), die dann ins Blut übergehen. Der Laktasemangel ist genetisch bedingt und global betrachtet normal: Er betrifft etwa zwei Drittel der Erwachsenen auf der Welt, vor allem auf der Südhalbkugel. In diesen Regionen stellt Milch kein Grundnahrungsmittel dar.
Rätselhafte Histaminintoleranz
Auch die Histaminintoleranz hängt mit schwächelnden Enzymen zusammen. Wohl 2 Prozent der Deutschen können Histamin schlecht abbauen. Dieser Botenstoff spielt bei Entzündungen eine Rolle. Manche Lebensmittel wie Ananas und Tomate fördern die körpereigene Freisetzung. Andere, vor allem gereifte, gegorene und fermentierte wie reifer Käse, Rotwein und Sauerkraut, enthalten viel Histamin. Es kann eine Fülle von Symptomen hervorrufen: etwa Durchfall, Juckreiz, Nasentriefen, Asthma, Schwindel, Kopf- und Bauchweh. Hier gibt es Ähnlichkeiten zu Lebensmittelallergien, bei denen ebenfalls Histamin ausgeschüttet wird. Die genauen Auslöser und Beschwerden der Histaminintoleranz sind individuell verschieden. Ob es sich dabei um eine eigenständige Krankheit handelt, ist wissenschaftlich umstritten.
Entzündungen durch Gluten
Auch die vierte wichtige Nahrungsmittelunverträglichkeit, die Sprue oder Zöliakie, ist noch nicht komplett verstanden – aber extrem aggressiv. Dabei verursacht Gluten aus üblichen Getreidesorten wie Weizen, Gerste, Roggen und Hafer Entzündungen der Schleimhäute im Dünndarm. Viele Patienten bekommen Verdauungsprobleme, sind unterernährt und anfälliger für andere Krankheiten, etwa für Darmkrebs. Rund 1 Prozent der Deutschen leidet an einer ärztlich bestätigten Zöliakie.
Seriöse Diagnose wichtig
Der Verdacht auf Nahrungsmittelunverträglichkeit erfordert eine sorgfältige Diagnose. Manche Patienten quälen sich mit mehreren Formen zugleich – oder leiden an anderen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn. Umgekehrt verwechseln Ärzte Unverträglichkeiten womöglich mit einem Reizdarmsyndrom unklarer Ursache. Dann nehmen Patienten weiterhin Speisen und Getränke zu sich, die ihnen nicht gut tun.
Allergologenverbände weisen auf noch ein Problem hin: unseriöse Bluttests auf Immunglobulin G (IgG). Diese Antikörper, so die Behauptung, bilde das Immunsystem als Reaktion auf Nahrung. Sie bewirkten Unverträglichkeiten sowie chronische Krankheiten. Entsprechend sollten Patienten Lebensmittel weglassen, gegen die sie IgG entwickelt haben. „Das kann Nährstoffmängel verursachen und ist nach jetzigem Wissen sinnlos“, sagt Professor Dr. Margitta Worm, Allergologin an der Charité Universitätsmedizin Berlin. Demnach seien IgG gegen Lebensmittel ungefährlich und höchstens ein Zeichen, dass jemand etwas relativ oft isst. Entsprechend erstatten Krankenkassen die oft teuren Tests nicht, sondern nur gesicherte Methoden (siehe Schritt für Schritt).
Behandelt werden Unverträglichkeiten durch Ernährungsumstellung. „Hilfreich ist eine individuelle Ernährungsberatung“, sagt Worm. Wem Fruktose, Laktose oder Histamin zu schaffen macht, der soll Lebensmittel damit einige Wochen weglassen, damit sich der Darm erholt. Dann gilt es, die individuellen Verträglichkeitsgrenzen auszuloten. Maximaler Verzicht ist falsch. Der Körper braucht Mineralien und Vitamine. Daher sollen Menschen mit Fruktose-Unverträglichkeit viel Gemüse und auch Obst essen. „Gemüse macht meist keine Probleme, und in Maßen lassen sich viele Obstsorten vertragen“, sagt Reese. Hilfreich seien kleine Portionen, kombiniert mit Fett und Eiweiß, etwa als Dessert.
Gluten lebenslang meiden
Anders sieht es bei Zöliakie aus. Betroffene müssen den Reizstoff meiden: absolut und lebenslang. Die Deutsche Zöliakie Gesellschaft bietet Infos und Rezepte: www.dzg-online.de. Gluten steckt in vielen Getreidesorten, also in Grundnahrungsmitteln. Trotzdem ist vollwertige Ernährung möglich, da es in Obst, Gemüse, Milch, Eiern, Fisch, Fleisch, Reis, Kartoffeln und manchem Getreide wie Hirse und Amaranth nicht vorkommt. Und es gibt Spezialprodukte, die unbedenkliche Mengen enthalten. Sie tragen die Aufschrift „glutenfrei“ oder das Symbol einer durchgestrichenen Ähre und sind bei Zöliakie sehr hilfreich. „Ohne gesicherte Diagnose ist glutenfreies Essen aber absolut nicht sinnvoll“, warnt Reese. Doch genau das liege im Trend.
Wann Spezialprodukte helfen

Auch sonst wächst der Markt der Speziallebensmittel. Solche mit der Aufschrift „laktosefrei“, „fruktosefrei“ oder „fruktosearm“ dürfen nur geringe Mengen der Reizstoffe enthalten. Gerade laktosefreie Milch ist sinnvoll. Doch viele der vergleichsweise teuren Produkte werben mit Selbstverständlichkeiten. „Egal ob es draufsteht oder nicht – jede schnittfeste Käsesorte ist von Natur aus fast laktosefrei“, sagt Reese. „Menschen mit Unverträglichkeit können sie unbesorgt essen.“ Sie liefern wertvolles Kalzium, genau wie grünes Gemüse, etwa Brokkoli, Hülsenfrüchte sowie auch manche Mineralwässer.
Lässt sich der Mineral- oder Vitaminspiegel nicht natürlich decken, brauchen Patienten eventuell Nahrungsergänzungsmittel – aber nur laut ärztlichem Rat. Ferner gibt es Präparate mit Laktase oder Enzymen, die Fruktose in Glukose umwandeln. „Das kann in besonderen Situationen Erleichterung bringen“, sagt Reese. Aber auch so bekämen die meisten Patienten mit der Zeit viel Sicherheit. „Sie können lernen, fast ohne Einschränkungen zu leben.“
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Was ich für sehr wichtig halte ist, dass sich die Laktose-Intoleranz von Mensch zu Mensch auf ganz unterschiedliche Weise bemerkbar macht. Bauchweh oder Durchfall hatte ich nämlich nicht.
Stattdessen war ich jahrelang total schlapp, energielos und ständig müde. Leichte Depressionen kamen deswegen hinzu. Die Ärzte hatten keinen Schimmer und haben alles Mögliche erzählt. Letztes Jahr bei einer Magenspiegelung stellte sich dann heraus: Ausgeprägte Laktose-Intoleranz. Seitdem ich aber auf meine Ernährung achte, bin ich wie ausgewechselt.
Was viele auch nicht wissen: Laktose kommt in sehr hohen Mengen in Bäckereierzeugnissen vor. Für mich jedenfalls sind Backwaren das schlimmste überhaupt.
Was hier außen vor bleibt ist die Tatsache, dass jeder Lactose-Intoleranz-Betroffene seine eigenen Mengen hat, bei denen es zu keinen oder nur sehr geringen Symptomen kommt. Tatsächlich ist eine kommplette Laktose-Intoleranz höchst selten. Diese sollte dann aber auch ärztlich abgeklärt werden.
Als ich mit Ende 30 plötzlich immer Magen- und Darmschmerzen, und vor allem Blähungen, nach dem Genuss von Kaffee (mit Milch) bekam, gab ich die Beschwerden in Google ein, und gleich die erste Website brachte die Ursache zum Vorschein: Laktoseintoleranz, also Milchzuckerunverträglichkeit. Ließ ich Milch weg bzw. ersetzte sie durch laktosefreie, war alles wunderbar. So einfach kann eine Diagnose sein - innerhalb weniger Minuten.
Erst Jahre später ließ ich bei einer Blutuntersuchung auch die Laktoseintoleranz testen bzw. bestätigen.
Andere Menschen, die ich kenne, sind - wie Klausklaus es schreibt - von Pontius zu Pilatus gelaufen, haben Magen- und Darmspiegelungen hinter sich bringen müssen, nur um nach 2 oder 3 Jahren (!) zu erfahren, dass es sich um Laktoseintoleranz handelt.
Warum fängt ein Arzt nicht erst einmal beim Kleinsten an, sondern legt gleich mit Spiegelungen los? Geht es dabei nur ums Geld und nicht um das Wohl des Patienten?
Fragen Sie Dr. Google...
"Wer also meint, Nahrungsmittel nicht zu vertragen, gehört zunächst einmal zum Arzt." - Nach meiner Erfahrung ist das reine Zeitverschwendung. Man wird von Pontius zu Pilatus geschickt, macht immer wieder die gleichen Tests und jeder Arzt sagt etwas anderes. Z.B. Laktoseintoleranz: der eine macht einen Atemtest und sagt alles in Ordnung. Der nächste macht einen Gentest und sagt, ab sofort kein Milchprodukt mehr. Der Dritte will Vitaminpräparate zum 20-fachen Preis wie in der Drogerie verkaufen - auf Privatrechnung. Und alles immer im Brustton der Überzeugung, vom Professor bis zum Dorfarzt. Mittlerweile sind mir gelegentliche Bauchschmerzen lieber als die sinnlosen Arztbesuche.