Vergabe von Siegeln: Die komplexen Strukturen hinter dem Logo

Siegel sind nicht einfach Stempel auf dem Papier. Hinter den bunten Logos, die auf Produkten prangen, steht eine komplexe Welt: Es gibt Organisationen, die sie vergeben. Es gibt Prüfer, die dafür Kontrollen bei Erzeugern machen. Und es gibt Unternehmen, die mit dem Siegel werben wollen. test.de erläutert am Beispiel der Nachhaltigkeitssiegel im Test wichtige Begriffe und Abläufe.
Was ist eine Labelorganisation?
Hinter dem Logo von Fairtrade steht beispielsweise Transfair, hinter dem Logo Hand in Hand die Naturkostfirma Rapunzel. Als Siegel vergebende Organisation legen sie fest, welche Anforderungen hinter dem Siegel stehen. Je nach Label werden dabei die Schwerpunkte unterschiedlich gesetzt. Bei einem Nachhaltigkeitslabel müssen das soziale, ökologische und ökonomische Kriterien sein. Die Labelorganisation definiert damit einen Standard, den die Erzeuger und alle, die die Rohware verarbeiten, erfüllen müssen. Die Labelorganisation muss zudem kontrollieren, dass ihre Kriterien eingehalten werden. Sie vergibt außerdem Lizenzen an die Unternehmen, die ihr Logo auf bestimmten Produkten abdrucken wollen.
Was ist unter „Standard“ zu verstehen?
Gemeint ist das Regelwerk, das Basis eines Siegels ist. Es handelt sich um einen Kriterienkatalog, den – je nach Anspruch der Labelorganisation – verschiedene Akteure in der Lieferkette umsetzen und einhalten müssen. Die meisten Organisationen im Test haben eigene Standards. Eine Ausnahme bei den Nachhaltigkeitssiegeln ist Gepa. Hinter „Gepa fair+“ stehen Standards anderer Organisationen. Generell gibt es Standards für einzelne Produktgruppen wie Kakao und Tee, manche Organisationen unterscheiden zudem auch nach Produzentengruppen. Fairtrade hat beispielsweise separate Standards für Kleinbauern, die sich in Kooperativen organisieren, und für Bauern, die auf größeren Plantagen Angestellte beschäftigen.
Wie wird ein Standard entwickelt?
Den Standard entwickeln die Labelorganisationen, meist mit Unterstützung verschiedener Interessensgruppen. Das können beispielsweise Produzenten, Wissenschaftler und Verbraucher sein. Die Labelorganisationen hinter den Siegeln im Test orientierten sich bei der Standardentwicklung an allgemein anerkannten Regelwerken wie den Kernarbeitsnormen der International Labour Organization (ILO), dem Sozialstandard SA 8000 und dem Fair Trade-Standard der World Fair Trade Organization (WFTO). Fairtrade, Rainforest Alliance und Utz sind außerdem Mitglied bei ISEAL, einer Dachorganisation für Entwickler von Umwelt- und Sozialstandards. Das hilft ihnen, ihre Arbeit zu hinterfragen und zu verbessern. Wichtig: Ein Standard sollte niemals in Stein gemeißelt sein, vielmehr sollten Anforderungen und Wirkung regelmäßig überprüft und, wenn nötig, überarbeitet werden.
Was ist mit Zertifizierung gemeint?
Die Zertifizierung ist eine Bescheinigung darüber, dass ein Produzent oder Lieferant die Anforderungen der Labelorganisation erfüllt. Dazu muss dieser kontrolliert und überprüft werden. War die Zertifizierung erfolgreich, kann der Produzent oder Lieferant seine Ware umgehend als zertifizierte Ware anbieten und weiterverkaufen. Nach einem bestimmten Zeitraum – meist sind es ein bis zwei Jahre – muss er erneut kontrolliert werden.
Wie laufen Zertifizierungen und Kontrollen ab?
In der Regel sind es nicht die Labelorganisationen selbst, die Produzenten in den Anbauländern zertifizieren und kontrollieren. Sie beauftragen dafür unabhängige Prüfstellen: Bei Fairtrade beispielsweise macht das Flocert, bei Rainforest Alliance RA-Cert. Die Überprüfung eines Betriebs, etwa einer Kakao-Kooperative, wird in der Fachsprache Audit genannt. Es gibt angekündigte und nicht angekündigte Audits. Dabei kontrolliert der Prüfer vor Ort, ob die im Standard vorgeschriebenen Kriterien eingehalten werden und ob es Abweichungen gibt. Der Prüfer muss Unstimmigkeiten und Verstöße dokumentieren und bei kommenden Audits kontrollieren, ob die Probleme behoben wurden. Die Auditergebnisse werden meist an eine Zertifizierungsstelle übermittelt. Diese entscheidet, ob die Ergebnisse der Überprüfung ausreichen, um ein Zertifikat auszustellen.
Wer darf ein Siegel auf sein Produkt drucken?
Die sogenannten Lizenznehmer. Das können zum Beispiel Lebensmittelhersteller sein, die zertifizierte Rohware wie Kaffee oder Kakao einkaufen und anbieten. Offiziell gelten sie als „Inverkehrbringer“. Sie schließen vorab Verträge mit der verantwortlichen Labelorganisation und verpflichten sich, bestimmte Informationen rund um das Logo richtig auf dem Produkt abzubilden. So schreibt beispielsweise Utz vor, dass Lebensmittel, die weniger als 90 Prozent des zertifizierten Rohstoffs enthalten, den genauen Mengenanteil angeben müssen. Auf dem Produkt steht dann unter dem Utz-Logo eine Zahl: etwa 30 Prozent.