
Der Prozessfinanzierer Myright.de glaubt: VW muss Besitzer von Skandalautos entschädigen. Das Unternehmen bietet Besitzern dieser Autos eine Prozessfinanzierung für ihre Schadenersatzklagen gegen VW an. Bis zu 1 000 Euro können Autobesitzer sogar vorab erhalten, wenn sie Myright.de beauftragen. Die dürfen sie auch dann behalten, wenn VW am Ende doch nichts zahlt. test.de sagt, was von dem Angebot zu halten ist.
Alte Bekannte
Myright.de ist bereits bekannt. Das Unternehmen bot früher eine von US-Anwalt Hausfeld angeschobene Sammelklage an und fordert für über 40 000 Autobesitzer Schadenersatz. Autobesitzer traten ihre Forderungen gegen VW an das Unternehmen ab und das zog vor Gericht. Wenn VW am Ende zahlt, erhalten die Autobesitzer das Geld abzüglich Provision. 35 Prozent des Betrags abzüglich des Wert des an VW zurückzugebenden Wagens gehen an Myright.de. Urteil im test.de-Schnelltest damals: Sehr geringe Mängel in den Geschäftsbedingungen, etwas größere beim Datenschutz, ansonsten: Faires Angebot.
Geld fürs Klagen
Jetzt kommt Myright.de mit einem neuen Angebot: Das Unternehmen finanziert Besitzern von Skandalautos den Prozess gegen VW. Kostenpunkt: Nichts, wenn VW am Ende nicht zahlt. Wenn VW mit oder ohne Verurteilung zum Schadenersatz zahlt, gehen mindestens 19,99 Prozent des Geldes an Myright.de, bis zu 80,01 Prozent bekommt der Autobesitzer. Allerdings: Der muss dann außerdem seinen Wagen an VW zurückgeben. Insbesondere bei Autos mit hoher Laufleistung kann der mehr wert sein, als VW zahlen muss. Rechtlicher Hintergrund: Die Gerichte verurteilten VW dazu, den Kaufpreis abzüglich Nutzungsentschädigung zu ersetzen. Als Nutzungsentschädigung ist der Teil des Kaufpreises zu verstehen, der den bereits gefahrenen Kilometern im Verhältnis zur zu erwartenden Gesamtlaufleistung des Wagens entspricht. Dabei gehen die Gerichte meist davon aus: 250 000 Kilometer schaffen die VW-Diesel aus den betroffenen Fertigungen. Das heißt: Hat der Wagen bereits 200 000 Kilometer oder 80 Prozent seiner Gesamtlaufleistung hinter sich, dann muss VW nur noch 20 Prozent des Kaufpreises erstatten. Gepflegte Autos ohne Unfälle und Reparaturbedarf jedoch sind zuweilen trotz der Kilometer mehr wert.
Bis 1 000 Euro Vorschuss möglich
Myright.de bietet sogar „Sofort-Schadensersatz“ an. Das heißt: Das Unternehmen zahlt bis zu 1 000 Euro Vorschuss auf den Schadenersatz im Voraus aus. Es ist allerdings nicht wirklich zur sofortigen Zahlung verpflichtet. Bis vier Wochen nach Erhebung der Klage nimmt sich die Myright-Prozessfinanzierungstochter Zeit für die Zahlung. Hinzu kommt noch die Zeit, die die Myright-Vertragsanwälte für den außergerichtlichen Schriftverkehr und die Formulierung der Klage brauchen. test.de meint: „Sofort“ ist das nicht. Aber immerhin: Das Geld dürfen Myright.de-Kunden auf jeden Fall behalten – auch wenn die Klage am Ende doch scheitert.
Rechnen mit Provision
Allerdings: Wer die Vorauszahlung will, muss am Ende eine höhere Provision zahlen. Laut Myright.de sind typische Sätze: 27,49 Prozent bei 1 000 Euro Vorauszahlung, 24,99 Prozent bei 500 Euro und 19,99 Prozent ohne Vorauszahlung. Wie hoch die Provision genau ist, berechnet Myright.de im Einzelfall nach Eingabe der Daten des Kunden und seines Wagens. Sie kann zwischen 19,99 und 29,99 Prozent liegen. Muss VW Zahlungen leisten, die nicht von der Rückgabe des Autos abhängen, dann liegt der Provisionssatz sogar zwischen 29,99 Prozent und 39,99 Prozent. Der höhere Satz gilt auch für Zinsen und spielt vor allem dann eine große Rolle, wenn das zuständige Gericht VW verbraucherfreundlich zur Verzinsung des Kaufpreises von seiner Zahlung an verurteilt hat. Wie sich die verschiedenen Provisionssätze bei mehr oder weniger verbraucherfreundlichem Urteil auswirken, zeigt die test.de-Tabelle am Beispiel eines VW Golf von 2014.
Prüfung im Einzelfall
Skandalautobesitzer müssen genau schauen, ob die Prozessfinanzierung für sie Sinn macht. Myright.de schränkt von sich aus ein: Für Autos mit mehr als 195 000 Kilometern lehnt das Unternehmen die Prozessfinanzierung regelmäßig ab. Chance und Risiko stehen dann aus Sicht des Prozesskostenfinanzierers in keinem vernünftigen Verhältnis mehr.
Rechner Prozesskostenfinanzierung
Mit dem Rechner der Stiftung Warentest können Skandalautobesitzer für ihren Einzelfall prüfen, was ihnen eine Prozessfinanzierung wie die von Myright.de wahrscheinlich bringen wird. Sie brauchen dafür ein konkretes Angebot mit Angabe von Provisionssätzen. Rechnen Sie damit, dass es etwa ein Jahr dauert, bis Sie gegebenenfalls Geld erhalten. Wenn Sie den Wagen bereits verkauft haben, tragen Sie in den Rechner den Kilometerstand bei Verkauf und den Betrag ein, den sie tatsächlich erhalten haben.
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Unternehmen kann aussteigen
Noch zu berücksichtigen: Myright.de führt den Prozess nur, solange er Aussicht auf Erfolg hat. Der Prozessfinanzierer entscheidet nach außergerichtlicher Forderung vor Klageerhebung, Berufung und Revision immer wieder neu, ob sie den Fall weiterführen. Ändern sich die Bedingungen, weil zum Beispiel der Bundesgerichtshof eine Grundsatzentscheidung fällt, wonach es keinen oder weniger Schadenersatz gibt, als die Gerichte aktuell annehmen, behält das Unternehmen sich vor, auch zwischendurch aus dem Vertrag auszusteigen. Kunden müssen dann nichts zahlen. Sie können den Prozess weiterführen, müssen dann aber selbst alle danach entstehenden Kosten übernehmen, wenn nicht am Ende – so wie bei Standardfällen wahrscheinlich – VW zahlen muss.
Kunde muss Vorgaben von Myright.de einhalten
Formal ist der Myright.de-Kunde selbst Herr des Verfahrens. Doch Myright.de finanziert das Verfahren nur, so lange dabei alle taktischen Vorgaben des Unternehmens eingehalten werden und der Autobesitzer einen vom Unternehmen benannten Vertragsanwalt ins Rennen schickt. Vorteil für Autobesitzer: Der wird sich mit VW-Fällen auskennen. Nachteil: Eine wie vom Anwalt in der Nachbarschaft gewohnte individuelle Betreuung dürfen Myright.de-Kunden nicht erwarten. Maximalforderungen sind auch nicht drin. Die Zahlung einer Nutzungsentschädigung haben Myright.de-Kunden zu akzeptieren, obwohl einzelne Gerichte sie dazu nicht in der Pflicht sehen.
Vergleich ist Pflicht
Wollen der Vertragsanwalt und Myright.de einen Vergleich oder Rechtsmittel, kann der Kunde kaum ablehnen. Er ist außerdem in der Pflicht, Myright.de und den Anwalt alle erforderlichen Informationen zu verschaffen. Das kann Mühe machen. Es geht unter Umständen nicht nur um schriftliche Unterlagen, sondern auch darum, was der Autobesitzer sich bei Kauf gedacht hat, was der Verkäufer sagte und wer womöglich Zeuge ist. Der Autobesitzer muss den Anwalt Myright.de gegenüber von seiner Schweigepflicht entbinden.
Restrisiko bei Insolvenz
Bei Prozessfinanzierung stets zu beachten: Es gibt ein Insolvenzrisiko. Das ist zwar gering, bedeutet aber: Wird der Finanzierer zahlungsunfähig oder ist er überschuldet, muss der Kunde doch noch zahlen, wenn der Prozess verloren geht. Er hat dann die Kosten des Verfahrens selbst zu tragen. Hauptrisiko: Die Anwaltskosten. Die liegen bei einer 15 000 Euro-Klage beispielsweise bei insgesamt mindestens 3 915,10 Euro – nur für die erste Instanz.
Freigebig mit Daten
Offenherzig gibt sich Myright.de beim Datenschutz. Wie schon bei den meisten Online-Rechtsberatungsangebote im Test 2017 gehen Daten an Google, Facebook, Microsoft und weitere Anbieter und ermöglichen zielgerichtete Werbung. Immerhin: Das ist in der Datenschutzerklärung offengelegt und recht verständlich erklärt. Gleichwohl: Myright.de-Besucher erhalten anschließend auf ihre Interessen zugeschnittene Werbung. Mit hoher Wahrscheinlichkeit mit dabei: Die Offerten anderer Prozesskostenfinanzierer, die es auf Skandalautobesitzer abgesehen haben. Was die taugen, wissen wir leider nicht. Außer Myright.de hat es noch kein Anbieter test.de ermöglicht, die Geschäftsbedingungen zu prüfen. Das wird kaum daran liegen, dass sie so gut sind. Skandalautobesitzer sollten sich genau anschauen, auf was sie sich einlassen. Dabei hilft unser Rechner zur Prozesskostenfinanzierung im Abgasskandal.
Fazit: Fast kein Risiko, wenig Freiheit
Die Prozessfinanzierung von Myright.de bietet wie versprochen die Chance auf Schadensersatz ohne nennenswertes Risiko. Auf den versprochenen „Sofort-Schadenersatz“ allerdings haben Myright.de-Kunden erst mit etlichen Wochen Verzögerung Anspruch. Insbesondere Besitzer von Skandalautos mit reichlich Kilometern auf dem Tachometer müssen genau schauen, ob es Sinn macht, mit Myright-Prozessfinanzierung gegen VW vorzugehen. Je besser der Wagen noch in Schuss ist und sich verkaufen lässt, desto weniger lohnt es, von VW Schadenersatz zu fordern. Wer Maximalforderungen durchsetzen will, ist bei Myright.de ebenfalls falsch. Offensive Klagen auf Schadenersatz ohne Nutzungsentschädigung, wie sie findige Anwälte immer mal wieder gewinnen, finanziert Myright.de nicht. Myright.de-Kunden haben in taktischen Fragen keinen Spielraum, sondern müssen auf Myright.de und deren Vertragsanwälte hören.
Für Menschen ohne Rechtsschutzversicherung überlegenswertes Angebot
Ohnehin klar: Wer eine Rechtsschutzpolice einschließlich Verkehrsrechtsschutz (Vergleich Verkehrsrechtsschutzpolicen) hat, beauftragt besser selbst eine der im Abgasskandal erfolgreichen Kanzleien. Allen anderen bietet Myright.de eine reelle Chance, doch noch Schadenersatz durchzusetzen, nachdem die Anmeldefrist für die Musterfeststellungsklage gegen VW abgelaufen ist und die ursprüngliche Myright.de-Sammelklage ebenfalls längst läuft und keine Anmeldung mehr möglich ist.
Abgasskandal: Anworten auf Ihre Fragen
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- Autohersteller haben illegal getrickst. Der Bundesgerichtshof entschied: Dafür haften sie – auch ohne Vorsatz. Auch ausländische Unternehmen wie Fiat müssen zahlen.
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- EuGH-Urteil: Alle bis September 2021 aufgenommenen Kredite sind widerruflich. Chance für Autokäufer: Sie sparen Tausende Euro. Aber nur, wenn sie das Auto noch haben.
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- Der Rechtsdienstleister Myright.de will europäischen Käufern von VW-Skandalautos zu Schadenersatz verhelfen. Myright.de hat wegen der Forderungen von 40 000...
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@Pmerkel: In der Tat haben wir die Myright.de-AGB in ihrer ursprünglichen Fassung mit Stand von Februar 2016 für ganz überwiegend fair und das Geschäftsmodell als Verbraucherinkasso für zulässig gehalten. Einige Gerichte sahen das genau so, andere wie die beiden genannten beurteilten die Arbeit von Myright.de als unzulässige Rechtsdienstleistung. Letztlich wird der Bundesgerichtshof entscheiden. Ärgerlicherweise werden bis dahin mindestens noch etliche Monate vergehen und werden anschließend die Instanzgerichte noch viel Zeit brauchen, um die umfangreichen Myright-Klagen mit etlichen Tausend Geschädigten abzuarbeiten, sofern der BGH die Abtretung der Verbraucherrechte an das Unternehmen nicht für unwirksam hält. Wir glauben nach wie vor: Am Ende wird sich Myright.de durchsetzen. Da nicht absehbar ist, wann das sein wird, ermöglicht es Myright.de Kunden, den Vertrag zu kündigen und die Rechte individuell durchzusetzen. Sinn hat das aber nur, wenn Forderungen gegen VW noch nicht verjährt sind. Das ist aktuell noch bei Myright.de-Kunden der Fall, die ihre Rechte wie vom Unternehmen empfohlen vorsorgliche auch zur Musterfeststellungsklage des vzbv angemeldet hatten. Für solche bietet Myright.de auch eine Prozessfinanzierung. Allen anderen empfehlen wir, bei Myright.de zu bleiben und sich mit Geduld zu wappnen. (maa)
Vor den LG Ingolstadt und Augsburg wurden gerade im Zusammenhang mit dem Dieselskandal zwei Sammelklagen von myRight abgewiesen, wobei sich die Richter in der Begründung v.a. auf die AGB von myRight fokussiert hätten. MyRight interpretiert es nun so, dass die LG sich vor einem Urteil scheuen und die Entscheidung dem BGH überlassen wollen. Nachdem auch Stiftung Warentest nur "sehr geringe Mängel" in den AGB festgestellt hat, würde mich interessieren, ob diese Interpretation durchaus realistisch ist oder ob ich mich damit abfinden muss auf das falsche Pferd gesetzt zu haben.
@t.d.t.: Myright.de hatte uns gegenüber stets erklärt: Das Unternehmen lässt Kunden ziehen, wenn diese ihre Rechte anderweitig verfolgen wollen. Allerdings: Aktuell kann die Kündigung bei Myright.de dazu führen, dass Rechte verjähren. Es bleibt zwar nach überwiegender Ansicht der so genannte Restschadenersatzanspruch nach § 852 BGB. Möglich wäre es vielleicht, mit Myright.de zu sprechen, ob sie bereit sind, den einzelnen Anspruch aus der Sammelklage auszusondern und ihn in dann individuell geltend zu machen. Das ist dann genau wie jede andere individuelle Klage auch. Was das kosten wird, können wir nicht sagen. (PH)
Hallo, wie kommt man aus der Sammelklage von Myright wieder raus und was kostet das ?