Es war die E-Mail eines Kollegen, die Susanne Dumas’ Kampf für Lohngerechtigkeit auslöste. „Vertriebsleiter“ stand in der Signatur seines Schreibens vom November 2018, in ihrer dagegen nur „Vertrieb“. Dabei hatte der Mann nur zwei Monate vor ihr seine Stelle bei ihrem Arbeitgeber, einem Zulieferer der Bahnbranche, angetreten. Die Diplom-Kauffrau erfuhr, dass er bis zu 1 000 Euro brutto mehr erhielt als sie – für die gleiche Arbeit. „Natürlich hat mich das enorm gewurmt“, sagt sie.
Der Betriebsrat greift ein - die Lohnlücke bleibt
Zunächst wandte sich Susanne Dumas an ihren Vorgesetzten, der sich zu der Differenz nicht äußern wollte, später an den Betriebsrat. Dieser erwirkte, dass sie in dieselbe Gehaltsgruppe wie der Kollege eingestuft wurde. Allerdings regelte der Tarifvertrag, dass das bisherige Gehalt maximal um 120 Euro angepasst werden durfte. Zwischen Mitarbeiter und Mitarbeiterin blieb so eine erhebliche Lücke. Auch Anfragen beim Vorstand und der Diskriminierungsstelle des Bundes halfen ihr nicht weiter. Dann entschloss sie sich zu klagen. „Ich dachte so locker-flockig: Das schaffst Du schon“, berichtet sie. Damals war sie sich sicher, dass sie das Recht auf ihrer Seite hat.
Klagen vor zwei Arbeitsgerichten
Doch 2019 scheiterte sie mit ihrer Klage vor dem Arbeitsgericht in Dresden. Das Gericht folgte der Argumentation des Arbeitgebers: Der männliche Kollege habe sein Gehalt eben besser verhandelt.
Ihre berufliche Situation sei damals sehr schwierig gewesen, berichtet Susanne Dumas. Mit dem besser verdienenden Kollegen teilte sie sich sogar noch ein Büro. Ihr Chef warf ihr einen Vertrauensbruch vor.
Erneute Niederlage vor dem Landesarbeitsgericht
Sie gab nicht auf und zog mit ihrer Anwältin Susette Jörk vors Landesarbeitsgericht in Chemnitz – wieder erfolglos. Wieder wurde ihr erklärt, die unterschiedliche Bezahlung habe nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern mit Verhandlungsgeschick. „Meine Anwältin war über die erneute Niederlage genauso entsetzt wie ich“, erinnert sich Susanne Dumas. „Damals wollte ich aufgeben. Ich war emotional absolut erschöpft, auch körperlich ging es mir nicht gut.“ Sie hatte bereits mehr als 5 000 Euro in den Rechtsstreit investiert. „Als geschiedene Frau mit drei Kindern hatte ich keine finanziellen Reserven mehr“, sagt sie. Als nächste und letzte Instanz blieb das Bundesarbeitsgericht. Im Falle des Scheiterns hätte sie aber auch die Anwaltskosten der Gegenseite übernehmen müssen: „Das hätte ich nicht stemmen können.“
Verein bietet juristische Unterstützung
Ihre Anwältin riet ihr trotzdem weiterzumachen – diesmal mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Der gemeinnützige Verein, in dem sich viele Juristinnen und Juristen engagieren, setzt sich für Grund- und Menschenrechte ein. Unter anderem übernimmt er bei ausgewählten Gerichtsverfahren das Kostenrisiko. Noch vor dem dritten Prozess nahm sie eine neue Stelle an. „Es ging nicht mehr“, sagt sie. „Das Verhältnis zwischen meinem Vorgesetzten und mir war zerrüttet.“
Lohnrückzahlungen und Diskriminierungsentschädigung
Als im Februar 2023 das Urteil vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt unter großem Medieninteresse fiel, lagen fast vier Jahre Rechtsstreit hinter der heute 45-Jährigen. Diesmal gewann sie auf ganzer Linie. Das Gericht sprach ihr 14 500 Euro entgangenen Lohn und 2 000 Euro Diskriminierungsentschädigung zu und erklärte, dass Verhandlungsgeschick kein höheres Gehalt mehr rechtfertigen darf. Überglücklich sei sie gewesen, sagt Dumas, und wahnsinnig erleichtert. So sehr, dass ihr vor laufenden Kameras die Tränen kamen.
Noch immer: erhebliche Lohndifferenzen
Das Urteil, das Susanne Dumas ihren beiden Töchtern gewidmet hat, gilt als Meilenstein im Kampf gegen den Gender-Pay-Gap – den Abstand zwischen dem Entgelt der Männer und dem der Frauen. 2022 betrug die Lohnlücke in Deutschland 18 Prozent. Das liegt unter anderem daran, dass viele Frauen Teilzeit arbeiten und in Branchen beschäftigt sind, in denen traditionell geringere Löhne gezahlt werden. Zieht man solche Faktoren ab, bleibt noch immer eine Lohnlücke von 7 Prozent.
Kommentarliste
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Eine Diskriminierung kann ich beim besten Willen nicht erkennen, der Kollege von Frau Dumas hat offensichtlich im Gegensatz zu ihr während des Bewerbungsverfahrens ausgiebig den Marktwert seiner Arbeitsleistung recherchiert und ist den Aufwand (und das Risiko) eingegangen, in die Verhandlung um ein hohes Gehalt zu gehen.
Alle Firmen konkurrieren um die besten Fachkräfte, werden diesen in Zukunft aber nur noch den intern etablierten Einheitslohn anbieten können, denn ansonsten würden sie wegen angeblicher Diskriminierung teure Klagen riskieren. Mit dem Ergebnis dass für die Besten das Auswandern in Wirtschaftsräume mit Leistungsprinzip (noch) attraktiver wird.
Frau Dumas arbeitet im Vertrieb, soll also Produkte zu einem möglichst hohen Preis an Kunden verkaufen.
Wenn ihr Kollege mehr Verhandlungsgeschick in Lohnsachen hat, ist das für mich schon der Beweis, dass er auch der bessere Verkäufer ist.
Und damit ist der Lohnunterschied gerechtfertigt.
Profitieren werden von dieser Regelung in erster Linie die Anwälte.
Die Last der Gerichte wird noch höher, indem ihnen immer mehr Aufgaben übertragen werden, die mit ihrer ursprünglichen Funktion nichts zu tun haben.