Finanztest stellt Menschen vor, die großen Unternehmen oder Behörden die Stirn bieten und dadurch die Rechte von Verbrauchern stärken. Diesmal: Die Journalisten Daniel Drepper aus Berlin und Niklas Schenck aus Hamburg. Sie wehrten sich gegen zu hohe Kosten für Informationen.
Eine Anfrage – zerlegt in 66 Einzelteile
Als Daniel Drepper und Niklas Schenck im Mai 2011 beim Innenministerium Einsicht in Akten zur Sportförderung in Deutschland beantragen, warnt das Ministerium die Journalisten vor „hohen Kosten“. Was wirklich auf sie zukommt, ahnen sie nicht. Denn sie stützen ihre Anfrage auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG), das allen Bürgern das Recht auf Auskünfte von Bundesbehörden gibt. Es sieht pro Anfrage maximal 500 Euro Gebühren vor. Inhaltlich lohnt sich ihre Anfrage: Ihre Artikel schlagen Wellen. Sie legen sehr hohe Medaillen-Zielvorgaben des Staates für die Olympischen Spiele in London und die intransparente Verteilung von Steuergeld an Sportverbände offen. Das kommt sie teuer zu stehen. Das Innenministerium zerlegt ihre Anfrage in 66 Einzelanfragen. Drepper und Schenck müssen fast 15 000 Euro Gebühren und Kopierkosten überweisen.
Der Sinn der Informationsfreiheit
Nicht nur sie schockiert dieses Vorgehen. Es „schreckt davon ab, das Recht auf Informationszugang in Anspruch zu nehmen, und sollte dies wohl auch“, urteilt Andrea Voßhoff, Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in einem Tätigkeitsbericht. Drepper und Schenck ziehen gegen das Innenministerium vor Gericht, unterstützt vom Deutschen Journalisten-Verband und anderen. Denn ein Informationsrecht ist wenig wert, wenn Bürger Angst vor horrenden Gebühren haben müssen.„Bürger brauchen Zugang zu Originaldokumenten“, erklärt Drepper, der seine Diplomarbeit in Journalistik über das Informationsfreiheitsgesetz geschrieben hat: „Es geht um die Kontrolle von Politik und anderen Entscheidern, aber auch um das ganz alltägliche, individuelle Leben.“ Seine Beispiele: „Wie ist der Personalschlüssel in den Kindergärten meines Stadtviertels? Wie sauber ist der Bach im Dorf? Was hat der Ausbau der Turnhalle gekostet?“ Solche Dinge wissen zu dürfen, sei Bürgerrecht.
Ein Rechtsstreit bis zum Bundesgericht
Im Sommer 2014 gibt das Verwaltungsgericht Berlin Drepper und Schenck recht: Die Stückelung des Antrags sei rechtswidrig. Das Ministerium geht in Berufung. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bestätigt die Entscheidung. Wieder legt das Ministerium Rechtsmittel ein. Im Oktober 2016 schlägt sich auch das Bundesverwaltungsgericht als höchste Instanz auf die Seite der Journalisten: Die Stückelung der Anfrage verstoße „gegen das im Informationsfreiheitsgesetz bestimmte Verbot einer abschreckenden Wirkung der Gebührenbemessung“ (Az. BVerwG 7 C 6.15). Kopierkosten hätte das Ministerium gar nicht kassieren dürfen. Drepper und Schenck bekommen ihr Geld zurück. Damit ist klar: Auf Bundesebene muss sich niemand vor abschreckenden Gebühren fürchten, wenn er sein Recht auf Auskunft wahrnimmt. Die Journalisten nutzen Auskunftsrechte weiter bei Recherchen, zum Beispiel zu Deutschlands Beitrag zum US-amerikanischen Krieg gegen den Terror, mit dem sich der 33-jährige studierte Geograph Schenck befasst hat. Drepper, 30 Jahre, hat das gemeinnützige Recherchekollektiv Correctiv in Berlin mitgegründet. Er zeigt Bürgern in kostenlosen Workshops, wie sie das Informationsfreiheitsgesetz nutzen und welche Auskunftsrechte sie sonst noch haben.
So nutzen Sie Ihre Chancen
Informationsanspruch. Informationsfreiheitsgesetze (IFG) gewähren allen Bürgern das Recht, Auskünfte oder Akteneinsicht von Behörden zu verlangen. Es gibt IFG auf Bundesebene und in zwölf Bundesländern. Nicht dabei sind Bayern, Hessen, Niedersachsen und Sachsen. Einige Städte haben Informationsfreiheits-Satzungen.
Kosten. Einfache Anfragen sind in der Regel kostenlos. Behörden können Gebühren verlangen, wenn sie viel Aufwand haben. Viele, aber nicht alle IFG, sehen maximal 500 Euro vor.
Hilfe. Informationen zu IFG-Anfragen bietet das Internetportal FragDenStaat.de. Darüber können Sie Ihre Anfrage einfach stellen. Bei Einverständnis werden Frage und Antwort veröffentlicht.
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