Finanztest stellt Menschen vor, die großen Unternehmen oder Behörden die Stirn bieten und dadurch die Rechte von Verbrauchern stärken. Diesmal: Thomas Roche. Der Bankbetriebswirt aus Rheinbach sagte sich: „6,5 Prozent Grunderwerbsteuer auch auf Einbauküche und Markisen. Das sehe ich nicht ein.“ Roche klagte und gewann seinen Prozess gegen das Finanzamt St. Augustin. Nun zahlt er deutlich weniger Grunderwerbsteuer.
Wie sind Einbauküche und Markisen steuerlich zu bewerten?
Manchmal, wenn Hausbesitzer Thomas Roche in seiner Küche die Kaffeemaschine anwirft, denkt er an den Rechtsstreit mit dem Finanzamt. Es ging um die Höhe der Grunderwerbsteuer, die der 36-jährige Bankbetriebswirt für das neu erworbene Einfamilienhaus in Rheinbach bei Bonn zahlen sollte. Im Kern stand die Frage, wie viel die vom Vorbesitzer übernommene deckenhohe Einbauküche mit den eingebauten Strahlern und technischen Geräten wert war. Damals waren Kühlschrank und Geschirrspüler gerade rund zwei Jahre alt. Auch um den Wert der vier Markisen ging es, von denen eine elektrisch ist.
Gegenstände im Kaufvertrag aufgeführt
Das Haus hatten Roche und seine Frau im Juni 2016 gekauft. Fünf Zimmer, schöner Garten, zentrumsnah. Als der Verkäufer ihnen anbot, Küche und Markisen mitzukaufen, zögerten sie nicht. Dass es Streit geben könnte, ahnte niemand. Denn sie hatten alles richtig gemacht. Im notariellen Kaufvertrag stand, wie sich der Kaufpreis zusammensetzt: 383 000 Euro für Haus und Grund sowie 9 500 Euro für Küche und Markisen. Solche Gegenstände stuft das Steuerrecht als bewegliche Sachen ein, weil sie nicht fest mit Haus oder Grund und Boden verbunden sind. Auf sie fällt eigentlich keine Grunderwerbsteuer an – in Nordrhein-Westfalen beträgt diese Steuer immerhin 6,5 Prozent.
Gut zu wissen
- Grunderwerbsteuer.
- Wenn Sie beim Kauf einer Immobilie gebrauchte bewegliche Sachen oder Zubehör mitkaufen und sie im Kaufvertrag extra ausweisen, zahlen Sie hierfür keine Grunderwerbsteuer.
- Bewegliche Sachen.
- Als bewegliche Sache oder Zubehör gilt nur, was nicht fest mit der Immobilie oder dem Grund und Boden verbunden ist. Ein kleines Gartenhaus ohne Betonsockel kann eine bewegliche Sache sein, eines mit Sockel nicht. Weitere Beispiele: Möbel, Sauna, Küche samt Geräten, Heizöl im Tank. Weisen Sie die Sachen im Kaufvertrag mit realistischen Preisen aus. Sollte der Fiskus die Preise anzweifeln, muss er darlegen und beweisen, dass sie unrealistisch und nicht angemessen sind.
Finanzamt bezweifelt den angegebenen Wert
Das zuständige Finanzamt St. Augustin bezweifelte aber, dass Roche marktübliche Preise für Küche und Markisen angesetzt hat. „Der Vorbesitzer hatte keine Rechnungen mehr“, sagt Roche. „Wir hatten daher geschaut, was vergleichbare Sachen neu kosten würden und Nutzungsdauer sowie Alter berücksichtigt. Insgesamt haben wir Küche und Markisen vorsichtig bewertet.“ Doch der Finanzbeamte zog zur Wertermittlung amtliche Abschreibungstabellen heran, nach denen die Gegenstände steuerrechtlich abgeschrieben waren. Er bewertete Markise und Küche deswegen mit 0 Euro und berechnete die Grunderwerbsteuer nicht nur auf Haus und Grundstück, sondern auch auf Küche und Markise. „Das ist nicht richtig“, fand Thomas Roche. Sein Stiefvater, Wilhelm Ickenroth, riet ihm, gegen den Bescheid vorzugehen, nach dem die Roches 25 512 Euro bezahlen sollten. Ickenroth war bis vor Kurzem als Notar tätig und übernahm den Fall.
Ein Urteil auch für andere Steuerzahler
Im November 2017 setzten sich die beiden vor dem Finanzgericht Köln durch (Az. 5 K 2938/16). Ickenroth, der 2003 schon einen ähnlichen Fall gewonnen hatte, sagt: „Der im Kaufvertrag genannte Preis für Markisen und Küche ist angemessen. Denn bereits eingebaute und funktionierende Gegenstände haben für Käufer durchaus einen höheren Wert.“ Amtliche Abschreibungstabellen und Preise aus Online-Verkaufsplattformen für Gebrauchtes seien kein Maßstab. Das Ehepaar Roche zahlt jetzt 618 Euro weniger Grunderwerbsteuer. „Ohne die Unterstützung von meinem Stiefvater hätten wir den Prozess nicht durchgezogen“, sagt Roche. Einem Vergleich hatten er und Ickenroth übrigens nicht zugestimmt. „Wir wollten, dass es ein Urteil gibt, auf das sich auch andere Steuerzahler beziehen können.“
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Ich finde es immer wieder sehr gut, wenn sich Betroffene nicht auf Vergleiche einlassen. Denn egal ob Staat oder Unternehmen, beide meiden die oft wegweisenden Grundsatzurteile und versuchen, den Kläger mit Geld oder verlockenden Angeboten mundtot zu machen. Daher vielen Dank für ein Urteil, das vermutlich noch vielen nützen wird.