Finanztest stellt Menschen vor, die großen Unternehmen oder Behörden die Stirn bieten und dadurch die Rechte von Verbrauchern stärken. Diesmal: Ute Gregor-Bertram. Die Frau hat nur noch ein geringes Restsehvermögen. Gemeinsam mit ihrer Tochter Annette Gregor hat sie vor Gericht die Finanzierung eines Blindenhundes erstritten.
Jahrelange juristische Auseinandersetzung mit der DAK
Das erste Treffen zwischen Ute Gregor-Bertram und Emmi verläuft nach Plan. Die 14 Monate alte Königspudel-Hündin schnüffelt in den Zimmerecken, lässt sich von ihrer künftigen Halterin streicheln und verhält sich ruhig. „Ich bin froh, dass Emmi und ich gut miteinander auskommen“, sagt Ute Gregor-Bertram. Derzeit wird die Hündin zum Blindenführhund ausgebildet. Dass sie der 74-Jährigen bald zur Seite stehen wird, ist das Ergebnis einer jahrelangen juristischen Auseinandersetzung zwischen ihr und der DAK-Gesundheit. Im November 2017 entschied das Landessozialgericht Celle: Die Kasse muss die Kosten für Emmi übernehmen.
Unser Rat
- Antrag.
- Bereiten Sie sich gut vor, wenn Sie Hilfsmittel wie einen Rollstuhl oder eine Reha-Kur bei Ihrer Krankenkasse beantragen. Schildern Sie Ihre Situation und legen Sie dem Antrag Atteste und Verordnungen bei.
- Widerspruch
- . Wird Ihr Antrag abgelehnt, können Sie grundsätzlich innerhalb von einem Monat Widerspruch einlegen.* Das gilt auch, wenn die Kasse sich auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) beruft.
- Gericht
- . Wenn auch Ihr Widerspruch abgelehnt wird, haben Sie wiederum grundsätzlich einen Monat Zeit, um vor dem Sozialgericht Klage zu erheben.* Suchen Sie sich dazu einen Anwalt, das erhöht Ihre Erfolgsaussichten.
Vollständige Erblindung droht
Ute Gregor-Bertram leidet an einer fortschreitenden Augenkrankheit. Bis vor etwa zehn Jahren konnte sie Farben und Umrisse erkennen, mit speziellen Sehhilfen lesen und den Alltag gut bewältigen. „Ein Augenarzt erklärte mir, dass ich vollständig erblinden werde. 2011, als ich noch gut laufen konnte, habe ich mich entschieden, mit einem Blindenhund zu leben“, sagt die Rentnerin, die auch an Multipler Sklerose erkrankt ist. Wegen dieser zusätzlichen Erkrankung kann sie sich heute ausschließlich mit einem Rollator fortbewegen.
Antrag auf Blindenführhund zunächst abgelehnt
Mit Hilfe ihrer Tochter Annette stellte sie bei der DAK einen Antrag auf einen Blindenführhund, der abgelehnt wurde. Die speziell ausgebildeten Hunde gelten nach dem Sozialgesetzbuch als Hilfsmittel und kosten rund 25 000 Euro. Sie helfen stark Sehbehinderten, sich im Alltag zu orientieren. Dass Kassen Anträge auf einen Blindenhund wegen der hohen Kosten nicht gleich bewilligen, kommt häufig vor. Die Kasse argumentierte in ihrem Fall, ein Blindenhund für Gregor-Bertram sei unwirtschaftlich, weil sie ihn wegen ihrer körperlichen Behinderung nicht führen könne.
Rechtsbeistand über den Blindenverband
Mutter und Tochter legten Widerspruch ein, der abgeschmettert wurde. Danach wandten sie sich an die Rechtsberatungsgesellschaft „Rechte behinderter Menschen” (rbm), der die Mitglieder des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes e. V. berät und in rechtlichen Auseinandersetzungen vertritt. Während des Rechtsstreits ließ die Kasse vier Gutachten einholen, um zu klären, ob die erblindete Frau trotz Gehbehinderung einen Hund führen könne. „Die Hartnäckigkeit, mit der die DAK die Angelegenheit in die Länge gezogen hat, hat mich erstaunt“, sagt Annette Gregor. „Manchmal kam es mir vor, als ob die Kasse auf Zeit spielt und hofft, dass meine Mutter irgendwann wirklich nicht mehr mit einem Blindenhund rausgehen kann.“
Kombi aus Rollator und Blindenhund
Vor Gericht bestätigten Ärzte und Hundeführer, dass sich die Rentnerin mit der Kombination von Rollator und Blindenhund gut fortbewegen könne. Bei der Urteilsverkündung erinnerten die Richter die Krankenkasse ausdrücklich an ihre Pflicht zur humanen Krankenbehandlung (Az. L 16/1 KR 371/15).
„Ich wünschte, der Hund wäre eher bewilligt worden“
Im Januar 2018 musste Ute Gregor-Bertram in ein Pflegeheim ziehen. Sie hatte Schwierigkeiten, ihren Alltag alleine zu bewältigen. Voraussichtlich ab Juli wird Emmi bei ihr leben. „Ich wünschte, der Hund wäre eher bewilligt worden“, sagt sie. „In den letzten Jahren, in denen ich kaum aus dem Haus kam, habe ich viel von meiner Mobilität verloren.“
* Korrigiert am 19. April 2018.
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