
Finanztest stellt Menschen vor, die hartnäckig großen Unternehmen oder Behörden die Stirn bieten und dadurch die Rechte von Verbrauchern stärken. Diesmal: Professor Ronald Schmid. Der Rechtsanwalt und Reiserechtsspezialist aus Wiesbaden hat beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein Urteil erwirkt, von dem jährlich tausende von Fluggästen in Europa profitieren.
Durch alle Instanzen
Vier Verhandlungen hat Ronald Schmid an diesem Dienstagvormittag im Februar 2014 am Amtsgericht Frankfurt am Main. Die Gegner: die Fluggesellschaften Condor und Lufthansa. Schmids Mandanten wollen Geld, weil ihr Flug stark verspätet war. Zwei Fälle laufen gut für den 64-jährigen Juristen (www.ronald-schmid.de). Bei den anderen beiden deutet die Richterin an, dass sie eher auf der Seite der Unternehmen stehe. Sie empfiehlt Schmid und dem anderen Anwalt, einen Kompromiss zu finden. Freundlich, aber bestimmt lehnt der ehemalige Kampfsportler Schmid ab. Lieber kassiert er ein negatives Urteil, das er in der nächsten Instanz angreifen kann. Die Fluggesellschaften mögen das gar nicht. Grundsatzurteile höherer Gerichte scheuen sie wie der Teufel das Weihwasser.
Tipp: Wie verärgerte Fluggäste zu ihrem Recht kommen, erklärt das Special Fluggastrechte – Der Weg zur Entschädigung
EuGH-Urteil hilft tausenden von Fluggästen
Schmid ist spätestens seit dem Jahr 2009 bei den Fluggesellschaften unten durch. Damals erringt er vor dem Europäischen Gerichtshof ein Urteil, von dem seither jährlich tausende von Fluggästen in Europa profitieren. Condor hatte die Familie Sturgeon im Sommer 2005 erst nach einer Wartezeit von rund 25 Stunden aus dem kanadischen Toronto nach Frankfurt am Main zurückgeflogen. Eine Entschädigung will das Unternehmen nicht zahlen. Denn der Text der europäischen Fluggastrechte-Verordnung sieht für Verspätungen kein Geld vor. Schmid, der die Familie vertritt, unterliegt vor dem Amts- und Landgericht. Doch er lässt sich nicht entmutigen. Nach vier Jahren landet der Fall beim Europäischen Gerichtshof. Und dieser erweitert die Fluggastrechte über den Text der Verordnung hinaus. Seitdem haben Fluggäste Anspruch auf eine Ausgleichszahlung, wenn sie ihr Ziel drei Stunden verspätet erreichen. Die vierköpfige Familie Sturgeon bekommt 2 400 Euro zugesprochen.
Der Anwalt kennt auch die andere Seite
Ronald Schmid stammt aus einer Fliegerfamilie. Sein Vater und ein Bruder arbeiteten früher als Kapitän bei der Lufthansa, ein weiterer war leitender Flugbegleiter. Seine Frau lernte Schmid bei einem Flug auf die Malediven kennen: Sie arbeitete an Bord der Condor-Maschine als Stewardess. „Bei Familientreffen wurde immer viel übers Fliegen gesprochen“, so der gebürtige Oberbayer. „Und mir wurden die Fragen zum Reiserecht gestellt.“ Nach dem Jurastudium wird Schmid als Anwalt zugelassen. 1988 wechselt er zum deutschen Ferienflieger Aero Lloyd. Dort arbeitet er 15 Jahre lang als Justiziar. Ende 2003 meldet die Fluglinie Insolvenz an. „Ich hatte eine Familie zu ernähren, also fing ich wieder als Anwalt an. Ich hätte auch Fälle von Fluggesellschaften angenommen, aber die ersten Mandanten waren Passagiere“, sagt der Vater einer Tochter rückblickend.
Kampf gegen Pläne der EU-Kommission
Weil Ronald Schmid sein Wissen aus der Aero-Lloyd-Zeit bei der Durchsetzung von Passagierrechten nutzt, wird er von einigen Vertretern der Luftfahrtbranche als Nestbeschmutzer angesehen. Er selbst sieht sich nicht als aggressiven Vertreter nur einer Seite. Das passt auch nicht zu seinem Nebenjob als Hochschullehrer an den Technischen Unis in Darmstadt und Dresden. Dort lehrt er Reise- und Luftverkehrsrecht. Eigentlich will Schmid beruflich bald kürzertreten. Doch ob das klappt? Die EU-Kommission plant eine Verschlechterung der Fluggastrechte. Für Langstreckenflüge soll es etwa erst ab einer Verspätung von zwölf Stunden Geld geben. Schmid versucht, im Internet Widerstand zu organisieren (www.angry-passenger.org). Sein Kampfgeist ist angestachelt.
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@Guhemu; Die Buchung eines Fluges ist nicht widerrufbar, auch wenn sie online erfolgte. Das ergibt sich aus Paragraf 312g Absatz 2 Nummer 9 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Wenn ich allerdings eine Zusage von einem Hotel habe und das Hotel hält sich nicht daran, habe ich unter Umständen einen Schadenersatzanspruch gegen das Hotel. Sie brauchen allerdings einen Rechtsanwalt, um den Schadenersatzanspruch gegen den spanischen Hotelbetreiber durchzusetzen. Der Schaden könnte hier in den Stornokosten der Airline liegen. (PK)
Ich habe am 12.05.16 Hin-und Rückflug nach Gran Canaria gebucht. Leider hat mein Hotel trotz Zusage im vergangenen Jahr die Reservierung abgesagt. Tui-Fly bestätigte am 23. 05.16 die Stornierung, leider nur mit einer Erstattung von 34,72 €, vom bezahlten Gesamtpreis 305,73€.
Gilt hier nicht das Rücktrittsrecht von 14 Tagen?
Bitte um kurze Antwort.
Freundliche Grüße
Günther Münch