Finanztest stellt Menschen vor, die großen Unternehmen oder Behörden die Stirn bieten und dadurch die Rechte von Verbrauchern stärken. Diesmal: Ralf Sander. Der gelernte Bäcker arbeitet in Hannover als Lagerist bei der Textilkette Primark und setzte dort die Gründung eines Betriebsrats durch – dem er heute vorsitzt.
Tarifverträge durchgesetzt: 14,48 statt 9,77 Euro in der Stunde
Hell und geräumig ist das Büro, das sich Ralf Sander mit seinem Kollegen teilt. Auf 72 Quadratmetern sind zwei Schreibtische und ein langer Besprechungstisch untergebracht. „Wer hätte gedacht, dass ein kleiner Lagerist in das größte Büro des Hauses ziehen würde?“, sagt Sander, Betriebsratsvorsitzender beim irischen Textileinzelhändler Primark in Hannover. Ein Plakat an der Wand zeigt fünf Kinder, die grimmig gucken: „Onkel Primark: gemein! Mama und Papa müssen noch immer auf ihren Tarifvertrag warten!“ Die Aussage des Plakats ist heute überholt – auch dank Sander. Gegen den Widerstand der Geschäftsleitung setzte er 2014 in seiner Filiale die Gründung eines Betriebsrats durch. Seit Mai gilt bei dem Textilhändler ein Übergangstarifvertrag, ab Mai 2017 gibt es regionale Tarifverträge. Bei vielen Mitarbeitern wurden die Stundenlöhne von 9,77 auf 14,48 Euro erhöht. Der freigestellte Betriebsrat stellt zufrieden fest: „Das macht monatlich bis zu 800 Euro brutto aus.“
Einsatz für Arbeitnehmerrechte
Seit 2011 ist der gelernte Bäcker bei Primark. Wegen einer Allergie hatte er seinen ursprünglichen Beruf aufgegeben und eine Umschulung als Lagerist gemacht. Erste Erfahrungen als Betriebsratsmitglied sammelte er anschließend im Lebensmittelhandel. „Mich für meine Rechte und die meiner Kollegen einzusetzen, ist mir wichtig“, erzählt er. Primark hat in den vergangenen fünf Jahren in Deutschland 20 Filialen eröffnet. Tausende Quadratmeter Verkaufsflächen bieten die Geschäfte und schwindelerregende Schnäppchenpreise. Ein T-Shirt kostet 3 Euro, ein Trenchcoat 19 Euro.
Start als Betriebsrat nach der Festanstellung
Zunächst hatte Sander eine befristete Stelle. „Wie alle hier“, sagt er lapidar. Nach beharrlichem Nachfragen wurde er im Oktober 2012 festangestellt. Ein Jahr später gab es genug festangestellte Mitstreiter, um einen Betriebsrat zu gründen. „Die Unzufriedenheit in der Belegschaft war enorm“, erinnert sich der gebürtige Sachse. Heimlich nahm er Kontakt zur Gewerkschaft Verdi auf. Mit einem Notar wurde ein Termin für eine erste Sitzung angesetzt. Bei den anschließenden Wahlen wurde der Ideengeber zum Vorsitzenden gewählt.
Kämpfen für den Feiertagszuschlag
Der neue Betriebsrat wurde sofort aktiv. „Am 7. April war verkaufsoffener Sonntag. Angeblich war die Arbeit an dem Tag freiwillig, was bei uns bedeutet, dass alle antreten mussten“, berichtet Sander. „25 Prozent Feiertagszuschlag sollte es geben, branchenüblich sind 100 Prozent.“ Der Betriebsrat drohte dem Unternehmen per einstweiliger Verfügung, die Sonntagsöffnung zu stoppen. Der Textilriese knickte ein und zahlte den Zuschlag.
Überwachungskameras abgebaut
„Als Betriebsrat muss man auf Aktionen setzen, von denen Mitarbeiter direkten Nutzen haben. Datenschutz interessiert leider keinen“, sagt der 41-Jährige ein wenig enttäuscht. Er sorgte dafür, dass 67 von 128 Überwachungskameras in seiner Filiale abgebaut wurden: „Manchmal hörte man das Schwenken der Kamera hinter einem, richtig gruselig.“ Sein nächstes Ziel ist eine Betriebsvereinbarung für die berufliche Wiedereingliederung von kranken Mitarbeitern. „Mein Job ist zwar nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig“, sagt Sander. „Aber ich mache weiter – bis zur Rente.“
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Ich habe den Leserkommentar in der Januarausgabe gelesen.
Der Kommentar hat mich sehr amüsiert. Da ist wohl jemand endlich in der Neuzeit angekommen.
Ja, auch Arbeitnehmer haben Rechte und die Möglichkeit, diese durchzusetzen. Und Nein, nicht nur Aktionäre lesen Finanztest. Wenn man die Zeitschrift vollständig liest, fndet man eine Menge Tipps rund um Arbeit, Rente und Steuern.
Das ist immer eine sehr gute Sache.
Wenn man darüber berichtet sollte man aber vielleicht auch mal andere Branchen, wo großer Nachholbedarf besteht, mit in den Fokus nehmen.
Ironischerweise wird z.b. in der Pflege, einem sicherlich nicht weniger wertvollen Beruf, meist weniger bezahlt. Kein Wunder dass das keiner mehr machen möchte...
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