Finanztest stellt Menschen vor, die großen Unternehmen oder Behörden die Stirn bieten und dadurch die Rechte von anderen Verbrauchern stärken. Diesmal: Patrick Höpfner. Er wehrte sich mit Erfolg gegen eine ungerechte Regelung, die Abiturienten in Sachsen-Anhalt benachteiligt.
Null Punkte im Mündlichen
In Baden-Württemberg hätte Patrick Höpfner das Abitur erhalten – nicht aber in Sachsen-Anhalt. Hier fiel er im Jahr 2013 durch, weil er in einer mündlichen Abiturprüfung im Fach Religion null Punkte („Ungenügend“) erhielt. Für Schüler in Sachsen-Anhalt bedeutet das: Sie sind automatisch durch das Abitur gefallen – egal, wie gut ihre anderen Noten und Prüfungsleistungen bis dahin waren.
Am Anfang steht eine Bibelstelle
„Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, aber gebt Gott, was Gott gehört.“ Diese Bibelstelle sollte der damals 19-jährige Schüler Patrick Höpfner interpretieren. „Ich hatte nach der mündlichen Prüfung ein gutes Gefühl“, sagt er. Stutzig machte ihn lediglich, dass er so lange vor der Tür auf sein Ergebnis warten musste. Als ihm der stellvertretende Schuldirektor das Ergebnis „null Punkte“ mitteilte, glaubte er, sich verhört zu haben. „Ich konnte das Ergebnis überhaupt nicht nachvollziehen“, sagt der inzwischen 22-Jährige: „Ich hatte im Unterricht bei diesem Thema 13 Punkte.“
Eine Studienplatzzusage, aber kein Abitur
Dass Höpfner in Religion zuvor durchweg Noten zwischen neun und elf Punkten erreicht hatte, half ihm nicht. Denn null Punkte in einer Abiturprüfung bedeutet in Sachsen-Anhalt automatisch: kein Abitur. Besonders dramatisch für ihn: Er hatte bereits alle Aufnahmeprüfungen an der Polizeiakademie Niedersachsen bestanden und eine Studienplatzzusage für das Wintersemester. „Für mich ist eine Welt zusammengebrochen, mein Traumberuf war plötzlich nicht mehr erreichbar“, sagt Höpfner. Das Wiederholen der zwölfte Klasse kam für ihn nicht infrage. Er hatte bereits freiwillig die elfte Klasse wiederholt, weil dies nach seinem Wechsel vom Sportgymnasium zum Bernburger Gymnasium Carolinum nötig war. Damit hatte er laut Oberstufenverordnung die Höchstverweildauer erreicht.
Drei Jahre bis zum juristischen Erfolg
Patrick Höpfner entschied sich, gegen die Null-Punkte-Regelung vorzugehen, und klagte vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg. Drei Jahre später kam das Urteil: Die Null-Punkte-Regel ist „unverhältnismäßig“ und „rechtswidrig“ (Az. 7 A 645/13 MD). Ein „einmaliges vollständiges Versagen in einer mündlichen Abiturprüfung von 22 Minuten ist damit kein hinreichendes Indiz für fehlende Hochschulreife“, urteilten die Richter.
Sachsen-Anhalt ändert seine Oberstufenverordnung ...
Das Land Sachsen-Anhalt reagierte schnell. Gut sechs Monate nach Veröffentlichung des Urteils wurde die Oberstufenverordnung geändert, Höpfners Urteil in der Pressemitteilung dazu erwähnt. Er dürfte jetzt seine Prüfung wiederholen. „Wie das ablaufen soll, ist mir bis heute nicht klar. Das Landesschulamt hat mir nicht weitergeholfen“, sagt er.
... und Höpfner hat ein neues Ziel
Die Zeit zwischen Einreichen der Klage und dem Urteil des Gerichts hat Höpfner gut genutzt: Nach einem einjährigen Berufspraktikum bei der Polizei erhielt er in Niedersachsen ein Fachabitur und konnte endlich seinen Studienplatz antreten. Im Herbst 2017 wird er die Fachhochschule mit einem Bachelor abschließen. Dieser Abschluss hat für ihn jetzt den gleichen Stellenwert wie das Abitur an seiner alten Schule, dem Gymnasium Carolinum. Er könnte sich damit auf alle Studiengänge in Deutschland bewerben. Theoretisch jedenfalls. Denn für ihn steht fest: „Ich möchte Kommissar werden.“
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Sicherlich kann man in einem Artikel nicht Alles erfassen bzw. haarklein darstellen.In der eigentlichen Klage des jungen Mannes ging es um die Anfechtung der Prüfung und nicht um die Null Punkte Regelung.Das die mündliche Prüfung undurchsichtig und nicht real war, wurde vom Gericht bestätigt. Unleserlich und unvollständige Protokollführung während der mündlichen Prüfung sind dokumentiert. Leider lassen sich Tatsachenentscheidungen, wo es nicht um eindeutige Fakten (wie Mathematik z.B.) geht,im Nachhinein schwer beurteilen.Es wurde in dieser Prüfung genug gesagt und mit Fakten argumentiert -leider im Protokoll nicht aufgeführt und zur Beurteilung herangezogen.
Die Null Punkte Regelung ist nur eine notwendige Urteilsfindung, da sich das Land Sachsen Anhalt seit 2008 nicht an Gesetzliche Urteile hält und bis 2016 nicht gehalten hat.Das gleiche Gericht hat 2008 ein gleichlautendes Urteil gesprochen,nur dass das Kultusministerium und Landesschulamt sich nicht daran gehalten haben.
Null Punkte in einer mündlichen Prüfung sind in der Praxis - außer beim unentschuldigten Fernbleiben - kaum möglich. Dazu kommt, dass es hier um Religion ging, wo - so sagt es auch der Beitrag - nicht um reines Fachwissen, sondern um Interpretationen geht. Da frage ich mich, warum der junge Mann nicht gegen das Prüfungsergebnis selbst vorgegangen ist. Wie gesagt, null Punkte sind in der Praxis nahezu ausgeschlossen. Gegen das Prüfungsergebnis vorzugehen, wäre weit schneller und erfolgsversprechender gewesen. Was ist also der Hintergrund. Ich habe das starke Gefühl, der Beitrag vermittelt dem Leser nur die halbe Wahrheit.