Mutmacher Martin Reyher zwingt Bundes­tag zu mehr Trans­parenz

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Finanztest stellt Menschen vor, die großen Unternehmen oder Behörden die Stirn bieten und dadurch die Rechte von Verbrauchern stärken. Diesmal: Martin Reyher von Abge­ordnetenwatch.de. Der 39-jährige Politologe aus Hamburg hatte etwas dagegen, dass Lobbyisten einfach so in den Bundes­tag spazieren können, und wehrte sich – mit Erfolg.

Lobbyisten im Bundes­tag

Es begann mit einer E-Mail und endete damit, dass der Bundes­tag die heimliche Vergabe von Haus­ausweisen an Lobbyisten stoppt. Geschrieben hat diese E-Mail Martin Reyher von der Trans­parenz­initiative Abgeordnetenwatch.de (Tipps). Er hatte im April 2014 heraus­gefunden, dass es für Lobbyisten zwei Wege gibt, an einen Haus­ausweis für den Bundes­tag zu kommen. Erstens: Verbände können sich in der öffent­lichen Verbändeliste des Bundes­tags registrieren lassen. Zweitens auf nicht öffent­lichem Weg: Der Parlamentarische Geschäfts­führer einer Fraktion unter­schreibt den Antrag. So können sowohl Verbände als auch Firmen einen Ausweis bekommen. Welche das sind und welche Fraktion unter­schrieben hat, wollte Reyher vom Bundes­tag wissen. „Es kann nicht sein, dass ganz im Verborgenen bestimmte Interes­senvertreter Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen können“, sagt der 39-jährige Politologe. Wer einen Haus­ausweis hat, kann nämlich jeder­zeit die Büros der Abge­ordneten betreten oder sie in der Kantine treffen.

Bundes­tag gibt keine Auskunft

Der Bundes­tag beant­wortete Reyhers Fragen nicht. Er argumentierte: Die Anfrage beziehe sich nicht auf eine Verwaltungs­angelegenheit, sondern auf die parlamentarische Arbeit des Bundes­tags. Deswegen habe Reyher keinen Auskunfts­anspruch nach dem Informations­frei­heits­gesetz. Darauf hatte er sich berufen. Das Gesetz regelt, wann Bürger Auskünfte von Bundes­behörden erhalten. Nur wenn man hartnä­ckig bleibt, kann man etwas verändern, das weiß Reyher schon seit seiner Jugend. „Mein Vater war im Stadt­rat. Beim Abend­essen ging es bei uns oft um Politik“, sagt er.

Erfolg­reiche Klagen

Reyher blieb hartnä­ckig. Er und die Initiative Abge­ordnetenwatch.de verklagten den Bundes­tag und gewannen. Das Berliner Verwaltungs­gericht verpflichtete den Bundes­tag, Reyhers Fragen zu beant­worten (Az. VG 2 K 176.14). Doch der Bundes­tag wollte das Urteil nicht akzeptieren und ging in die nächste Instanz, zum Ober­verwaltungs­gericht Berlin-Brandenburg. „Wir wären bis zum Bundes­verwaltungs­gericht gegangen“, sagt Reyher. Nötig war das nicht. Denn der Berliner „Tages­spiegel“ startete im September 2015 eine weitere Klage. Er berief sich auf das öffent­liche Interesse und nutzte damit eine andere recht­liche Grund­lage als Abge­ordnetenwatch. Auch die Zeitung gewann vor dem Verwaltungs­gericht Berlin – und später in der nächsten Instanz (Az. OVG 6 S 45.15).

Union zur Veröffent­lichung der Namen gezwungen

Die SPD veröffent­lichte kurz vor der Verhand­lung, wem sie einen Ausweis verschafft hat. Links­partei und Bündnis 90/Die Grünen hatten gleich nach Reyhers Anfrage im April 2014 reagiert. Nur die CDU/CSU-Fraktion wurde erst durch den Richter­spruch zur Veröffent­lichung gezwungen. Über­raschend für Reyher: Die CDU/CSU bewil­ligte mehr als doppelt so viele Haus­ausweise wie die übrigen Fraktionen zusammen.

Bundes­tag will Vergabe von Haus­ausweisen neu regeln

Besonders viele Ausweise gingen an die Kfw-Bankengruppe (22), den Spitzen­verband der gesetzlichen Krankenkassen (21), den Deutschen Gewerk­schafts­bund (16) und an Lobby­agenturen. Die Gerichts­prozesse und der öffent­liche Druck haben den Bundes­tag zum Handeln gezwungen. Er will jetzt die Vergabe der Hausau­weise neu regeln. Reyher: „Den Weg über die Unter­schrift eines Fraktions­geschäfts­führers wird es nicht mehr geben.“

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