
Britta Gatzke und ihr Steuerberater Hans-Jörg Weniger
Finanztest stellt Menschen vor, die großen Unternehmen oder Behörden die Stirn bieten und dadurch die Rechte von Verbrauchern stärken. Diesmal: Britta Gatzke, Inhaberin eines Schuhgeschäfts aus Berlin. Sie hat ein höchstrichterliches Grundsatzurteil erwirkt. Es geht um haushaltsnahe Ausgaben, die räumlich gesehen außerhalb eines Haushalts anfallen, wie den Winterdienst auf öffentlichen Wegen.
Finanzamt wollte Kosten für Winterdienst nicht anerkennen
Die Berlinerin Britta Gatzke hat nicht lange gezögert, als ihr Steuerberater Hans-Jörg Weniger ihr vorschlug, das Finanzamt zu verklagen. „Ich habe mich darüber geärgert, dass das Finanzamt die Ausgaben für den Winterdienst nicht anerkennen will. Dabei sind wir verpflichtet, öffentliche Wege schnee- und eisfrei zu halten und müssen sogar haften, wenn jemand stürzt“, sagt die Geschäftsfrau. Damit waren sie und ihr Steuerberater ein ideales Team. Hans-Jörg Weniger wollte eine Grundsatzfrage zu den haushaltsnahen Dienstleistungen gerichtlich klären lassen.
Sieg vor dem Bundesfinanzhof im März 2014
Im Jahr 2010 reichten die beiden die Klage ein und für Gatzke begann der erste Gerichtsprozess ihres Lebens. Fast vier Jahre zog er sich hin. Dann sprach der Bundesfinanzhof im März dieses Jahres das Urteil: Gatzke und Weniger haben sich gegen das Finanzamt Berlin-Neukölln durchgesetzt. „Im Mittelpunkt des Streits standen die zwei kleinen Wörter ,im’ und ,für’“, sagt Britta Gatzke. Wichtig sind sie für Steuerpflichtige, die Ausgaben für haushaltsnahe Dienstleistungen absetzen wollen. Bislang erkennt das Finanzamt nur Kosten für Dienstleistungen an, die „im“ Haushalt anfallen, wie die Ausgaben für Putzhilfen oder Handwerker. Stur stellt sich der Fiskus bei Arbeiten wie der Teppichreinigung außer Haus oder dem Winterdienst, die zwar „für“ den Haushalt erbracht werden, aber räumlich betrachtet außerhalb stattfinden.
Frühmorgens schon im Schuhgeschäft
Gatzke wollte, dass das Finanzamt auch die Ausgaben für das Räumen des Bürgersteigs vor ihrer Mietwohnung als haushaltsnahe Dienstleistung anerkennt. „Ich habe ein Schuhgeschäft und bin immer ab halb neun im Laden. Wenn es mittags schneit, habe ich keine Zeit, zuhause Schnee zu schippen“, sagt sie. Das Finanzamt Berlin-Neukölln akzeptierte die Kosten aber nicht. „Das Thema betrifft viele Steuerzahler. Ich wollte, dass das geklärt wird, nicht nur für mich“, sagt Gatzke. Schon in der ersten Instanz verlor das Finanzamt, ging aber in Revision.
Warum sollen Ausgaben fürs Schneeräumen nur privat absetzbar sein?
Steuerberater Weniger argumentiert: „Der Gesetzgeber wollte durch die Anerkennung haushaltsnaher Dienstleistungen die Schwarzarbeit bekämpfen und die Wirtschaft fördern. Dass sich dies nur auf Dienstleistungen, die ,im’ Haushalts erbracht werden, beziehen soll, kann so nicht gemeint gewesen sein.“ Hinzu komme, dass Ausgaben für das Schneeräumen auf Privatgrundstücken absetzbar seien. Auch vor dem Bundesfinanzhof vertrat Steuerberater Weniger Britta Gatzke. Nach der mündlichen Verhandlung gaben die obersten Richter den beiden recht (Az. VI R 55/12). So muss Gatzke nicht einmal Prozesskosten bezahlen. Bei einer Niederlage wären es rund 640 Euro gewesen. Die schriftliche Urteilsbegründung lag bei Redaktionsschluss Anfang Juni noch nicht vor. Das Urteil könnte von großer Tragweite sein. „Neu ist jetzt, dass auch haushaltsnahe Ausgaben, die örtlich gesehen außerhalb eines Haushalts anfallen, steuerlich absetzbar sind“, sagt Hans-Jörg Weniger.
Vom Urteil profitieren Mieter und Eigentümer
Als die Berlinerin den Prozess gegen das Finanzamt startete, wohnten sie und ihre Familie noch zur Miete. Inzwischen leben sie in einem eigenen Einfamilienhaus. Das Urteil, das sie erstritten hat, gilt für Eigentümer und Mieter gleichermaßen. Gatzke ist hochzufrieden mit dem Ausgang des Prozesses. „Mir ging es ums Prinzip“, sagt sie, „und nicht ums Geld.“ Das wird ihr jeder glauben, denn der Streitwert betrug nur 29 Euro. „Ich war mit einer Entscheidung meines Finanzamts nicht zufrieden und habe bis zum Bundesfinanzhof geklagt.“