
Irmela Mensah-Schramm: „Schweigen und Wegsehen werten Rechtsextremisten als Zustimmung.“ © Stefan Korte
In der Rubrik „Mutmacher“ stellen wir Menschen vor, die großen Firmen oder Behörden die Stirn bieten und so die Rechte von Verbrauchern stärken. Unsere Mutmacherin des Monats ist Irmela Mensah-Schramm aus Berlin. Sie kämpft seit Jahren erfolgreich gegen Hassbotschaften in der Öffentlichkeit.
„Merke: Hass weg“ statt „Merkel muss weg“
Die Berlinerin Irmela Mensah-Schramm schreitet dort ein, wo Ordnungsämter es nicht tun. Sie entfernt seit mehr als 30 Jahren − ausgestattet mit einem Ceranfeldschaber − rechtsradikale und rassistische Aufkleber von Mauern, Schildern und Laternen. Sie übersprüht Hassbotschaften oder putzt sie weg. Aus Hakenkreuzen werden so tanzende Figuren, aus „Fuck Asyl“ wird „Für Asyl“ oder aus „Merkel muss weg“ macht sie „Merke: Hass weg“.
Mehr als 80 000 Aufkleber abgekratzt
Ihre Mission, den Hass von der Straße zu holen, fand sie Mitte der 80er-Jahre. Auf dem Weg zur Arbeit sah sie an einer Bushaltestelle den Aufkleber „Freiheit für Rudolf Hess“. Der Hitler-Stellvertreter saß damals in Spandau im Gefängnis. Auf dem Rückweg kratzte sie den Aufkleber mit ihrem Haustürschlüssel ab. Inzwischen sind es über 80 000 Sticker, die sie in Aktenordnern sammelt, geordnet nach Ort und Datum. Viele aus ihrem persönlichen Archiv waren in einer Ausstellung im Deutschen Historischen Museum zu sehen.
Herz statt Hetze
Ende 2018 wurde Mensah-Schramm fotografiert, als sie in Eisenach die Begriffe „NS-Zone“ und „NS-Kiez“ an einem Abbruchhaus entschärfte. Das „NS“ übersprühte sie mit einem blauen Herz. Übrig blieb eine „Herz-Zone“ und ein „Herz-Kiez“. Anhand der Fotos machte die Polizei sie ausfindig. „Und das, obwohl ich von hinten fotografiert wurde“, sagt sie.
Anzeige wegen Sachbeschädigung
Wegen Sachbeschädigung kam es zum Prozess vor dem Amtsgericht Eisenach. Angezeigt hatte sie nicht der Hausbesitzer. Die zuständige Staatssanwaltschaft ermittelte von Amts wegen. Der Fall sei von besonderem öffentlichem Interesse, da die Sachbeschädigung erheblich und dauerhaft sei. Die Aktivistin erhielt eine Geldstrafe von 1 050 Euro. Vor Gericht verteidigte sie sich selbst. „Ich habe keinen Fehler gemacht“, sagt sie. „Die Naziparolen sind Sachbeschädigung. Würde der Staat seine Pflicht erfüllen und so etwas konsequent entfernen, müsste ich das nicht tun.“
Neues Urteil nach Sprungrevision
Rechtsanwalt Gerhard Rahn aus Dresden erfuhr aus den Medien von dem Urteil und übernahm ihre Vertretung ohne Honorar. Er ging gegen das Urteil vor, übersprang eine Instanz und zog direkt vor das Oberlandesgericht (OLG) Thüringen. Das Gericht prüfte, ob im vorangegangenen Prozess rechtlich richtig entschieden wurde. Das verneinte es im März 2020, hob das Eisenacher Urteil auf und stellte das Verfahren ein.
Kein dringendes öffentliches Interesse an Strafverfolgung
Der objektive Tatbestand sei lückenhaft festgestellt worden. „Das Gericht sah kein dringendes öffentliches Interesse an einer Weiterverfolgung und bewertete die Schuld der Angeklagten als gering“, sagt Anwalt Rahn.
Sie will weitermachen
„Diesen Widerstand aufrechtzuerhalten, kostet mich viel Kraft, aber ich mache weiter“, so Irmela Mensah-Schramm.
Wichtig zu wissen
- Zuständigkeit.
- Das Entfernen von Graffiti oder Aufklebern mit extremistischen oder verunglimpfenden Botschaften im öffentlichen Raum ist Aufgabe der Ordnungsämter.
- Botschaften abkratzen
- . Wenn Sie selbst aktiv werden und Aufkleber mit Hassbotschaften abkratzen, ohne dass etwas beschädigt wird, begehen Sie keine Straftat.
- Botschaften übersprühen.
- Nach Auffassung vieler Gerichte begehen Sie eine Sachbeschädigung, wenn Sie Botschaften übermalen oder -sprühen – unabhängig von deren Inhalt. Die Fläche muss allerdings erheblich und dauerhaft beschädigt werden. Keine Sachbeschädigung liegt vor, wenn sich der erforderliche Beseitigungsaufwand nach der Bemalung nur unwesentlich erhöht hat, urteilte etwa das Oberlandesgericht Hamm (Az. 1 Ss 127/09).
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Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Verstoß gegen die Netiquette
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Bei Punkt 3 stimme ich ihnen zu. Verbraucherschutz heißt auch Lobbyarbeit zu betreiben und sich für Verbraucherthemen ggf. politisch zu engagieren.
Nichts davon macht die Dame.
@GuessWhat
1. Ich habe gerade nicht geschrieben, dass alle Leute, die diese spezielle Parole verwenden, rechtsextrem sind, sondern dass sie "vor allem von rechtsextrem und nationalistisch eingestellten Bürgern verwendet" [wird], die die Grundwerte unserer Verfassung ablehnen.
2. Ich selbst bin auch kein Fan von Fr. Merkel, beteilige mich aber nicht an Demos mit dieser Parole.
3. "Aber verschonen sie ihre Leser mit politischen Aktivisten." - Verbraucherschutz ist Politik und Politik ist das legitime Gestaltungsmittel unserer Demokratie. Verbraucherschutz ist mehr als das Testen, ob Rasenmäher technisch sicher sind. Nicht wenige Änderungen, die allen Bürgern zugute kommen, gehen auf einzelne Bürger und Verbraucher zurück, die den Mut haben, gegen den politischen Mainstream zu schwimmen oder sich mit "mächtigen" Konzernen anzulegen. Ich richte meine Kaufentscheidung inzwischen auch danach, ob bei der Herstellung ökologische und soziale Standards eingehalten werden. Auch das ist Politik
Menschen die die derzeitige Regierung bzw. die Kanzlerin ablehnen sind also rechtsextrem, weil dies auch Menschen fordern, die berechtigterweise in diesen Personenkreis einzuordnen sind? Wollten sie das aussagen? Ist das ihr Ernst? Dann muss ich wohl nicht fragen, ob sie eigentlich selbst mal gelesen oder gar reflektiert haben, was sie da geschrieben haben.
Liebe Stiftung Warentest, sie wollen eine Verbraucherschutzorganisation sein. Dann stellen sie Menschen heraus, die sich für den Verbraucherschutz in besonderer Weise verdient gemacht haben. Da gibt es sicher mehr als genug. Aber verschonen sie ihre Leser mit politischen Aktivisten - egal welcher Richtung.