
Ex-Kripobeamter Hermann Kipnowski
In der Reihe „Mutmacher“ stellt Finanztest Menschen vor, die großen Unternehmen oder Behörden die Stirn bieten und dadurch die Rechte von Verbrauchern stärken. Diesmal: Hermann Kipnowski. Der pensionierte Polizist hat es sich zum Hobby gemacht, dubiose Kaffeefahrten zu sprengen – und auf diese Weise leichtgläubige Menschen vor Betrügern zu schützen. „Ich wurde zwar schon von kahlköpfigen Bodyguards bedrängt. Angst habe ich aber nicht“, sagt Kipnowski.
„Hobbyjäger“ aus Berufung
Fast 270 000 Kilometer hat der sieben Jahre alte Mercedes von Hermann Kipnowski runter. In zehn Jahren Kampf gegen die Abzocke von Senioren bei Kaffeefahrten kommt einiges zusammen. Früher hat Kipnowski als Oberkommissar bei der Kriminalpolizei Köln gearbeitet. Seit er in Rente ist, spürt der heute 79-Jährige dubiose Kaffeefahrten auf und lässt sie platzen. Dafür fährt er durch ganz Deutschland, macht Fotos von den Bussen, den Gaststätten und den wichtigsten Personen der Szene. „Kommissar Kaffeefahrt“ hat ihn die Bildzeitung in einem Bericht genannt, „Hobbyjäger“, sagt er selbst über sich. Kipnowskis Jagd beginnt, als im Jahr 2004 seine damalige Lebensgefährtin auf einer Kaffeefahrt zum Opfer wird. Die Veranstalter setzen sie so lange unter Druck, bis sie eine „Magnetbettauflage gegen Elektrosmog“ kauft. Noch heute verkaufen Betrüger solche nutzlosen Auflagen. Vor fünf Wochen beendete die Polizei Göttingen eine Kaffeefahrt ins Städtchen Worbis, bei der Senioren 2 998 Euro dafür zahlen sollten. Exkommissar Kipnowski und ein Mitstreiter hatten die Göttinger Ermittler auf die Spur gebracht.
Anruf bei Polizei von der Restauranttoilette aus
„Über 120 Veranstaltungen habe ich auffliegen lassen“, schätzt der gebürtige Oldenburger. Als Kipnowski mit der Jagd auf Kaffeefahrten anfing, konnte er noch als Teilnehmer im Bus mitfahren. War der Veranstaltungsort erreicht, wartete er, bis die ersten Geräte verkauft waren, und rief dann mit dem Handy von der Toilette aus Polizei und Gewerbeaufsicht an. „Inzwischen bin ich aber an vielen Orten verbrannt.“ Die Busfahrer kennen ihn und nehmen ihn nicht mehr mit. Bei einigen Gastwirten hat er Hausverbot. Kipnowski macht trotzdem weiter. Über seine vielen Kontakte erfährt er, wo was stattfindet. Dort wartet er. Bei sich trägt er eine Liste mit den Durchwahlen der Behördenmitarbeiter, die in den Kommunen für die Gewerbeaufsicht zuständig sind. Im richtigen Moment ruft er dort an. Hat der Hobbyjäger mal keine Termine, klappert er einschlägige Lokale ab, etwa im Bergischen Land oder in der Eifel und hält nach verdächtigen Bussen Ausschau. Wenn es sein muss, fährt Kipnowski auch hunderte Kilometer, um zu überprüfen, ob der angebliche Firmensitz eines Veranstalters vielleicht nur ein verlassener Briefkasten ist. Kipnowski ist so viel unterwegs, dass er kaum noch Zeit für sein zweites Hobby hat: das Sammeln von Polizeiuniformen.
Die Behörden zum Jagen tragen
Nicht alle Behörden schreiten ein, wenn Kipnowski anruft. „Die Senioren wissen doch, was sie tun“, bekommt er manchmal zu hören. Solche Sätze ärgern ihn gewaltig. „Viele Sachbearbeiter in der Gewerbeaufsicht wissen doch gar nicht, was bei den Kaffeefahrten wirklich passiert.“ Die Veranstalter verstoßen gegen das Gewerberecht, weil die Verkaufsveranstaltungen nie angemeldet sind. Sie verstoßen gegen das Wettbewerbsrecht, wenn sie Senioren mit angeblichen Gewinnen zur Teilnahme verlocken. Seriöse Kaffeefahrten gibt es praktisch nicht. Wenn die Behörden auf Hermann Kipnowskis Telefonat „den Arsch nicht hochkriegen“, zeigt er die Beamten schon mal wegen „Mittäterschaft“ an. Selbst wenn sie aktiv werden, nehmen die Mitarbeiter oft nur die Personalien der Hauptpersonen auf, maximal verhängen sie ein Bußgeld. In wenigen Fällen kommt es zu Haftstrafen. Immerhin, wenn die Polizei auftaucht, ist die Kaffeefahrt beendet. Das ist wohl Kipnowskis größter Erfolg: Weniger Senioren verlieren Geld.
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Also echt jetzt: "Magnetheizdecke" ???
Als naturwissenschaftlich u.a. in Physik in der 9. und 10. Klasse vorgebildeter Mensch (zu der JEDER schulpflichtig war), würde ich mir doch einfach mal ganz interessiert die Feldlinien aufzeichnen lassen. Viel wird da nicht kommen.
Gesunder Menschenverstand und eine stabile Allgemeinbildung sollten den gröbsten Schwachsinn zu vermeiden helfen.
Im Zweifelsfall empfehle ich, dem Verkäufer wiederum den Kauf einer "wirklich einmalig heruntergesetzten Flux-Kompensator-Decke" anzubieten, der Weiterentwicklung normaler Magnetdecken. Für nur 9990 € - nur heute so günstig! Ab morgen wieder regulär 15000 €.
Das Engagement des Pensionärs bewundere ich. Das meine ich ehrlich. Dennoch kann ich auch die Behörden verstehen, die - in meinen Augen zurecht - manchmal nicht verstehen wollen, warum sie für erwachsende Menschen Kindermädchen spielen sollen. Dass die Veranstalter alles andere als seriös sind, ist wohl unbestritten. Dennoch sitzen da Menschen mit durchschnittlich wohl um die sieben Jahrzehnten Lebenserfahrung vor ihnen. Durch Presse, TV und unzählige Berichte dürfte heute realistischerweise jeder von den Maschen der Veranstalter wissen. Wenn er oder sie dann dennoch meint, €3.000 für ein €10 Produkt ausgeben zu müssen, dann würde ich niemanden davon abhalten wollen. Wir haben es hier nciht mit Unmündigen zu tun, sondern mit Menschen, die mehr als genug Lebenserfahrung haben. Aufklären und warnen finde ich wichtig und richtig. Mehr aber auch nicht.
Kommentar vom Autor gelöscht.
Es sollte viel mehr solche Polizisten i.R. wie Herrn Kipnowski geben,dann
würden wenigsrens mit der Zeit die unseriösen "Geschäftemacher"weniger.
Auch ich kenne in meinerGegend einige Personen,die sich auf einer Kaffee-
fahrt eine Magnet-/Heizdecke für knapp 3000€ gekauft haben.
Schon drei Tage nach Erstbenutzung der Magnetdecke klagten sie über
"Schlafstörungen,Unruhe und Kopfschmerzen".
Ungefähr zwei Tage nachdem sie die Decke wieder gegen Ihre "alte Bettdecke" ausgetauscht hatten, waren die "Nebenwirkungen " wieder ver-
schwunden!
Die Betrügerischen Verkäufer waren natürlich schon über "alle Berge" und konnten nicht mehr Regresspflichtig gemacht werden!
Auch die Anzeige bei der Polizei verlief im Sande.Viel Hoffnung hat ihnen die
Polizei sowiso nicht gemacht.
Die Magnetdecke landete am Ende im Mülleimer.
EIN SEHR TEURER AUSFLUG!!!!!!!!!!!!
Kommentar vom Autor gelöscht.