
Finanztest stellt Menschen vor, die großen Unternehmen oder Behörden die Stirn bieten und dadurch die Rechte von Verbrauchern stärken. Diesmal: Gisela Lazecky: Die Künstlerin aus Dortmund hat erfolgreich gegen das Ticketportal Viagogo prozessiert.
You'll never walk alone!
An ihren ersten Stadionbesuch in Dortmund vor fünf Jahren erinnert sich Gisela Lazecky gut. „Das war der Wahnsinn: Die vielen Menschen, die Freude, die Begeisterung! Als die Stadionhymne ‚You´ll never walk alone!‘ gespielt wurde, liefen mir Tränen übers Gesicht“, erzählt sie. Ganz andere Gefühle – Wut, Angst und Hilflosigkeit – hatte die 67-Jährige, nachdem sie 2014 im Internet Tickets für das Spiel Borussia Dortmund (BVB) gegen SC Freiburg gekauft hatte. Das Geburtstagsgeschenk für ihren Lebensgefährten fiel aus, dafür gab es unangenehme Überraschungen: Die beim Ticket-Zweithändler Viagogo bestellten Karten wurden nicht geliefert, später kamen Mahnungen und Briefe von Inkassounternehmen.
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Sieg auf ganzer Linie
Die gelernte Erzieherin, die heute als Künstlerin arbeitet, verklagte Viagogo und siegte im Juni 2016 nach einem nervenzermürbenden Rechtsstreit in allen Punkten. „Es ist wichtig, dass man sich nicht alles gefallen lässt“, sagt sie heute.
Die Zweitmarktbörse gibt sich seriös
Karten für Bundesligaspiele sind rar. Als Lazecky vor drei Jahren welche suchte, waren alle ausverkauft. Bei Viagogo.de entdeckte sie ein Angebot: Zwei Sitzplätze sollten 135,51 Euro kosten. Auf der Internetseite können Privatleute Karten für Konzerte oder Sportveranstaltungen weiterverkaufen. Viagogo fungiert offiziell als Vermittler – kassiert bei Zweitmarktverkäufen aber mit. „Der Webauftritt der Ticketbörse wirkte seriös auf mich“, erzählt die Dortmunderin.
Stehplätze statt Sitzplätze
Ein paar Mausklicks reichten, schon waren die Karten bestellt. Wenig später bekam sie eine E-Mail von Viagogo, die Tickets könnten nicht geliefert werden, weil die Zahlung nicht autorisiert werden könne. Das konnte sie nicht nachvollziehen, doch damit war die Sache für sie erledigt. Einige Tage später erhielt Lazecky zwei Karten für Stehplätze à 16,40 Euro. Außerdem bemerkte sie, dass der ursprüngliche Preis von 135,51 Euro abgebucht war. Den Betrag ließ sie zurückbuchen, die Stehplatzkarten wollte sie zurückschicken. Und dann fing der Ärger an.
Der Anbieter droht mit Kontopfändung
Viagogo weigerte sich, die Karten zurückzunehmen und forderte 10 Euro Strafgebühren für die Rückbuchung. „Ich habe eine Menge E-Mails geschrieben“, sagt Lazecky. „Es gab keine Kommunikation, Viagogo schickte nur Standardantworten.“ Später kam Post von Inkassounternehmen und einem Rechtsanwalt aus München sowie ein Mahnbescheid vom Amtsgericht Berlin-Wedding. Mittlerweile sollte sie 363,10 Euro zahlen, sonst drohe eine Kontopfändung.
BVB hilft
Lazecky legte Widerspruch gegen den Mahnbescheid ein und wandte sich an den BVB. Der Verein stellte den Kontakt zu Anwalt Ulf Haumann her, der den BVB schon häufiger in Ticketfragen vertreten hatte. Ihr Vorteil beim Prozess: Sie hatte die beiden Stehplatzkarten nicht akzeptiert und damit das Angebot von Viagogo zurückgewiesen. Das Amtsgericht Dortmund entschied, dass Viagogo von sämtlichen Forderungen zurücktreten muss.
Lieber Schlange stehen
Der Spaß an Stadionbesuchen war Gisela Lazecky kurzfristig vergangen. Doch in der nächsten Bundesligasaison möchte sie gerne den BVB wieder live sehen. Für Karten will sie sich anstellen.
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