
„Besser gar keine Werbung als eine schlechte Facebook-Seite.“, Gezim Ukshini. © Stefan Korte
Finanztest stellt Menschen vor, die großen Unternehmen oder Behörden die Stirn bieten und dadurch die Rechte von Verbrauchern stärken. Diesmal: Gezim Ukshini. Der Friseur aus Hannover hat sich erfolgreich gegen die Geschäftspraktiken von Facebook gewehrt.
Unerwünschte Werbung über eine Facebook-Seite
Dienstagvormittag beim „Coiffeur Sultan“: Ein halbes Dutzend Friseurinnen und Friseure bedient die Kunden in den gepolsterten Sesseln. Haarsträhnen fallen auf den Boden, Farben werden aufgetragen, eine Haarschneidemaschine schnurrt. In zwei Sitzecken warten weitere Kunden auf ihre neue Frisur. Der Friseursalon in Hannovers Innenstadt brummt. „Die Kunden finden auch ohne viel Werbung den Weg zu uns“, sagt Gezim Ukshini, Inhaber des Salons. Um unerwünschte Werbung über eine Facebook-Seite ging es in einem langwierigen Rechtsstreit, den der 46-Jährige schließlich gewonnen hat. Der Internetriese musste ein Ordnungsgeld von 50 000 Euro zahlen.
Werbeseiten werden automatisch erstellt
Ein Bekannter erzählte Gezim Ukshini im Jahr 2016, dass er im sozialen Netzwerk Facebook eine Werbeseite von dessen Salon entdeckt hatte. Der Friseur, der niemals Mitglied in dem Netzwerk war und es auch nicht werden wollte, war erstaunt. Neben Adresse, Telefonnummer und Öffnungszeiten waren mehrere Fotos abgebildet. „Was mich wirklich gewundert hat: Es waren nicht nur Bilder von dem Salon außen zu sehen, irgendjemand muss auch innen fotografiert haben“, erzählt Ukshini. Daneben waren Fotos und Adressen konkurrierender Betriebe zu sehen. Einen Zugriff auf die Seite seines Salons hatte er nicht.
Tipps
- Inoffizielle Seiten.
- Hat Facebook für Ihr Unternehmen ohne Ihre Zustimmung eine Seite eingerichtet, dann können Sie diese nur verwalten oder löschen, wenn Sie Mitglied des Netzwerks sind und eine Beziehung zu dem Unternehmen nachweisen.
- E-Mail-Adresse.
- Die Kontaktaufnahme zu Facebook ist schwierig. Als Nichtmitglied, das eine Seite löschen will, können Sie an impressum-support@support.facebook.com schreiben und sich auf Ukshinis Fall berufen.
- Datenschutz.
- Das Datenschutzverhalten von Facebook & Co wird kritisiert. Was die Internetgiganten über Sie als Kunden wissen und wie Sie sich vor Missbrauch schützen, erfahren Sie in unserem Test Datenauskunft. Wie Sie Ihren Facebook-Account loswerden, beschreiben wir in unserem Gewusst wie: Facebook löschen. Weitere Infos auf unserer Themenseite Social Media.
Ukshini fühlte sich zum Beitritt genötigt
Was dem Hannoveraner passiert ist, ist kein Einzelfall: Facebook richtet regelmäßig „nicht verwaltete“ oder „inoffizielle“ Seiten ein. Auf ihnen wird über Geschäfte und Orte informiert, die sonst nicht in dem sozialen Netzwerk präsent sind. Der Friseur wollte die Seite sofort loswerden. Doch die Kontaktaufnahme mit dem Internetgiganten war schwierig. Zunächst kam keine Antwort, dann bekam er eine E-Mail, in der ihm vorgeschlagen wurde, die Seite zu übernehmen. Dieser Vorschlag hatte einen Haken: Um die Facebook-Seite selbst zu verwalten und sie später auch löschen zu können, hätte Ukshini dem Netzwerk beitreten müssen. „Das ist Erpressung“, sagt er. Deshalb beschloss er damals, seine Rechtsschutzversicherung in Anspruch zu nehmen und einen Anwalt zu engagieren: „Mir war klar, dass ich das ohne Hilfe von Juristen nicht schaffe.“
Facebook stellt sich stur – und verliert vor Gericht
Zunächst verlangte der Anwalt von Facebook, alle Angaben über den Friseursalon zu löschen. Als das Unternehmen nicht reagierte, erhob Ukshini 2016 Klage vor dem Landgericht Hannover. Die Richter sahen durch die unerwünschte Internetseite die Persönlichkeitsrechte des Friseurs verletzt. Facebook wurde aufgefordert, die Seite zu löschen und ein Ordnungsgeld von 50 000 Euro an die Landeskasse Hannover zu zahlen. Daraufhin legte das Unternehmen, das seinen Europasitz in Irland hat, vergeblich Einspruch ein. Als es nicht zahlte, wurde im Jahr 2017 eine Zwangsvollstreckung eingeleitet. Der Internetriese ging vor dem Oberlandesgericht Celle in Berufung und blieb auch dort erfolglos. Die Richter bestätigten 2018 das Urteil aus Hannover (Az. 13 U 71/18). Letztlich musste Facebook das Ordnungsgeld zahlen und die Coiffeur-Sultan-Seite endlich aus dem Netz nehmen.
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@karlkaefer: Ich sehe jetzt nicht, dass es sich bei der von Ihnen angegebenen Seite um die streitbefangene, automatisch angelegte Seite für den Salon Coiffeur Sultan in Hannover handelt (maa)
siehe https://www.facebook.com/pages/Coiffeur-Sultan/2788546231173367