
„Es darf keine Privatsache sein, dass Kinder ihre Schule sicher erreichen.“, Günter Landendörfer und Marc Rux, 14. © Stefan Korte
Finanztest stellt Menschen vor, die großen Firmen oder Behörden die Stirn bieten. Diesmal: Günter Landendörfer und Marc Rux aus dem bayerischen Marktschorgast haben erreicht, dass die Gemeinde ein Taxi für Marcs Schulweg organisiert. Der Weg ist einfach zu gefährlich.
Schulweg ohne Bürgersteig und Beleuchtung
Sanfte Hügel, dichte Wälder, kleine Orte mit Kirchtürmen, die sich in den Himmel recken – Marc Rux‘ Weg zu seinem Schulbus führt durch eine idyllische Ecke des Frankenwaldes. Doch die unbeleuchtete Straße, die der 14-Jährige entlanggehen muss, ist alles andere als sicher. Autos brettern die 1,3 Kilometer lange Strecke teils mit 80 Stundenkilometern und mehr entlang, einen Bürgersteig gibt es nicht. Marc ist den Weg nur gelegentlich gelaufen, bei Tageslicht und gutem Wetter und nur mit seinen Eltern. Einmal, so erzählt er, war es „sehr knapp“. Da sei ein Auto ganz dicht vorbeigeschrammt. „Wenn eins kommt, muss sich der Bub mit seinem bleibatzenschweren Ranzen an die Leitplanke drücken“, sagt Marcs Stiefvater Günter Landendörfer.
Er hat erreicht, dass die Gemeinde für die gefährliche Teilstrecke des Schulwegs ein Taxi zahlen muss. „Das finde ich natürlich sehr gut“, sagt Marc. Zuvor hatten die Eltern den Fahrdienst übernommen. Seit der Vater in Rente ist, kann sich die Familie nur noch ein Auto leisten – meist braucht es die Mutter, die in Bayreuth arbeitet.
Ein ruhiges Dorf ohne Busverbindung
Die Familie wohnt in einem abgelegenen Ortsteil Marktschorgasts namens Ziegenburg. Knapp 50 Menschen leben hier, Hühner laufen zwischen den Häusern hin und her. Der Schulbus, der die Kinder in die Schulen bringt, hält hier nur für Grund- und Mittelschüler, nicht für Realschüler wie Marc. Für Schüler ab der fünften Klasse übernimmt in Bayern die Gemeinde den Transport erst, wenn sie mehr als drei Kilometer zu Fuß gehen müssten. Für Grundschüler gilt die Zwei-Kilometer-Grenze.
Landendörfer setzte sich bereits sich mit den Ämtern auseinander, als seine mittlerweile erwachsenen Kinder aus erster Ehe zur Schule gingen. „Insgesamt habe ich mehr als 17 Jahre gekämpft. Aufgeben war keine Option“, sagt der 63-Jährige und schüttelt den Kopf. „Unglaublich, was wir uns alles anhören mussten: Etwa die Frage, ob bereits ein Kind auf dem Schulweg verunglückt sei. Dass noch nichts passiert ist, liegt doch nur daran, dass Eltern oder Nachbarn ihre Kinder immer zur Schule bringen.“
Laut Gericht ist die Strecke gefährlich
Nach einem Teilerfolg – 2017 wurde das Taxi in den Wintermonaten bewilligt – landete die Rechtssache vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Drei Richterinnen aus München kamen in die Provinz, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Die Juristinnen entschieden: Die Strecke ist sehr gefährlich und Marc dort „in einer schutzlosen Situation“. In gegenseitigem Einverständnis wurde zwischen dem Landratsamt und der Familie eine Vereinbarung getroffen: Bis zum Abschluss der zehnten Klasse wird Marc zur Haltestelle des Schulbusses gefahren. Das Verfahren wurde eingestellt.
-
- Von Autokindersitzen über Babycams bis Spielschleim: In den vergangenen beiden Jahren hat die Stiftung Warentest 15 Untersuchungen zu Produkten für Kinder vorgenommen...
-
- Finanztest stellt Menschen vor, die großen Unternehmen oder Behörden die Stirn bieten und so die Rechte anderer stärken. Diesmal: Hannah Kiesbye. „Ich fühle mich nicht...
-
- Eltern von Kindern mit Behinderung haben Anspruch auf viele Hilfen: Pflege, Reha, Förderung von Umbaumaßnahmen. Wir sagen, wer hilft und wie hoch die Unterstützung...
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.