Finanztest stellt Menschen vor, die großen Unternehmen oder Behörden die Stirn bieten und dadurch die Rechte von Verbrauchern stärken. Diesmal: Holger und Sultan T.. Das Hamburger Ehepaar kämpft für bezahlbare Mieten im öffentlich geförderten Wohnungsbau.
600 Euro Mietsteigerung nach Ende der Mietpreisbindung
Es war ein Glücksmoment, als Sultan und Holger T. 2013 ihre neue Wohnung in Hamburgs grünem Bezirk Osdorf fanden. Vier Zimmer auf 92 Quadratmetern, eine großzügige Terrasse und vor dem Haus ein Spielplatz. Perfekt für eine junge Familie. „An der Wohnung habe ich bis heute nichts auszusetzen“, sagt Holger T. nüchtern, „an den Rahmenbedingungen schon.“ Ende Juli haben Holger T. und seine Frau vor dem Amtsgericht Hamburg-Blankenese einen Prozess gegen ihren Vermieter, die Luserke Vermögensverwaltung GmbH, gewonnen und ihren Mietvertrag angefochten. Das Paar sah seine Zukunft als Familie bedroht: Nach dem Ende der Mietpreisbindung in 15 Jahren sollte ihre Nettokaltmiete im öffentlich geförderten Wohnungsbau um 600 Euro steigen. Sultan T.: „Das können wir uns nicht leisten, wir müssten ausziehen.“
Jahrelanges Warten auf eine Wohnung
Bis 2013 lebten die T.s mit Tochter Emma in einer Zwei-Zimmer-Wohnung, die Frau war wieder schwanger. Das Paar hatte einen Wohnberechtigungsschein für eine Vier-Zimmer-Wohnung, Tipps. „Doch bei unserer Genossenschaft hätten wir jahrelang warten müssen“, sagt Holger T.. Wohnraum in der Hansestadt ist knapp und teuer. Dann bewarb sich das Paar für die neue Siedlung am Harderweg, die von einem privaten Investor gebaut wurde. Soziale Wohnungsbauprojekte werden – nicht nur in Hamburg – zunehmend von privaten Investoren umgesetzt. Als öffentlich gefördertes Wohnprojekt ist die Nettokaltmiete auf zunächst 5,80 Euro pro Quadratmeter beschränkt.
Dreiste Klauseln im Mietvertrag
Die Hausverwaltung sagte schnell zu, der Mietvertrag aber ließ auf sich warten. Die T.s kündigten die alte Wohnung trotzdem, sie konnten nicht monatelang zwei Mieten zahlen. „Als wir den Vertrag bekamen, war ich fassungslos“, sagt Holger T.. Der Mietvertrag sah außer dem Mietanstieg vor, dass jede Mietpartei gezwungen ist, einen Auto-Stellplatz für 80 Euro anzumieten. Dreist war auch die Extramiete von 40 Euro für den Kellerraum. Unterschreiben mussten die T.s trotzdem − sie brauchten ein Dach über dem Kopf.
Richter erklären Klauseln für unwirksam
Holger T. ist studierter Immobilienökonom und selbst Angestellter einer Wohnungsbaugenossenschaft. Er wandte sich zunächst an den Vermieter, dann an die Hamburgische Investitions- und Förderbank (IFB), die die Wohnsiedlung mitfinanziert hatte. Außerdem informierte er seine Nachbarn. „Viele hatten nicht begriffen, was für Verträge sie unterschrieben hatten“, sagt er. Die T.s stellten Anfragen beim Hamburger Senat und schalteten einen Anwalt für Mietrecht ein. Beim Prozess erklärten die Richter die „Steigerung der Miete von 80 Prozent“ nach Ablauf der Mietpreisbindung für unwirksam. Auch die Koppelung der Verträge an Stellplätze ist nicht erlaubt.
Vermieter will sich wehren
Der Vermieter will gegen das Urteil vorgehen. Sultan und Holger T. sind dennoch zuversichtlich, die Miete auch noch in 15 Jahren bezahlen zu können. „Eins war gut an dem ganzen Ärger“, sagt Holger T. lachend. „Durch die vielen Gespräche mit den Nachbarn haben wir hier schnell eine Menge netter Leute kennengelernt.“
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