
Finanztest stellt Menschen vor, die großen Unternehmen oder Behörden die Stirn bieten und dadurch die Rechte von Verbrauchern stärken. Diesmal: Peter Pöttgen, Rentner aus dem Sauerland. Er erkämpfte sein Recht am Ende vor dem Bundesverfassungsgericht – auch ohne Unterstützung seiner Rechtsschutzversicherung. Im Ergebnis heißt das: Betriebsrentner müssen nun auf einen Teil ihrer Rente keine Krankenkassenbeiträge mehr zahlen.
„Sie haben gewonnen“
Der Anruf erreicht Peter Pöttgen mittags an einer Autobahnraststätte. „Herzlichen Glückwunsch! Ich hoffe, ich störe nicht: Sie haben gewonnen.“ Das Bundesverfassungsgericht hat soeben entschieden, dass Rentner Pöttgen auf einen Teil seiner Betriebsrente keine Krankenkassenbeiträge zahlen muss. Die Kasse muss auf rund 5 160 Euro verzichten. Der Rentner und seine Ehefrau haben gerade den Sommerurlaub in Dänemark verbracht. Mit dem Wohnmobil sind sie auf der Rückreise ins heimische Sauerland. Überbringer der guten Nachricht ist Rechtsanwalt Jens Steinhauer aus Menden. Er hat mit Pöttgen jahrelang für dieses Urteil gekämpft. Ihr langer Atem hat sich gelohnt: Nun müssen Betriebsrentner, die privat in eine Direktversicherung einzahlen und nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses die Versicherung im eigenen Namen als Versicherungsnehmer fortführen, im Rentenalter auf den privat eingezahlten Teil keine Kassenbeiträge zahlen. Das hat das Bundesverfassungsgericht im September 2010 entschieden (Az. 1 BvR, 1660/08).
Tipp: Ausführliche Informationen rund um Betriebsrente und Krankenkassenbeiträge lesen Sie im Special Das zahlen Rentner für die Krankenkasse.
Ungerechte Regelung für viele Betriebsrentner
Was war vorher geschehen? Rentner, die gesetzlich krankenversichert sind, müssen seit 1. Januar 2004 auf ihre Betriebsrenten den vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag zahlen. Das traf auch Pöttgen. Als er Anfang des Jahres 2004 aus seiner Direktversicherung fast 70 000 Euro erhielt, rief das seine Krankenkasse auf den Plan. Die Techniker Krankenkasse verlangte 9 240 Euro, zahlbar in 120 Monatsraten à 77 Euro. Der Sauerländer fühlte sich ungerecht behandelt. Denn die Versicherung, eine Kapitallebensversicherung, hat der heute 71-Jährige überwiegend privat bezahlt. Sein früherer Arbeitgeber, eine Baufirma, hatte für den Bauingenieur im Mai 1979 eine Kapitallebensversicherung als Direktversicherung abgeschlossen. Nach der Insolvenz der Firma zahlte Pöttgen ab Januar 1988 die Versicherungsbeiträge aus eigener Tasche und ließ sich als Versicherungsnehmer im Vertrag eintragen. Nur knapp neun Jahre lang war der Arbeitgeber und fast doppelt so lang der jetzige Rentner Versicherungsnehmer. Pöttgen: „Nach dem Bescheid der Krankenkasse wollte ich unbedingt klären lassen, ob alles mit rechten Dingen zugeht.“ Er wendet sich an einen Versicherungsfachanwalt.
Rechtsschutzversicherung zieht nicht mit
Die Klage gegen die Krankenkasse vor dem Sozialgericht verliert Pöttgen, ebenso die Prozesse vor dem Landes– und Bundessozialgericht. Danach hätte der Sauerländer am liebsten das Handtuch geschmissen, zumal sein Rechtsschutzversicherer LVM sich weigert, das Kostenrisiko für das Verfahren vor dem Verfassungsgericht zu übernehmen: „Eigentlich bin ich eher ein kämpferischer Typ, aber mir erschien Weiterklagen sinnlos.“ Anwalt Steinhauer: „Ich musste meinen Mandanten ein bisschen überreden, weiterzumachen.“ Als die Verfassungsrichter einstimmig zu Pöttgens Gunsten urteilen, freut er sich riesig: „Es ging nicht nur ums Geld. Emotional fühle ich mich sehr erleichtert, dass der jahrelange Rechtsstreit endlich vorbei ist.“ Zur Feier des Tages lässt das Ehepaar Pöttgen im Wohnmobil die Korken knallen. Um das Thema endgültig abzuschließen, schreibt Pöttgen noch an seinen Ex-Rechtsschutzversicherer: „Jahrelang war ich bei der LVM rundum versichert.“ Doch den entscheidenden Prozess hat der Versicherer nicht mitgetragen. „Ich habe deshalb alle meine Verträge dort gekündigt.“
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Hey ihr betrogenen Rentner,
mein Tipp , Bitte hebt Morgen all euer Geld von eurem Konto ab !!
Ihr werdet sehen das dann alles zusammen bricht.
Mann hat uns Rentner nicht nur bei der Firmenrente betrogen sondern auch mit den Lebensversicherungen und der 3Fach besteuerung der normalen Rente!!!!
Das einfach so , obwohl das Vertragsrecht gebrochen wird !
In den Firmenrenten Verträgen steht das nur mit " EINWILLIGUNG " der Vertrag geändert werden kann !!!
Und im Grundgesetz steht geschrieben , das der Gesetzgeber nur dann etwas ändern darf wenn das höchste Gericht in Deutschland das bestättigt!
Die Änderung muss also Bundesverfassungs - Gericht beschlossen werden , was nicht der Fall war!!!
Warum gehen die nicht an ihre DIÄTEN ?????
Danke!
M.Kopp
Riester und Betriebsrente sind eine Art Mastgänse für die Regierung. Diese werden über Zulagen oder Ersparnisse angefüttert und dann bei Bedarf über Steuer und Krankassenbeiträge "abgeschlachtet".
Dabei können die Politiker nach eigenen Interessenlage sogar rückwirkend in bestehende Verträge eingreifen wie das Gesundheitsmodernisierungsgesetz aus 2004 zeigt. Richter und Rechtssprechung segnen das ohne Einschränkungen ab.
Nach der Devise "Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert" ist Vorsicht geboten. Gerade im Hinblick auf Griechenland-Krise und Asylanten-Krise können sich weitere Finanzlöcher auftun.
Im übrigen: Es ist bald wieder Weihnachten.
@ekos52: Ihr Verfahren ist uns nicht bekannt. Wenn Sie möchten, können Sie uns Ihre Darstellung und das Urteil zusenden (finanztest@stiftung-warentest.de). (maa)
Ich habe Ihren Artikel aus Finanztest 12/14 erst jetzt gelesen. Auch ich bin einer der Betroffenen, die mit ihrer Klage vorm Sozialgericht gescheitert sind. Dort hatte ich den Eindruck, dass die Richter überhaupt nicht verstanden haben, worum es überhaupt geht. Da war immer von Versorgungsleistung die Rede (etwas anderes kennen Beamte ja auch nicht) aber man hat nicht verstanden oder wollte es nicht, dass es Leute gibt, die Geld aus ihrem verfügbaren Nettoeinkommen nehmen, um damit fürs Alter vorzusorgen. Leider kann man dieser Mail keine Datei beifügen, denn ich habe das Ganze mal graphisch veranschaulicht. Daraus geht hervor, dass für die GKV die Höchstbeiträge entrichtet wurden und nun nochmals Beiträge zur GKV erhoben werden. Da stellt sich eben die Frage, ob das überhaupt zulässig ist, dass man nämlich doppelt bzw mehr als den Höchstbeitrag entrichten muss. Ist das von Ihnen schon mal überprüft worden? Insgesamt war die Direktversicherung für mich ein dickes Verlustgeschäft.
Das ist sehr bedenklich, daß das BSG zu einer solchen Rechtsauffassung kommt.
Der private Teil einer Pensionskassenkassenrente ist von der Haftung und von der Pfändung genauso zu behandeln, wie eine Private Rente. Es besteht kein besonderer Schutz vor Gläubigern. Sollte die Pensionskasse ausfallen, springt der Arbeitgeber für den privaten Teil der Pensionskassenrente nicht ein.
Es ist verfassungsrechtlich nicht vertretbar, den Betriebsrentner auch für den privaten Teil der Pensionskassenrente volle Sozialversicherungsbeiträge zahlen zu lassen, da der Betriebsrentner damit doppelte Sozialversicherungsbeiträge bezahlt und im übrigen bei seiner gesetzlichen Altersrente Kürzungen und Einschränkungen infolge der Zahlung von versicherungsfremden Leistungen aus der Rentenkasse (u.a. Kosten der deutschen Einheit) hinnehmen mußte.