Finanztest stellt Menschen vor, die großen Unternehmen oder Behörden die Stirn bieten und dadurch die Rechte von Verbrauchern stärken. Diesmal: Christine Doering aus Garmisch-Partenkirchen. Sie kämpft für die Rechte von Stalking-Opfern.
Die Eingangstür ist schwer verriegelt
Kinderzeichnungen und Fotos von einem lachenden Jungen hängen an den Wänden, in einem Regal stehen Bilderbücher dicht gedrängt. Die Wohnung von Christine Doering sieht aus wie viele, in denen Familien mit Vorschulkindern leben. Auffällig ist nur die Eingangstür, die mit einem schweren Panzerriegel gesichert wurde. „Hier kommt niemand rein, den ich nicht reinlassen möchte“, sagt die alleinerziehende Mutter.
Beratung und Schulung für Polizisten
Genau das wäre beinahe passiert. Doerings ehemaliger Freund hatte eines Nachts versucht, ihre Haustür einzutreten. Zuvor hatte er gedroht, sie und den gemeinsamen Sohn zu töten. „Stalking“ heißt es im Volksmund, wenn Menschen belästigt, verfolgt oder bedroht werden. Die Justiz spricht von „beharrlicher Nachstellung“. Seit fünf Jahren kämpft die 35-Jährige für besseren Opferschutz. Auf der Internetseite Stalking-justiz.de informiert sie umfassend zu dem Thema. Sie berät Betroffene und schult Polizisten. Außerdem sucht sie das Gespräch mit Politikern. Ihre Forderung: eine Änderung des sogenannten Nachstellungsparagrafen.
600 000 Menschen leiden unter Stalking
Im Jahr 2007 trat ein Gesetz in Kraft, das Stalking-Opfer besser vor ihren Verfolgern schützen sollte. „Damals stieg die Anzahl der Anzeigen auf mehr als 29 000 pro Jahr – seitdem sinkt sie wieder“, sagt Doering. „Es spricht sich herum, dass Anzeigen kaum helfen.“ Wenn die Frau aus Garmisch-Partenkirchen redet, mischt sich ihre eigene Geschichte mit Statistiken und Zitaten aus Paragrafen. Mehr als 600 000 Menschen sollen in Deutschland betroffen sein, in weniger als 2 Prozent der angezeigten Fälle kommt es zu Verurteilungen. „Für eine strafrechtliche Verurteilung muss ein sogenannter Taterfolg eintreten“, sagt Doering. „Und der ist erst erreicht, wenn das Opfer zum Beispiel umzieht oder die Arbeitsstelle wechselt. Psychische Beeinträchtigungen wie Angstattacken und Schlaflosigkeit zählen nicht dazu.“
Vom Partner zum Stalker
Doering lernte ihren ehemaligen Lebensgefährten vor acht Jahren in ihrem Heimatort Garmisch kennen. Nach einigen Monaten zog sie zu ihm. „Zu Beginn der Beziehung war er sehr liebevoll“, erinnert sie sich. Dann verlor er seine Arbeit und begann zu trinken. Bierflaschen und Elektrogeräte flogen an die Wand. Die Bayerin wurde schwanger und verließ ihren Partner. Sie mietete eine Wohnung, um sich und das ungeborene Kind in Sicherheit zu bringen. Später versöhnten sie sich, die endgültige Trennung kam zwei Wochen nach der Geburt. Doch dann fing der Terror an. Der Exfreund schickte an manchen Tagen Dutzende Mails und SMS und rief unzählige Male an. Der Ton war stets bedrohlich. An anderen Tagen lauerte er ihr auf. Doering wechselte die Handynummer und zeigte den Mann an. Doch Geldstrafen, die ihm auferlegt wurden, und ein Näherungsverbot wirkten nicht.
Erfolgreich vor Gericht
Die junge Mutter blieb dran. Sie sprach immer wieder bei der Polizei und dem Jugendamt vor. Außerdem dokumentierte sie die Attacken. Das Tagebuch half ihr vor Gericht: Im Jahr 2013 wurde der Stalker verurteilt. „Die Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, dennoch gilt das Urteil als eins der härtesten in Bayern“, sagt sie. Und es hat gewirkt: Mutter und Sohn haben seitdem ihre Ruhe. Christine Doering kämpft dennoch weiter. „Opfer von Verbrechen haben keine Lobby in Deutschland. Das muss sich ändern“, sagt sie. „Selbst erfahrene Polizisten staunen, wie wenig juristische Möglichkeiten Stalking-Opfer haben.“
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