Finanztest stellt Menschen vor, die Unternehmen oder Behörden die Stirn bieten und dadurch die Rechte von Verbrauchern stärken. Diesmal: Christa und Gunter Vetter, Rentner aus Baruth, haben sich gegen die unrechtmäßigen Forderungen eines Inkassounternehmens gewehrt.
Der Brief der „Rechtsanwaltskanzlei am Modenbach“ beginnt freundlich mit „Sehr geehrter Herr Vetter“, der Ton des Schreibens allerdings ist scharf. „Sie wissen ganz genau, dass Sie zur Zahlung verpflichtet sind. Das wird auch das Gericht nicht anders sehen und Sie dementsprechend zur Zahlung verurteilen.“ 263,87 Euro sollte der Brandenburger umgehend zahlen, so könne er sich ein „langwieriges und teures Gerichtsverfahren ersparen“. Das Anwaltsschreiben vom September 2017 ist eins von vielen, die Gunter Vetter in einer Akte gesammelt hat. Zahlungsaufforderungen, ein gerichtlicher Mahnbescheid und mehrere Briefe eines Inkassounternehmens sind abgeheftet. Der 71-Jährige wurde monatelang mit solchen Schreiben bedroht. Er sollte für Uhren zahlen, die er nie bestellt hat. „Ich hätte nicht gedacht, dass mir so etwas passieren kann“, sagt er.
Pakete ohne Absender
Im Jahr 2014 hatte Gunter Vetter die Internetseite Web.de besucht, um seinen E-Mail-Eingang zu kontrollieren, als er am Rand des Bildschirms ein Fenster mit Uhrenwerbung der Firma „Editions Atlas“ entdeckte. Der Brandenburger klickte drauf und sah, dass dort nachgebildete Fliegeruhren preisgünstig im Abonnement angeboten wurden. Die erste sollte 8,90 Euro kosten, alle weiteren Uhren dann 29,90 Euro. Vetter war nicht weiter interessiert und schloss das Fenster. „Damit war die Sache für mich erledigt“, sagt er heute.
Einige Wochen später wurde in einem Pappkarton eine Uhr geliefert. Offensichtlich war sie ein Billigexemplar, nicht einmal 8,90 Euro wert. Der Rentner wollte die Uhr zurückschicken, doch auf dem Paket stand kein Absender. Eine zweite Uhr kam einige Wochen später und schließlich die erste Rechnung. Er schickte eine E-Mail an den Uhren-Anbieter, dass er die Sammelstücke nicht will, und bat um eine Adresse zum Zurücksenden. Stattdessen kamen eine Rechnung, weitere Uhren und eine Sammelbox. Die Uhren liegen bis heute beim Ehepaar Vetter im Wohnzimmerschrank.
Tipp: Die Stiftung Warentest testet auch Rechtsschutzversicherungen zum Vergleich Rechtsschutzversicherungen.
Verbraucherzentrale eingeschaltet
Gunter Vetter widersprach den Forderungen schriftlich. Dennoch kamen Mahnungen und Schreiben der Anwaltskanzlei und des Inkassounternehmens UGV, die beide dieselbe Postanschrift im pfälzischen Harthausen haben. Sicher kein Zufall. „Wir waren uns einig, dass wir den Abzockern nichts zahlen“, sagt seine Ehefrau Christa. „Doch manchmal hatte ich Angst, dass ein Geldeintreiber vor der Tür steht.“ Um sich abzusichern, besuchte Gunter Vetter eine Außenstelle der Verbraucherzentrale Brandenburg in Luckenwalde. Der Anwalt bestärkte ihn, weiterzumachen wie bisher. Da kein Vertrag zwischen der „Editions Atlas“ und Gunter Vetter existiert, haben die Forderungen keine Grundlage.
Vetter wusste: Rechnungen verjähren nach drei Jahren. Im November 2017, kurz vor Ablauf der Frist, kam ein letztes Anwaltsschreiben. Er sollte 132 Euro zahlen, die Hälfte der ursprünglich geforderten Summe. Andernfalls werde die Zwangsvollstreckung eingeleitet. Der Rentner aus Baruth ließ sich auch davon nicht einschüchtern: „Es gibt sicherlich viele Leute, denen Ähnliches passiert ist und die vor lauter Angst gezahlt haben.“
Ihre Chance
- Lieferungen.
- Wenn Sie nicht bestellte Ware erhalten, werden Sie laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) nicht Eigentümer der Ware. Sie brauchen sie weder zu bezahlen noch zurückzusenden.
- Rechnungen.
- Unberechtigte Zahlungsaufforderungen sollten Sie sofort schriftlich zurückweisen – per Einschreiben mit Rückschein oder Fax mit Sendebericht.
- Mahnbescheid.
- Einen amtlichen Mahnbescheid kann jeder beim Amtsgericht anfordern. Ihr Widerspruch muss binnen 14 Tagen bei diesem Amtsgericht vorliegen. Füllen Sie dazu das rosa Formular aus, das dem Bescheid beiliegt. Um weiter gegen Sie vorzugehen, müsste das Unternehmen vor Gericht nachweisen, dass seine Forderung berechtigt ist.
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Ich schließe mich den Fragen von ig61 und Olonetzky an.
M. E. ist der Artikel sehr wichtig. Er wird aber unglaubwürdig, wenn die zentrale Frage nicht geklärt ist. Dem Artikel muss man - leider nur indirekt - entnehmen, dass Herrn Vetters Anschrift vom Uhrenversender über web.de bzw. dahinter stehende Tracker (möglicherweise zu den dominierenden US-amerikanischen Datensammlern gehörend) das Surfverhalten und (in der Tat auch über das Telefonbuch erhältliche) Anschriftendaten zusammenbringen.
Liebe Redaktion,
ich habe dieselben Fragen wie der Leser Andreas G. und bin leider mit Ihrer Antwort nicht zufrieden.
Was soll der Hinweis auf das Telefonbuch?
Das gäbe nur Sinn, wenn Name und Wohnort bekannt sind.
Ohne die Klärung dieser wesentlichen Fragen hätten Sie den Artikel nicht veröffentlichen dürfen.
Sie schaffen damit ´nur weitere Unsicherheiten.
Freundliche Grüße
Klaus Lerchenberg
@ig61: Letztendlich konnte die Frage, wie der Absender an die Adresse gelangte, nicht mehr geklärt werden. Die Forderung des Inkassounternehmens ist inzwischen verjährt. Es spielt keine Rolle, wie das Unternehmen an die Adresse gelangt ist, theoretisch würde auch ein Blick in das Telefonbuch ausreichen, um eine Adresse zu finden. Sachen, die ich nicht bestellt habe, muss ich nicht bezahlen, egal wie sie mich erreichen. Der Empfänger muss natürlich standhaft bleiben und sich gegen unberechtigte Forderungen zur Wehr setzen, gegebenenfalls auch mit der Unterstützung einer Verbraucherzentrale. Diese hilft auch bei der Formulierung eines Widerrufs. (AK)
Liebe Redaktion,
der Artikel ist aus meiner Sicht unvollständig und das ist für den Leser höchst unbefriedigend.
Ich habe eine weitere Seite gesucht wo steht, wie der Mutmacher letztlich die Forderung tatsächlich losgeworden ist - die VZ anzusprechen lohnt wohl allein nicht - oder sollte das Inkassounternehmen tatsächlich eingeknickt sein?
Was mich auch interessiert, wie kam es dazu, dass die Versandfirma die Adresse von Herrn Vetter erfuhr; gab es ein Leck bei web.de oder hat er sie selbst dem Uhrenversender gegeben? Zur tatsächlichen Warnung für den Verbraucher, fände ich das wichtig zu wissen.
Dennoch liebe Grüße
Andreas G.