Finanztest stellt Menschen vor, die großen Unternehmen oder Behörden die Stirn bieten und dadurch die Rechte von Verbrauchern stärken. Diesmal: Atila Tasli. Der Jurist aus Hagen findet, dass Kindertagesstätten bezahlbar sein müssen, und setzt sich für eine neue Kitagebühren-Verordnung in seiner Stadt ein.
Schwierige Rahmenbedingungen
Atila Tasli ist ein bekanntes Gesicht in der Kindertagesstätte Tigerente e. V. Wenn er durch die bunt gestalteten Räume läuft, wird er von vielen Kindern begrüßt. Mit der Kitaleiterin und einem Teil der anwesenden Eltern ist der Vater von zwei Kindern per Du. Seit fünf Jahren engagiert sich Tasli im Kitavorstand. „Die Elternarbeit macht mir viel Spaß“, sagt er und fügt hinzu: „Nur die Rahmenbedingungen hier in Hagen sind schwierig.“ Dass demnächst vermutlich einiges in Hagen besser läuft, liegt an Taslis Engagement. Gemeinsam mit anderen Eltern hat er dafür gesorgt, dass die Kitagebühren-Verordnung der Stadt auf der Kippe steht.
Mehr als 900 Euro im Monat für einen Kitaplatz
517 Euro im Monat – so viel kostet bislang die Betreuung für Taslis vierjährige Tochter Ella. Und das ist nicht der höchste Satz, den Eltern in Hagen zahlen müssen. Die Kitagebühren werden in der Stadt in Nordrhein-Westfalen abhängig von der Anzahl der Betreuungsstunden und dem Alter des Kindes berechnet. Bis zu 923 Euro können fällig werden, wenn Kinder unter drei Jahren betreut werden. Für jüngere Kinder müssen Eltern in Hagen nämlich viel höhere Beiträge zahlen als für ältere.
Im Nachbarort zahlen Familien nur die Hälfte
Ebenfalls hart für junge Hagener Familien: Die Kitagebühren werden derzeit jährlich um 2 Prozent angehoben. „Die wirtschaftliche Lage der Stadt ist angespannt, deshalb bittet man hier die Eltern zur Kasse“, sagt Atila Tasli. „Sechs Kilometer weiter, in Wetter, zahlen Eltern nur rund die Hälfte. So wird der Mittelstand aus Hagen vertrieben.“
Kommunen können Gebührenhöhe weitgehend selber festlegen
Bei seinem Kampf für eine gerechte Beitragspolitik geht es ihm um die Sache selbst, wie er betont. „Meine Frau und ich verdienen gut und können uns die Kitakosten leisten“, sagt er. „Doch wenn Familien mit einem Jahreseinkommen von 50 000 Euro monatlich 362 Euro für Kinderbetreuung aufbringen müssen, dann tut ihnen das richtig weh.“ In Deutschland können Kommunen weitgehend eigenverantwortlich bestimmen, wie hoch die Kitagebühren sind: In Hamburg und Berlin zahlen Eltern nichts, andere Städte verlangen happige Beiträge.
Gericht hält Hagener Kitagebührenordnung für nicht nachvollziehbar
„Wie unsere Kitakosten bemessen werden, ist nicht nachvollziehbar“, sagt Tasli. Für den 42-Jährigen war das der Hauptgrund, gegen die Gebührenverordnung vorzugehen. Zunächst versuchte er eine Demonstration zu organisieren. „Aber leider gab es kaum Anmeldungen“, sagt er. Tasli, selbst Fachanwalt für Arbeitsrecht, wandte sich an Angela Heinssen. Die Anwältin aus Guderhandviertel bei Hamburg ist auf das Thema Kitagebühren spezialisiert. Taslis Klage schlossen sich weitere Eltern an. Im Januar wurde vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg verhandelt. Die Eltern bekamen recht. Im Urteil hieß es: Die Kitagebührenordnung sei nicht auf der Grundlage nachvollziehbarer Zahlen und einer darauf beruhenden Kalkulation entstanden (Az. 9 K 3181/15).
Verfahren gegen Elternbeiträge gerichtskostenfrei
Die Stadt hat die Zulassung der Berufung beantragt. Doch die Chancen für die Eltern sind gut. In einem ähnlichen Fall in Stade sanken nach einem Urteil die Kitakosten um 45 Prozent. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Januar 2017 bestätigt, dass Verfahren gegen die Elternbeiträge gerichtskostenfrei sind.
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Nach dem Lesen des Beitrages frage ich mich, wieso bitte eine Stadt Preise für die Kinderbetreuung festlegt. Es gibt evangelische Kitas, katholische, jüdische, moslemische, anthroposophische, Elterninitiativen und unzählige mehr. Wenn die Stadt selbst Kitas betreibt, legt sie für diese auch die Preise fest. Das ist nachvollziehbar. Aber mit welchem Recht erlaubt es sich die Stadt über die Preise aller anderen privat betriebener Kitas zu entscheiden?
Ansonsten gäbe es nämlich Wettbewerb. Schließlich ist eine gute Kinderbetreuung ja eine sehr nachgefragte Dienstleistung. Und Wettbewerb beeinflusst Qualität und Preis der angebotenen Dienstleistung. So bleibt den Eltern aber nur, zu zahlen, was Politiker und Beamte für richtig erachten (oder manchmal erfolgreich zu klagen wie in diesem Fall).