Sparer verlieren Geld, weil sie es zu riskant anlegen – oder zu sicher. Klingt paradox, stimmt aber. Wir zeigen, was zum Tagesgeld passt.
Zinssparer haben bestimmt lauthals geflucht. Anfang Juli war es, als Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), dauerhaft niedrige Zinsen in Aussicht stellte. Sparer müssen weiter darben und auf höhere Erträge für Tagesgeld und Sparbrief warten. Seit Jahren schon gibt es nicht mehr, sondern immer nur weniger Zinsen. Nach Abzug der Inflation steht oft sogar ein Minus unterm Strich. Was tun?
Die einzige Chance, sich aus der Zinsfalle zu befreien, haben Anleger, indem sie mehr Risiko eingehen. Ein klitzekleines bisschen reicht schon. Statt 10 000 Euro zum Beispiel nur 9 000 Euro auf dem Tagesgeld- oder dem Festgeldkonto lassen und für 1 000 Euro Aktienfonds kaufen. Wer das macht und etwa zehn Jahre anlegt, hätte nach den Zahlen der Vergangenheit Aussicht auf Renditen um die 6 Prozent pro Jahr (s. Grafik unten).
Aktien sind keine Monster
Aktien haben mitunter ein mieses Image. Viele Anleger haben die Nase gestrichen voll von ihnen, seit sie mit Manfred Krug das unerfreuliche Investment T-Aktie starteten. Andere haben einen Haufen Geld mit Neue-Markt-Fonds verloren.
Doch Aktien sind keine Monster, die ihre Besitzer zwangsläufig ruinieren. Sie sind zwar keine sichere, aber dennoch eine vernünftige Geldanlage, vor allem in Form von Fonds, die das Vermögen breit streuen – weltweit oder zumindest europaweit.
Der deutsche Aktienindex Dax, der unlängst seinen 25. Geburtstag feierte, hat seit seinem Start im Schnitt 8 Prozent pro Jahr zugelegt (Stichtag 31. Juli 2013). In den vergangenen zehn Jahren waren es 9 Prozent pro Jahr – trotz T-Aktie. Der Weltaktienindex MSCI World hat in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt 6,4 Prozent pro Jahr gebracht.
Der MSCI World listet die Börsenschwergewichte aus 24 Ländern, überwiegend aus den USA.* Deutschland ist mit einem Anteil von 3,6 Prozent vertreten. Der Index umfasst rund 1 600 Titel – der Dax hat 30. Die größten Werte sind Apple und Exxon Mobil. Ihr Anteil am Index beträgt mit rund 3 Prozent fast so viel der deutsche Markt insgesamt.
Vor Inflation geschützt
Aktien bieten nicht nur höhere Renditechancen als sichere Zinsanlagen. Sie sind Sachwerte und können anders als Zinsprodukte eine Inflation unbeschadet überstehen. Solange ein Unternehmen Geld verdient, sind die Aktionäre mit von der Partie.
Mit Aktien beteiligen sich die Menschen am Produktivkapital, an den Reichtümern der Volkswirtschaften quasi. Viele Konzerne aus Deutschland oder den USA etwa verdienen zurzeit prächtig. Dabei hilft ihnen ihre gute Stellung auf dem Weltmarkt und ihre Innovationskraft, die laufend neue Technologien hervorbringt. Auch die aufgrund der niedrigen Zinsen geringen Kreditkosten tragen zum Erfolg bei.
Auf lange Sicht stehen Anleger, die Aktien kaufen, besser da als Sparer, die auf sie verzichten – trotz der Verlustrisiken, die Aktien zweifellos bergen. Diesen Schluss legen zumindest die Ergebnisse mehrerer Studien nahe, die das Geldvermögen und das Sparverhalten von Anlegern verschiedener Länder miteinander vergleichen.
Im Frühjahr zum Beispiel hat eine Untersuchung der EZB für Aufruhr gesorgt, die behauptete, dass das Vermögen der privaten Haushalte in Deutschland kleiner als in vielen anderen europäischen Ländern sei.
Die Studie erntete viel Kritik. So beanstandete der Ökonom Thomas Straubhaar vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut in der „Welt“, dass die EZB das Vermögen Deutscher im Ausland nicht Deutschland, sondern dem jeweiligen Land zugerechnet habe – Villen reicher Deutscher auf Mallorca den Spaniern zum Beispiel. Andere monierten, dass die Bewertungen der Immobilien auf veralteten Preisen beruhten, als die Blase noch nicht geplatzt war. Das machte etwa die Südeuropäer reicher, die traditionell mehr Wohneigentum besitzen als die häufig zur Miete lebenden Deutschen.
Eine Studie der Banca d’Italia kam aber zu ähnlichen Ergebnissen. Obwohl die Sparleistung der Deutschen gemessen am Einkommen relativ hoch ist, liegt das angesammelte Finanzvermögen im Vergleich acht großer Staaten im hinteren Feld. Großbritannien, Japan, Kanada und die USA sind reicher, Frankreich und Italien liegen etwa gleichauf, ärmer ist nur Spanien.
Als einen der Gründe für den unterschiedlichen Reichtum führt Banca d’Italia „die Teilnahme an den Finanzmärkten“ an. Die meisten Aktien und Aktienfonds besitzen die Amerikaner mit einem Anteil von 43 Prozent am Gesamtvermögen. In Italien, Spanien und Frankreich sind es mehr als 20 Prozent, in Deutschland nur 17.
Aus Minizinsen wird nicht viel
Es liegt auf der Hand: Je mehr Geld in niedrigverzinsten Anlagen steckt, desto geringer ist das, was unterm Strich herauskommt. Mit höheren Sparraten kann man das nur bedingt ausgleichen.
Wer 10 000 Euro fürs Alter auf die Seite legt, erhält bei einem Zins von 1,5 Prozent pro Jahr nach 20 Jahren knapp 13 500 Euro. Könnte er seine Rendite auf 3,5 Prozent aufpeppen, wären es knapp 20 000 Euro. Das sind Unterschiede, die nicht nur die spätere Lebensqualität berühren, sondern darüber entscheiden können, ob die Rücklagen überhaupt zur Existenzsicherung reichen.
Der Aktie ins Gesicht geblickt
Argumente nutzen jedoch nichts, wenn Angst die Anlageentscheidung bestimmt. Früher glaubten Wissenschaftler, dass Anleger rein rationale Entscheidungen treffen. Inzwischen ist klar: Das stimmt nicht. Die Ablehnung der Aktie ist ein Beispiel – zumal, wenn Anleger an anderen Stellen durchaus Risiken eingehen, etwa mit Gold.
Gold ist riskanter als eine breit gestreute Aktienanlage. Der schlimmste Verlust, den es am Weltaktienmarkt in vier Jahrzehnten gab, betrug ungefähr 50 Prozent. Der bisher schlimmste Einbruch von Gold lag bei mehr als 60 Prozent. Die längste Verlustphase am Weltaktienmarkt dauerte zehn Jahre. Bei Gold mussten Anleger mehr als 25 Jahre warten, bis das Hoch aus den achtziger Jahren wieder erreicht war. Auch bei Anleihen kann es Verluste geben. Die Krise in Griechenland, die Pleite Argentiniens und die Insolvenz von Lehman Brothers zeigen das.
Ein kleiner Anteil Aktien dagegen macht aus einer sicheren Geldanlage noch lange keine riskante. Finanztest hat mögliche Depotverläufe für verschiedene Mischungen aus Aktien Welt und kurzlaufenden Zinspapieren getestet.
Auch nach vergleichsweise kurzer Anlagedauer von fünf Jahren sind Depots aus 10 Prozent Aktienfonds und 90 Prozent Zinspapieren nicht im Minus, nach zehn und 15 Jahren erst recht nicht. Auch eine Quote von 20 oder 25 Prozent erwies sich noch als sicher (siehe Grafik).
Mit Schwankungen sollten Anleger aber rechnen. Während der Laufzeit können sie durchaus einmal ins Minus rutschen. In der Vergangenheit waren diese Verluste aber nicht höher als 10 Prozent.
Bequem unterwegs mit Indexfonds
Wer regelmäßig Finanztest liest, fühlt sich an dieser Stelle womöglich an die Pantoffelportfolios erinnert, unsere Vorschläge für eine bequeme Geldanlage, siehe Finanztest 04/2013 und www.test.de/pantoffelportfolio.
Das Basisportfolio, der Welt-Pantoffel, besteht nämlich genau aus Zinsanlagen und Aktienfonds Welt und richtet sich auch an unerfahrene Anleger. Gut dazu passen Fonds, die einen Index nachzeichnen, etwa den MSCI World – wie die Fonds „db x-trackers MSCI World ETF“ oder „iShares MSCI World“. Dagegen erfordern aktiv gemanagte Fonds regelmäßige Kontrolle.
Immer cool bleiben
Anleger greifen oft auf ihre jüngsten Erfahrungen zurück, wenn sie Entscheidungen treffen. Das können Gewinne mit spekulativen Papieren sein, die sie zu noch spekulativeren Geschäften ermutigen. Das kann aber auch die Enttäuschung über die T-Aktie sein, die seit dem Börsengang nicht viel gebracht hat – Dividenden eingerechnet stehen Anleger der ersten Stunde mit ihr bei 1,5 Prozent pro Jahr. Auch Verluste aus Technologiefonds, die beinahe sämtliche Ersparnisse aufgefressen hätten, prägen.
Die Schlussfolgerung, Aktien seien immer schlecht, ist aus der Sicht des Einzelnen zwar nachvollziehbar, aber falsch. Richtig ist: Das Investment in eine einzelne Aktie ist von vornherein zu riskant, ebenso der Kauf von Branchenfonds. Wer hartnäckig auf Aktien als Basisanlage – in Form weltweit investierender Fonds – verzichtet, macht aber einen Fehler. Wie damals, zur Zeit der großen Euphorie, als Anleger viel zu viel Geld in Aktien steckten.
* Korrigiert am 22. August 2013.