Der Mohnalarm hat Wirkung gezeigt: Morphin in gesundheitsschädlicher Menge haben wir in Mohngebäck nicht gefunden. Vorsicht ist allenfalls bei Mohnsamen angezeigt.
Zierpflanze und Unkraut, Arznei- und Gewürzpflanze, Nahrungsmittel und Droge: Kaum eine Pflanze ist so vielseitig wie Mohn, von dem es mehr als 200 Arten gibt. Am bekanntesten ist wohl der wildwachsende rotleuchtende Klatschmohn. Die wichtigste Nutzpflanze ist der rosa, violett oder auch weiß blühende Schlafmohn. Schon vor etwa 5 000 Jahren wurde er in Europa als Kulturpflanze auf Feldern angebaut. Im Laufe der Zeit gelangte er in alle Teile der Welt. Der getrocknete Saft des Schlafmohns – das Opium – liefert den Rohstoff für Medikamente und Drogen, seine ölhaltigen Samen werden häufig zum Backen oder Würzen genutzt (siehe auch „Mohnsaft“ und „Mohnsamen“).
Speisemohn dürfte eigentlich nur kleinste Mengen Morphin enthalten. Das trifft aber nicht immer zu, wie das Beispiel einer unbedarften Mutter zeigt. Sie hatte ihrem sechs Wochen alten Säugling einen besonderen Schlaftrunk gemischt: Nach einem alten Hausrezept hatte sie einen halben Liter Milch mit Honig und 200 Gramm Mohnsamen versetzt und dem Kind eine geringe Menge der gesiebten Flüssigkeit gegeben. Wenige Stunden später musste der Säugling mit Atemstörungen und Bewusstseinstrübung zur Notbehandlung in eine Klinik gebracht werden. Ursache der lebensgefährlichen Situation war eine extrem hohe Morphinbelastung.
Bei der Ernte verunreinigt
Dieser Fall rief die Überwachungsbehörden auf den Plan, denn schon zuvor hatte es vereinzelt Berichte über Benommenheit oder Übelkeit nach übermäßigem Verzehr von Mohnkuchen oder mit Mohnsamen bestreuten Nudelgerichten gegeben. Auch im Rahmen von Studien zum Drogenscreening war aufgefallen, dass der Genuss von Mohngebäck erhöhte Morphinwerte in Urin-, Blut- oder Haarproben zur Folge hatte. Offensichtlich war in den zurückliegenden Jahren der Morphingehalt von Speisemohn stark angestiegen. Hauptursache für den beobachteten Anstieg sind vermutlich neu eingeführte maschinelle Erntetechniken, bei denen die Mohnkapseln gequetscht werden und dadurch Kapselbruchstücke oder Mohnsaft die Samen verunreinigen.
Um Konsumenten davor zu schützen, dass sie über Lebensmittel Morphinmengen aufnehmen, die im schlimmsten Fall Atemnot, Bewusstseinsstörungen oder Herz-Kreislauf-Probleme auslösen können, empfahl das Bundesinstitut für Risikobewertung einen Richtwert für Morphin im Mohn. Die Hersteller von Mohnprodukten forderte das Amt auf, den Gehalt aller medizinisch wirksamen Pflanzeninhaltsstoffe im Mohn auf das technologisch erreichbare Mindestmaß zu senken.
Jedes Jahr werden rund 10 000 Tonnen Speisemohn aus der Türkei, Tschechien, Ungarn und Österreich nach Deutschland importiert. Bis vor einem Jahr lieferte auch Australien große Mengen Mohnsaat nach Deutschland. Als sich jedoch herausstellte, dass australischer Mohn einen besonders hohen Morphingehalt aufwies, stoppten deutsche Firmen die Importe aus diesem Land – eine erste Reaktion auf den Mohnalarm. Mittlerweile haben die Produzenten von Mohnfüllungen und Mohngebäck auch die regelmäßige Morphinkontrolle aller importierten Mohnsaatchargen sowie der daraus hergestellten Mixturen und Backwaren eingeführt.
Keine gesundheitsschädliche Morphinwerte
Die Warnungen und das Risikomanagement waren erfolgreich: In den getesteten Mohnprodukten haben wir keine gesundheitsschädlichen Morphinwerte gemessen. Wir haben frischen und abgepackten Mohnkuchen, Mohnfüllungen und Speisemohn untersucht. Die höchsten Morphinwerte und einen minimalen Kodeingehalt fanden wir bei Markant/elysee Blaumohn – Belastungen, die aber noch unterhalb des Richtwerts liegen. Noch geringer war der Morphingehalt bei Mohnfüllungen, die aus geriebenem Mohn, Zucker, Wasser und Verdickungsmittel zusammengemischt werden. Beim Kuchen wurden wir nur bei 2 von insgesamt 22 Produkten fündig – von denen man jedoch mehr als sechs Kilo verspeisen müsste, um die gesundheitliche Sicherheitsgrenze zu erreichen.
Tipp: Jeder Verarbeitungsschritt – Mahlen, Dämpfen, Trocknen, Backen – verringert offenbar die Morphinbelastung. In Studien erwies sich eine einfache Reinigungsmethode als erfolgreich: Waschen in heißem Wasser. Diese Vorsichtsmaßnahme kann jeder selbst praktizieren. Auf alte Hausrezepte sollten Mütter dennoch sicherheitshalber verzichten – Säuglinge mit Schlafstörungen sind beim Kinderarzt besser aufgehoben.
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