Mobil­funk

Die gesundheitlichen Sorgen

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Mobil­funk - Wie riskant ist Handy­strahlung? Ein Faktencheck

© Stiftung Warentest

Eine, wenn nicht die Haupt­sorge betrifft das Risiko für Tumore. Im Jahr 2011 stufte ein Gremium der Welt­gesund­heits­organisation Mobil­funk als „möglicher­weise krebs­er­regend“ ein. Seither kamen wichtige neue Studien hinzu.

Krebs­risiko: Was ergaben neue Tier­studien?

2018 wurden sehr große Tier­studien veröffent­licht. Für das US-amerikanische „National Toxicology Program“ (NTP) hatten Forscher mehrere Tausend Ratten und Mäuse Mobil­funk­strahlung verschiedener Frequenz und Stärke ausgesetzt – am ganzen Körper, täglich etwa neun Stunden, zwei Jahre lang. Ähnlich gingen Wissenschaftler vom italienischen Ramazzini-Institut vor, nutzten aber deutlich geringere Stärken der Bestrahlung.

Offene Fragen. Beide Studien fanden Hinweise auf erhöhte Raten an Hirntumoren. Noch deutlicher war der Zusammen­hang bei Tumoren am Herz. Der Effekt zeigte sich aber zum einen nur bei männ­lichen Ratten, zum anderen lebten diese in der NTP-Studie länger als unbe­strahlte Tiere. Auch andere Gründe erschweren die Interpretation. So waren die erhöhten Krebs­raten bei vielen untersuchten Frequenzen und Stärken so klein, dass sie auch der Zufall hätte bedingen können. Wir ließen die Studien durch unabhängige Toxikologen begut­achten. Ihr Fazit: Eine praktisch relevante Gesund­heits­gefähr­dung von Menschen lasse sich durch die Ergeb­nisse nicht ableiten.

Krebs­risiko: Was sagen Studien an Menschen?

Zu Mobil­funk gibt es mehrere Studien, vor allem zu Krebs im Gehirn. Denn es bekommt durch das Handy besonders viel Strahlung ab. Beispiels­weise wurden daher Patienten mit Hirntumor sowie Vergleichs­personen ohne diesen Krebs zu ihren Handyge­wohn­heiten in der Vergangenheit befragt. Teil­weise ergaben diese Unter­suchungen – vor allem die Daten der Arbeits­gruppe des mobil­funk­kritischen schwe­dischen Forschers Lenn­art Hardell – ein erhöhtes Risiko für bestimmte Tumore: für Gliome und Akustikusneurinome.

Kein großer Anstieg. Wenn diese Raten stimmen, müsste die Zahl der Hirntumore inzwischen welt­weit deutlich gestiegen sein – passend zur enormen Verbreitung der Handys. Laut Lang­zeit­erhebungen etwa aus Schweden, England, Australien, die seit 2016 erschienen, trifft das nicht zu. In einigen Studien nahmen einzelne Tumor-Unterformen zu, andere sanken. Wichtig ist, dass Forscher die Entwick­lung weiter im Auge behalten, da Krebs oft lang­sam entsteht. Das bedeutet Restrisiken, nach jetzigem Wissen aber geringe.

Schadet das Handy in der Hosentasche den Spermien?

Auch mit dieser Frage beschäftigten sich Studien. Beispiels­weise verglichen sie die Spermienqualität von Männern, die sich selbst als Viel- oder Wenigtelefonierer einstuften und teils noch angaben, wo sie ihr Handy bevor­zugt aufbewahren. Oder es wurden Samen­proben auf zwei Reagenz­gläser verteilt und dann Mobil­funk ausgesetzt oder nicht. Forscher der britischen Uni Exeter veröffent­lichten 2014 eine systematische Auswertung der Daten­lage zum Thema. Hand­ystrahlung scheint die Spermienqualität demnach zu mindern. Der Effekt ist mit höchs­tens 10 Prozent aber recht klein. Zudem haben die einbezogenen Studien teil­weise metho­dische Schwächen. Der Qualität der Spermien scheinen viele weitere Einflüsse der modernen Welt zu schaden, zum Beispiel hormon­aktive Chemikalien, Pestizide, Überge­wicht, Rauchen, Stress.

Was versteht man unter „Elektrosensibilität“?

Fachlich wird das Leiden auch „Elektromagnetische Hyper­sensitivität“ genannt. Betroffene nennen vielfältige Symptome wie Kopf­schmerzen, Konzentrations- und Schlaf­probleme, Erschöpfung, Depressionen. Doch ob wirk­lich Mobil­funk und Co sie verursachen, ist umstritten. Eine Auswertung österrei­chischer Forscher von 2015 bringt es auf den Punkt: In bisherigen Studien reagierten Personen vor allem dann empfindlich, wenn sie wussten, dass sie bestrahlt wurden. Laut der Analyse könnte der sogenannte „Nocebo-Effekt“ eine wichtige Rolle spielen – dass also schon die negative Erwartung zu Beschwerden führt.

Viel Leidens­druck. Dennoch sehen Experten noch Forschungs­bedarf – zumal Elektrosensible oft einen erheblichen Leidens­druck haben. Eine mögliche Anlauf­stelle sind umweltmedizinische Ambulanzen und Beratungsstellen. Im ersten Schritt ist ein Gespräch mit dem Haus­arzt sinn­voll, auch um andere mögliche Ursachen der Beschwerden auszuschließen.

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Handonme am 11.01.2021 um 15:22 Uhr
Marc Arazi

Ein deutsches Messlabor in Saarbrücken hat im Auftrag der französischen Funknetzagentur ANFR im Mai 2017 die SAR-Werte eines Smartphones vom Typ "Orange Hapi 30" gemessen. Dabei stellte sich in der GSM900-Betriebsart eine Grenzwertüberschreitung um 5 Prozent heraus (2,1 W/kg). Dies führte zum Rückruf der Geräte und rief einen geschäftstüchtigen Mediziner auf den Plan, der aus dem Vorfall einen weltweiten "Phonegate-Skandal" entfachen möchte.
Anfang März 2018 gründet in Frankreich der Arzt Dr. Marc Arazi den Verein "Phonegate Alert" (Satzung), der es sich zum Ziel setzt, den angeblichen "Phonegate-Skandal" weltweit mit einer französisch/englischen Website publik zu machen. Woher der Wind weht macht der "Wissenschaftliche Beirat" deutlich, der, angeführt von Devra Davis, neben einigen unbekannten Namen etliche einschlägig Bekannte aus der internationalen Anti-Mobilfunk-Szene auflistet, Deutsche sind nicht dabei. Mit diesem Personal entwertet sich Phonegate Alert – aus meiner Sicht – sel

Handonme am 11.01.2021 um 15:13 Uhr
Prof. Martin Pall

Pall has never performed any experimental research on EMF effects, his published papers on EMF are solely reviews of experimental works performed by others,
Pall has never presented his “findings” in real scientific conferences such as e.g. yearly BioEM meetings organized by two bioelectromagnetics societies, he presents solely in meetings organized by EMF activists. This should make anyone wonder why, for the last 6 years when Pall begun to publish his reviews, he never went to real scientific meeting but presents his lectures solely to activist audiences.

Profilbild Stiftung_Warentest am 04.11.2019 um 10:12 Uhr
Gegendarstellung

@dietcoke: Zu den Hauptvorwürfen von Kritikern wie etwa diagnose-funk.org, wir seien industrienah, selektiv bei der Auswahl von Studien und intransparent, haben wir in unserem Update vom 5.9 auf dieser Seite Stellung genommen. (bp)

dietcoke am 03.11.2019 um 19:28 Uhr
Gegendarstellung

https://www.diagnose-funk.org/publikationen/artikel/detail?newsid=1471
und lieber IZgMF. sie sind von der Industrie und könne nicht anders....

dietcoke am 03.11.2019 um 19:25 Uhr
überfordert

die Stiftung w ist seither für die Bewertung von Alltagsgebrauchsgegenständen für den Haushalt beschränkt.
das wissentschaftliche Thema EMF überforderte die Redaktion.
Wir dürfen nicht böse sein.
Sonst wäre es ja das Sprachrohr der Industrie und strafbar.....