Mittel­scharfer Senf Von aromatisch bis unausgewogen

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In einer historischen Mühle entsteht der beste von 20 gelben Scharfmachern. Knapp dahinter landen Delikatess­senfe bewährter Marken. Doch nicht alle Produkte mit bekanntem Namen sind gut.

Mittel­scharfer Senf Testergebnisse für 20 Mittelscharfer Senf 07/2015

Die Liste seiner Anhänger liest sich wie ein Who’s who der Geschichte. Der grie­chische Philosoph Pythagoras war über­zeugt: „Senf schärft den Verstand.“ Ludwig XIV., der Sonnenkönig, widmete ihm ein eigenes Wappen. Und Otto von Bismarck soll nichts lieber gegessen haben als Frank­furter Würst­chen mit Senf.

Auch viele weniger prominente Deutsche lieben Senf. Laut einer Umfrage verwendet ihn gut jeder Vierte täglich oder mehr­mals pro Woche. Fast jeder Zweite greift immerhin mehr­mals pro Monat zu.

Mit Abstand am meisten verkauft wird hier­zulande der mittel­scharfe Senf. In unserem Test haben wir 20 dieser auch Delikatess­senf genannten Produkte geprüft, darunter bekannte Marken wie Bautz’ner, Develey, Kühne, Löwensenf und Thomy, zwei Zubereitungen aus historischen Senfmühlen und Handels­marken. Das Ergebnis ist respektabel: 13-mal gut, 7-mal befriedigend – bei deutlichen Unterschieden vor allem im Aussehen und im Schärfegrad.

Geschmack­lich über­zeugen einige

Guter Senf muss nicht teuer sein. Ein Glas des preisgüns­tigsten guten im Test von Rewe/ja! kostet gerade mal 29 Cent. Das sind 1,16 Euro pro Liter – um den Vergleich zu erleichtern, haben wir alle Preise auf diese Menge hoch­gerechnet.

Es kann sich dennoch lohnen, mehr Geld auszugeben. Die Produkte der historischen Senfmühlen Monschau und Schwerte kosten mehr als 20 Euro pro Liter. Sie schaffen aber auch eine glatte Eins im wichtigsten Prüf­punkt, der sensorischen Beur­teilung, in der es vor allem um Geruch und Geschmack geht. Aromatisch und komplex – so beschreiben unsere Verkoster die beiden Senfe aus Stein­guttöpf­chen. Senfnote und Säure wirken im Gesamt­eindruck bei beiden harmo­nisch und aufeinander abge­stimmt. Auch andere über­zeugen geschmack­lich: Kühne, Löwensenf, Develey, Bautz’ner und Baumann’s Senfmanu­faktur sind sensorisch noch sehr gut.

Schlechtester in dieser Disziplin ist der Senf von Byodo. Er schmeckt unausgewogen essig­säuerlich und leicht bitter, es reicht sensorisch gerade noch für die Note befriedigend. Die Säurenote drängt sich auch deshalb so in den Vordergrund, weil das Bioprodukt nur sehr leicht scharf schmeckt. Das ist ein weiterer Minus­punkt, da Delikatess­senf eine gewisse Schärfe haben sollte. Der von Altenburger bringt ebenfalls nur sehr wenig Schärfe mit.

Braune Saaten machen scharf

Wie scharf ein Senf ist, hängt vom Verhältnis aus gelber und brauner Senfsaat in der Rezeptur ab Kleine Senfkunde. Gelbe Saat ist relativ mild, braune Saaten sind scharf. Nur sie enthalten Allylsenföl. Es entsteht beim Nass­vermahlen und sorgt für die Nasenschärfe, die auch von Meerrettich und Wasabi bekannt ist. Wir haben den Allylsenf­ölgehalt aller Produkte gemessen. Er stimmt in etwa mit der schmeck­baren Schärfe über­ein. Die höchsten Werte im Test haben Löwensenf und Aldi (Nord). Sie enthalten laut Anbieter­angaben gelbe und braune Saat im Verhältnis eins zu eins. Die meisten mittel­scharfen Senfe werden mit mehr gelber als brauner Saat zubereitet.

Spuren von Gentechnik

Haupt­lieferanten für Senfkörner sind Osteuropa und Kanada. Nur die gelbe Senfsaat kommt bei den drei Bioprodukten sowie den ostdeutschen Marken Bautz’ner und Born laut eigener Aussage ganz oder teil­weise aus Deutsch­land.

Auch wenn Senf ohne gentech­nisch veränderte Zutaten hergestellt wird, kann er mit gentech­nisch veränderten Bestand­teilen verunreinigt sein. Das Chemische und Veterinär­unter­suchungs­amt Freiburg fand im vergangenen Jahr in 5 von 31 Senf­proben genver­änderten Raps. Auch wir haben darauf geprüft. Im Löwensenf konnten wir Spuren solcher Raps­saaten nach­weisen. Da sie kaum vermeid­bar sind, haben wir den Fund nicht bewertet. So eine Verunreinigung ist möglich, wenn die Senfsaat aus einem Land kommt, in dem auch genver­änderter Raps angebaut wird Gentechnisch veränderter Raps im Senf.

Schad­stoffe meist kein Problem

Nur zwei Produkte fielen in der Schad­stoff­prüfung auf. Der Bautz’ner Senf ist gering und damit weit unter den gesetzlichen Höchst­mengen mit einem Pestizid belastet. Im Senf der Baumann’s Senfmanu­faktur haben wir sogenannte Pyrrolizidinalkaloide nachgewiesen. Diese sekundären Pflanzen­stoffe können beispiels­weise in Unkraut vorkommen, das zwischen Senf­pflanzen wächst. Sie gelten als möglicher­weise krebs­er­regend, in hoher Dosis schädigen sie akut die Leber. In Lebens­mitteln sind sie daher uner­wünscht.

Einen Grenz­wert für Pyrrolizidinalkaloide gibt es nicht. Das Bundes­institut für Risiko­bewertung nennt 0,007 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht als maximale Tages­zufuhr. Für eine 60 Kilogramm schwere Person sind das etwa 0,4 Mikrogramm. Im Baumann’s Senf fanden wir 27 Mikrogramm je Kilogramm. Das heißt: Isst unsere Muster­person eine typische Zehn-Gramm-Portion, nimmt sie rund drei Viertel der maximalen Tages­menge auf. Greift sie doppelt in das Senf­glas, über­schreitet sie den Richt­wert.

Gelbwurz bringt Farbe

Durch­aus verbreitet im Senf ist Kurkuma. Vielen industriell hergestellten Produkten wird das Gewürz, auch Gelbwurz genannt, zugegeben. Es sorgt vor allem für Farbe. Die Palette reicht im Test von hell­sand­farben bis kurkumagelb. Im Zutaten­verzeichnis muss Kurkuma nicht einzeln genannt werden, der Begriff Gewürze reicht aus. Fast alle geprüften Produkte enthalten Kurkuma, das offen­bart die mikroskopische Unter­suchung – auch der Altenburger Senf. In dessen Zutaten­verzeichnis stehen Salz und Zucker, aber keine Gewürze. Deshalb ist er nur ausreichend in der Deklaration.

Der mikroskopische Unterschied

Unter dem Mikroskop betrachtet unterscheiden sich die Senfe aus Monschau und Schwerte von allen anderen Produkten. Ihre Zell­strukturen zeugen vom speziellen Mahl­verfahren bei ihrer Zubereitung. Beide werden in historischen Senfmühlen mit 400 Kilogramm schweren Mahl­steinen aus Granit- beziehungs­weise Lava­stein vermahlen.

Aroma­zusatz aus Tradition

Senfsaat, Wasser, Essig, Salz – mehr braucht guter mittel­scharfer Senf nicht. Bautz’ner und Tonoli enthalten einen Aroma­zusatz. Der Anbieter Bautz’ner teilte uns mit, das habe traditionelle Gründe. Das Rezept sei seit mehr als 60 Jahren nicht verändert worden, um Kunden „den liebgewonnenen Geschmack zu bieten, den sie von Bautz’ner erwarten“. Teile der Rezeptur müssten „angepasst an die heute geltenden Deklarations­vorschriften teil­weise als natürliches Aroma deklariert werden“.

Wie ein Senf genau zusammengesetzt ist, bleibt Rezeptur­geheimnis jedes Herstel­lers. Den deutschen Philosophen Immanuel Kant, Fan des gelben Scharfmachers, hätte das wohl nicht gestört. Er soll seinen immer selbst angerührt haben.

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Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

Profilbild Stiftung_Warentest am 05.10.2015 um 11:29 Uhr
Rewe-Senf

@nils1896: Vielen Dank für Ihren Erfahrungsbericht. Unsere fünft geschulten Testpersonen hatten allerdings keine Probleme beim Öffnen des Senfglases, sonst wäre dies natürlich in die Verpackungsnote mit eingeflossen. (bp)

nils1896 am 02.10.2015 um 19:00 Uhr
Rewe-Senf sehr schlecht zu öffnen

Mich erstaunt das gute Abschneiden des Senf von Rewe. Ich persönlich würde ihn aufgrund der Verpackung deutlich abwerten. Den Deckel bekommt man kaum ab und es tut doch sehr weh. Er sitzt viel zu stramm. Möglicherweise habe ich aber auch ein "Monatsgglas"... ;-)

Profilbild Stiftung_Warentest am 13.08.2015 um 11:46 Uhr
Konservierungsstoffe

@Taggenberg: Aus Kapazitätsgründen konnten wir leider nicht alle Hersteller in die Untersuchung mit aufnehmen. Für diesen Test haben wir die meistverkauften Senfe sowie exemplarisch zwei Senfmühlen ausgewählt.
Übrigens: Keiner der von uns getesteten Senfe enthält Konservierungsstoffe. (bp)

Taggenberg am 12.08.2015 um 09:04 Uhr
Representativ?

leider fehlt in Ihrem Test die Mühle aus Cochem an der Mosel. Schade. denn diese ist die einzige, die 100% ohne Konservierungsstoffe auskommt.

Pustekuchen am 19.07.2015 um 17:48 Uhr
Senf ohne Gentechnik ist (noch) sehr wohl möglich

Warentest schreibt, dass gentechnische Verunreinigungen kaum vermeidbar seien. Das sehe ich (noch) anders. Einen Grund für meine kritischere Sichtweise benennt Warentest im Artikel selbst. Zitat: "So eine Verunreinigung ist möglich, wenn die Senfsaat aus einem Land kommt, in dem auch genveränderter Raps angebaut wird."
Ein Land, welches die Natur mit kaum rückholbarem genveränderten biologischen Material verseucht, sollte im Handel, zumindest in diesem Bereich, boykottiert werden. Dann muss die Senfsaat eben anderswo eingekauft werden! Sollte dies das Endprodukt verteuern, kann das so erheblich nicht sein. Außerdem wäre ich und vermutlich auch mancher andere bereit, dafür etwas mehr auszugeben. Aber ich möchte in jedem Fall informiert werden und eine Wahl haben.
Zu großzügiger Umgang mit genverändertem biologischen Material behagt mir überhaupt nicht. Und damit drücke ich mich äußerst zurückhaltend aus.