In der medizinischen Fachwelt stehen weitverbreitete Medikamente gegen Osteoporose unter dem Verdacht, das Risiko für untypische Brüche des Oberschenkels zu erhöhen. Eine aktuelle Übersichtsstudie bestätigt dies, aber nur bei langjähriger Einnahme bestimmter Medikamente. test.de erläutert die Ergebnisse der Studie und erklärt, wann Medikamente bei Osteoporose notwendig sind – und was hilft, der Knochenkrankheit vorzubeugen.
Untypische Brüche bei einzelnen Patienten
Osteoporose, auch Knochenschwund genannt, ist eine schleichende Krankheit. Mit dem Alter verlieren die Knochen unbemerkt an Stabilität. Oft offenbart sich Osteoporose erst beim ersten Knochenbruch – nach einem Sturz oder auch nur einer ruckartigen Bewegung. Bei manchen Menschen sinken auch die Wirbel ohne äußeren Anlass zusammen, der Rücken krümmt sich dann zum sogenannten Witwenbuckel. Osteoporose betrifft hauptsächlich ältere Frauen – schwere Knochenbrüche, vor allem des Oberschenkels, bedrohen die Selbstständigkeit und senken die Lebenserwartung.
Medikamente mit Bisphosphonaten
Bei der Behandlung von Osteoporose haben sich Medikamente mit Bisphosphonaten etabliert. Ihr Wirkprinzip: Sie lagern Phosphorverbindungen in die Knochen ein und hemmen so die Aktivität knochenabbauender Zellen sehr stark, ohne dabei die Arbeit der knochenaufbauenden Zellen zu beeinträchtigen. Die Medikamente stoppen nachweislich den Abbau von Knochenmasse und können Knochenbrüche verhindern, insbesondere im hohen Alter. Doch seit etwa zehn Jahren beobachten Mediziner Nebenwirkungen, die bis dahin unbekannt waren: Einzelne Patienten, die Medikamente mit Bisphosphonaten einnahmen, erlitten untypische Knochenbrüche des Oberschenkels – etwa unterhalb des Oberschenkelhalses. Die Brüche entstanden spontan, also ohne äußeren Anlass wie etwa einem Sturz oder Unfall.
Risiko für Spontanbrüche steigt
US-amerikanische Forscher haben nun alle Studien zu dem Thema gesichtet und eine Übersichtsarbeit im Fachjournal Family Practice veröffentlicht. Das Ergebnis: Tatsächlich verdoppelt sich durch die Einnahme von Bisphosphonaten das Risiko für Spontanbrüche, allerdings ist die Zahl der Fälle insgesamt sehr gering. Geschätzt wird, dass nach zweijähriger Bisphosphonat-Therapie lediglich 2 von 100 000 Patienten im Jahr einen spontanen Knochenbruch erleiden, nach acht Therapie-Jahren sind es allerdings schon 78 von 100 000. Das ist nach der gängigen Definition zur Häufigkeit von Nebenwirkungen aber sehr selten, so dass der Nutzen einer Therapie mit Bisphosphonaten insgesamt überwiegt – auch im Licht der neuen Erkenntnisse.
Auch die Einnahme von Kortison erhöht das Risiko
Andere Studien deuten an, dass auch bei einer Anwendung von Osteoporose-Mitteln mit anderen Wirkstoffen wie Denosumab ebenfalls mit untypischen Brüchen zu rechnen ist. Bekannt ist auch, dass die gleichzeitige dauerhafte Einnahme bestimmter Medikamente das Risiko für derartige spontane Brüche erhöht. Dazu zählen Glukokortikoide, also Arzneimittel mit Kortison, die bei entzündlichen Erkrankungen zum Einsatz kommen, und sogenannte Protonenpumpenhemmer gegen Sodbrennen und Magengeschwüre (Omeprazol, Pantoprazol).
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Vorzeichen für Brüche: Schmerzen und Schwäche
Wie lange eine Therapie mit Bisphosphonaten dauern sollte, ist wissenschaftlich noch unzureichend untersucht. Prinzipiell sollte sie so lange gehen, wie ein hohes Risiko für Knochenbrüche besteht. Patienten sollten aber während der Behandlung auf Vorzeichen für Brüche achten, die schon Wochen bis Monate vor dem eigentlichen Bruch auftreten: Dazu zählen etwa neue Schmerzen oder eine Schwäche im Bereich von Leiste, Hüfte und Oberschenkel. Der Arzt kann mittels einer Röntgen-Untersuchung feststellen, ob Anzeichen für Brüche vorliegen. Möglicherweise entscheidet er dann, die Osteoporose-Medikamente mit Bisphosphonaten abzusetzen.
Zwei Wirkstoffe bewertet die Stiftung Warentest als „geeignet“
In der Datenbank Medikamente im Test bewerten die Arzneimittelexperten der Stiftung Warentest die Osteoporose-Medikamente mit den Bisphsophonaten namens Alendronsäure und Risedronsäure als „geeignet“. Die Mittel lassen sich vorbeugend, aber auch bei nachweislich deutlich verringerter Knochenmasse einnehmen. Bisphosphonate mit dem Wirkstoff Ibandronsäure sollen ähnlich wirken, allerdings ist das bislang nur für Wirbelbrüche und nicht für Oberschenkelhalsbrüche belegt. Das führt zur Bewertung „mit Einschränkung geeignet“. Die drei Wirkstoffe gibt es inzwischen auch als preisgünstige Generika. Für einen Behandlungszeitraum von fünf Jahren ist belegt: Der Nutzen einer Behandlung mit Bisphosphonaten überwiegt in Bezug auf Knochenbrüche mögliche Nachteile.
Bei Langzeittherapie vom Arzt beraten lassen
Für längere Behandlungszeiträume liegen keine sicheren Daten vor. Wenn man die Patienten aller bisher vorliegenden Langzeitstudien betrachtet, erscheint ihr Risiko für einen Knochenbruch bei einer Therapiepause jedenfalls nicht höher als bei einer Weiterbehandlung. Allerdings kann das anders aussehen, wenn das individuelle Risiko für Brüche sehr hoch ist. Daher sollten Patienten spätestens fünf Jahre nach Therapiebeginn ein Beratungsgespräch mit einem Arzt führen und dabei die individuelle Risikosituation klären, etwa auf Grundlage einer Knochendichtemessung. Er sollte dann entscheiden, ob die Behandlung fortgesetzt, für eine Weile unterbrochen oder ganz abgebrochen wird.
Bisphosphonate können den Kiefer schädigen
Weitere Nebenwirkungen von Bisphosphonaten sind lange bekannt: So können etwa zehn von hundert Anwendern mit Übelkeit, Verstopfung, Völlegefühl reagieren. Darüber hinaus gibt es seltene, aber zum Teil gravierende Nebenwirkungen wie die Kiefer-Nekrose. Dabei wird der Kieferknochen durch Prozesse, die sich nicht aufhalten lassen, zerstört. Das Risiko steigt mit der Dosierung und der Dauer der Therapie und bei Vorliegen von Zahnerkrankungen oder Zahnfleischentzündung, schlechter Mundhygiene und Rauchen. Vor der ersten Einnahme von Bisphosphonaten sollten Patienten ihr Gebiss von einem Zahnarzt überprüfen lassen, größere zahnmedizinische Behandlungen abschließen und während der Therapie die Zähne besonders sorgfältig pflegen und alle sechs Monate vom Zahnarzt kontrollieren lassen.
Das Alter ist schuld
Gegen den Hauptverursacher von Osteoporose lässt sich wenig unternehmen: Das Alter ist schuld. Etwa ab 35 Jahren bauen sich die Knochen bei Frauen und Männern stärker ab als auf. Bei vielen Frauen nimmt der Knochendichteverlust während und nach den Wechseljahren noch an Fahrt auf. Bei einer Umfrage des Robert-Koch-Instituts gaben 13 Prozent der Frauen im Alter von 50 bis 79 Jahren und 3 Prozent der Männer dieser Altersgruppe an, dass bei ihnen Osteoporose diagnostiziert wurde. Bei den Frauen ab 70 Jahren stieg die Diagnosehäufigkeit auf 25 Prozent an, bei den Männern kam es kaum zu altersbedingten Zunahmen.
Was Knochen schwächt
Einige Risiken für vermehrten Knochenschwund lassen sich aber vermeiden: Dazu zählen Zigaretten und der Konsum von täglich mehr als 30 Gramm Alkohol, was etwa einem Viertelliter Wein entspricht. Auch bestimmte Medikamente steigern das Osteoporose-Risiko. Bei Arzneimitteln mit Kortison – sogenannten Glukokortikoiden – gegen chronische Entzündungen ist das ab einer sechsmonatigen Einnahme der Fall, bei Protonenpumpenhemmern gegen Sodbrennen und Magenschmerzen nach ein paar Jahren. Ein weiterer Risikofaktor für Osteoporose ist Untergewicht, weil der Körper nicht ausreichend mit knochenstärkenden Nährstoffen wie Kalzium versorgt wird. Auch zu wenig Bewegung schadet den Knochen.
Was Knochen stärkt
Bewegung macht Knochen stark. Jede Muskelspannung führt zu einem Zug an den Knochen, was die knochenaufbauenden Zellen anregt. Besonders effektiv sind Aktivitäten, bei denen das eigene Körpergewicht getragen wird wie Gehen, Wandern und Krafttraining.
Auf kalziumreiche Ernährung achten
Schon in jungen Jahren kann eine kalziumreiche Ernährung helfen, Osteoporose im Alter vorzubeugen. Auch ältere Menschen sollten regelmäßig kalziumhaltige Lebensmittel zu sich nehmen. Denn es ist der entscheidende Baustoff, den Knochen enthalten und ständig brauchen. 1 000 Milligramm Kalzium sollte ein Erwachsener täglich zu sich nehmen, etwa durch Milchprodukte und Gemüse (siehe dazu die Tabelle: Wo viel Kalzium drin ist). Auch ein Liter von einem sehr kalziumreichem Mineralwasser kann helfen, etwa ein Drittel des täglichen Kalziumbedarfs zu decken (kalziumreiche Mineralwässer finden Sie im Produktfinder Natürliche Mineralwasser).
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Vitamin-D-Produktion durch Aufenthalte im Freien anregen
Vitamin D steigert die Aufnahme von Kalzium aus der Nahrung ins Blut und sorgt dafür, dass es in die Knochen eingebaut wird. Studien zeigen dass Menschen über 65 Jahren durch ausreichend Vitamin D und Kalzium ihr Risiko für Knochenbrüche senken können. An Vitamin D kommt der Mensch vor allem tagsüber durch Aufenthalte im Freien. Mithilfe des Sonnenlichts kann er in den Monaten von April bis September – wenn die Sonne in unseren Breiten hoch genug am Himmel steht – ausreichend Vitamin D bilden und sogar für die Wintermonate speichern. Allerdings funktioniert der natürliche Mechanismus bei einigen älteren Menschen nur noch eingeschränkt.
Der bloße Verzehr vitamin-D-haltiger Lebensmittel reicht nicht aus
Daher kann es für Menschen ab 65 Jahren, die sich nicht ausreichend mit unbedeckter Haut im Freien aufhalten oder in einem Pflegeheim leben, sinnvoll sein, täglich ein Vitamin-D-Präparat (mindestens 800 i. E.) einzunehmen. Egal, ob alt oder jung – vitamin-D-haltige Lebensmittel können den Vitamin-D-Bedarf maximal zu 20 Prozent decken. Dazu zählen Fettfische wie Hering und Lachs, Leber, Eigelb, einige Pilze wie Champignons und Pfifferlinge sowie Margarine und Butter. Weitere Informationen dazu im FAQ Vitamin D: Sonne pur oder Sonnencreme?.
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Was kann ich um mein Immunsystem zu erhalten und auch für die Arthrose einnehmen brauche eine Empfehlung