
Professorin Christl Reisenauer ist Leitende Ärztin der Abteilung Urogynäkologie am Uniklinikum Tübingen sowie des dortigen Beckenbodenzentrums. © Universitätsklinikum Tübingen / Britt Moulien
Christl Reisenauer empfiehlt vielen Betroffenen zunächst Beckenboden- oder Blasentraining. Sie erklärt, was dabei passiert, warum Profis es anleiten sollten – und wie man einen findet.
Frau Dr. Reisenauer, Beckenbodentraining gilt als Klassiker der Inkontinenztherapie. Was passiert da?
Ziel ist es, Muskeln des Beckenbodens gezielt anzuspannen und so zu stärken. Dazu lernen Interessierte, meist Frauen, Übungen – und auch, die Muskeln überhaupt wahrzunehmen. Hilfreich sind ferner Techniken, um im Alltag ungünstigen Druck auf den Beckenboden zu vermeiden.
Bei welchen Formen der Blasenschwäche nützt Beckenbodentraining?
Bei verschiedenen – gerade bei den häufigen wie der Belastungs- und Dranginkontinenz. Auch Männer können profitieren, was viele aber nicht wissen.
Stimmt es, dass Betroffene die Techniken am besten beim Profi lernen sollten?
Das ist auf jeden Fall zu empfehlen. Allein hat man keine Kontrolle, ob man die Übungen richtig macht – und das schwächt die Erfolgsaussichten.
Wer bietet denn Beckenbodentraining an?
Beispielsweise spezialisierte Physiotherapeuten, zu finden etwa unter ag-ggup.de. Wenn der Arzt das Training verordnet, erstatten Krankenkassen die Kosten.
Wie lange dauert so ein Training ungefähr?
Ein paar Wochen. Aber danach heißt es dranbleiben und regelmäßig üben.
Speziell bei Dranginkontinenz wird ein Blasentraining empfohlen. Wie funktioniert das denn?
Es soll die überaktive Blase daran gewöhnen, sich wieder stärker zu dehnen und mehr Harn zu speichern. Als Basis dient ein Protokoll. Patienten schreiben dafür nach Anleitung einige Tage lang unter anderem die jeweiligen Trinkmengen und die Zeiten des Wasserlassens auf. Diese werden dann allmählich ausgedehnt, angepasst an die individuelle Blasenkapazität. Das erfordert Disziplin, aber die Mühe lohnt.

Trink- und Toilettenprotokoll. Die Liste hilft beim Blasentraining und auch oft bei der Diagnose. Ein kostenloses Formular zum Selbstausfüllen bietet die Deutsche Kontinenz Gesellschaft. © Kontinenzzentrum Schwarzwald-Baar-Klinikum
Wo können Betroffene so ein Training machen?
Direkt beim behandelnden Arzt oder bei einem Physiotherapeuten. Auch für diese Therapie übernehmen Krankenkassen bei einer Verordnung die Kosten.
Können Blasen- und Beckenbodentraining auch bei schwerer Inkontinenz und im Alter was bringen?
Natürlich. Grundsätzlich ist die Rückkopplung mit dem Arzt sehr wichtig. Nach etwa drei Monaten lässt sich der Erfolg beurteilen. Darf ich noch einen Tipp geben?
Gern.
Übergewichtige sollten versuchen, abzunehmen. Etwa 5 bis 10 Prozent weniger Gewicht bewirkt erstaunlich viel gegen Inkontinenz.
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Leider kam sehr plötzlich ein hochgradiger Prostatakrebs infolge dessen viel heraus operiert wurde. Die Inkontinenz ist schlimm danach, Das einzige was half war Duloxetin wenn man die Nebenwirkungen akzeptiert.
Ich stele mir vor, dass das unglaublich unangenehm seinn muss, an Inkontinenz zu leiden. Auf jeden Fall werde ich die Tipps dieses Artikel weiterempfehlen, wenn es sich anbietet.
Beckenbodentraining ist mühsam zu erlernen und hilft bei überaktiver Blase nicht viel.Dankbar bin ich für die modernen Inkontinenzeinlagen mit denen ich mich sicher fühlen kann. Keiner, auch kein Arzt, konnte mir erklären wann ich was falsch gemacht habe in meinem Leben, zumal ich schon seit 30 Jahren mit dem Problem umgehen muß und keine Kinder geboren habe. Im Laufe des zunehmenden Alters (ich bin jetzt 80) hat sich nichts gebessert. Ich fing mit kleinen Einlagen an, bin jetzt bei "Extra".
Medikamentös fing ich mit Spasmex oder Spasmolyt an und nehme jetzt Vesikur.
Manchmal helfen die Tabletten, dass ich wenigstens die Toilette gut erreiche...aber leider nicht immer. Sehr hilft mir kontrolliertes trinken, also nicht so viel wie üblich angeraten wird. Ab 17 Uhr wird nicht mehr getrunken.
Das Wort "Windel" oder "windeln" für die Tätigkeit war früher in der Alten- und Krankenpflege sehr verbreitet. Damit wurde der Erwachsene mit einem Wort ins Babyalter zurück "gewindelt", zum Kleinkind degradiert und meist auch so behandelt.
Ich war selber dreißig Jahre in der Pflege und habe immer den Namen des Inkontinenzproduktes benannt und dokumentiert.
Stiftung Warentest sollte es mir nachtun, denn wir alle werden alt und möchten mit 80 nicht "gewindelt" werden.
@arthur.t: Mit speziellen, das Beckenbodentraining unterstützende, Hilfsmitteln haben wir uns bisher nicht befasst, so dass wir keine Empfehlungen geben können. Fragen Sie Ihren behandelnden Physiotherapeuten, welche Hilfsmittel er oder sie für das Training zu Hause empfiehlt. (bp)