
Dr. Holger Brackemann, Bereichsleiter Untersuchungen bei der Stiftung Warentest. © Stiftung Warentest
Im Gespräch mit test.de erklärt Dr. Holger Brackemann, Bereichsleiter Untersuchungen bei der Stiftung Warentest, wieso die bisherigen Maßnahmen der Kosmetikindustrie zur Qualitätskontrolle nicht ausreichen, und warum der Einsatz von Mineralölen in Kosmetika langfristige Risiken birgt.
Herr Brackemann, Sie sprechen von einer „potenziellen Gefahr“. Ist das nicht Panikmache?
Wir machen keine Panik, sondern informieren die Öffentlichkeit über ein Untersuchungsergebnis, das nicht nur uns, sondern auch viele andere Experten überrascht hat. Wir haben bei der wissenschaftlichen Überprüfung eines Zufallsfundes in einer Vielzahl von Kosmetik-Produkten kritische Stoffe gefunden. Auch wenn zum Eindringen in die Haut und zu den gesundheitlichen Folgen für den Menschen noch viele Fragen offen sind, gibt es doch Hinweise, die Anlass zur Sorge geben. Anders ausgedrückt: Von einer akuten Gesundheitsgefahr ist nicht auszugehen, mittel- oder längerfristige gesundheitliche Risiken sind aber nicht auszuschließen. Dabei muss man auch berücksichtigen, dass viele Verbraucher Körperpflege-, Styling- und Lippenpflegeprodukte täglich anwenden. Aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes ist es in einem solchen Fall selbstverständlich, dass wir Verbraucher wie auch Anbieter informieren.
Warum haben Sie die kritischen Moah gefunden – und die Kosmetikhersteller nicht?
Es ist davon auszugehen, dass bisher niemand Moah in einer derart großen Anzahl von Kosmetika vermutet hat, und schon gar nicht in den hohen Konzentrationen, wie wir sie in unserem Test fanden. Dass wir fündig wurden, dürfte vor allem daran liegen, dass wir eine inzwischen für Lebensmittel etablierte Methode weiterentwickelt haben. Damit ist es möglich, Moah in Kosmetika nachzuweisen. Die Anbieter aber verlassen sich im Wesentlichen auf eine Reinheitsprüfung, die das Europäische Arzneibuch zur Qualitätskontrolle vorsieht. Sie ist zum Nachweis von Moah nicht ausgelegt und auch nicht geeignet.
Was ist denn an den Mineralölbestandteilen kritisch?
Anlass zur Sorge geben mehrere Hinweise. Zum einen geht die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) davon aus, dass Moah erbgutverändernde und krebserregende Komponenten enthalten. Deshalb sollten sie nicht in Lebensmitteln vorkommen; das ist heute wissenschaftlicher Konsens. Das lässt sich auch auf Lippenpflegeprodukte übertragen, die nachgewiesenermaßen abgeleckt und geschluckt werden. Noch ist unklar, ob Moah auch durch intakte Haut dringen. Eine Schweizer Studie mit stillenden Frauen deutet aber darauf hin. Einige Produkte im Test sind explizit für raue oder rissige Haut gedacht. Bei derart geschädigter Hautbarriere liegt es besonders nahe, dass Moah eindringen können. Die Hauptfraktion der Mineralöle, Mosh genannt, enthält keine krebserregenden Bestandteile. Von ihnen weiß man aber, dass sie sich teilweise im Körper anreichern. Die möglichen gesundheitlichen Folgen für den Menschen sind nicht geklärt.
Wie kann ich mich als Verbraucher vor Moah schützen?
Die positive Botschaft ist, dass es viele Produkte gibt, die ohne Mineralöle hergestellt werden. Der Verbraucher sollte in die Liste der Inhaltsstoffe schauen. Wer auf Nummer sicher gehen will, findet konventionelle Kosmetika ohne Mineralölkomponenten. Und: In zertifizierter Naturkosmetik darf kein Mineralöl eingesetzt werden.
Welche Forderungen leiten Sie als Verbraucherschützer aus Ihrem Test ab?
Wir fordern die Hersteller und die Rohstofflieferanten auf, die Belastung mit Moah soweit wie möglich zu minimieren oder am besten ganz zu vermeiden. Das sollte schnell erfolgen und nicht davon abhängig gemacht werden, bis die letzten fachlichen Fragen geklärt sind. Dass eine Reduzierung möglich ist, bestätigt etwa das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Außerdem muss bei den Analyseverfahren für die Rohstoffe in der Kosmetikindustrie nachgebessert werden. Der Gehalt an Moah muss mit geeigneten Methoden regelmäßig überwacht werden. Und wir fordern, dass sich Behörden und Forschung mit gesundheitlichen Folgen von Moah in Kosmetika auseinandersetzen.
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@RenatePoxleitner: Auf jeden Fall raten wir Ihnen, mit einem Arzt Ihres Vertrauens zu sprechen. Eine Ärztin oder ein Arzt kann Ihnen bestimmt bei der Wahl einer Salbe behilflich sein.
In allen 25 untersuchten kosmetischen Produkten, die mit Mineralöl hergestellt sind, fanden wir kritische Substanzen. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte auch andere mineralölhaltige Kosmetika meiden. Mineralöl steht in der Inhaltsstoffliste auf der Verpackung – meist mit folgenden Begriffen: Cera Microcristallina (Microcristallina Wax), Ceresin, Mineral Oil, Ozokerite, Paraffin, Paraffinum Liquidum, Petrolatum.
Es gibt aber auch viele Pflegeprodukte ohne den Zusatz von Mineralöl.
In Naturkosmetik darf es per se nicht eingesetzt werden. (cr)
Ich suche dringend eine mineralhaltige Salbe.
Ich habe sehr trockene, entzündete Haut im Intimbereich und möchte trotzdem keinen Pool mit Chlor desinfizieren.
Mineralhaltige Salbe wirkt wie ein Film auf der Haut und ist das Mittel der ersten Wahl für alle Betroffenen.
Leider hoert man nur Klagen, wie heissen die Salben?
Wenn die naturgemäße Produktion der Talgdrüsen schwindet, ist ein Hautpflegemittel mit möglichst ähnlicher Zusammensetzung angesagt. Mineralölprodukte haben also nichts in Körperpflegemitteln zu suchen. Die Hersteller sollten mit den Argumenten "frei von Mineralölprodukten" oder "entspricht dem natürlichen Schutz der Haut" werben. Dies gilt m. E. im Prinzip auch für äußerlich anzuwendende Arzneimittel, selbst wenn im untersuchten Anwendungszeitraum keine Penetration nachweisbar ist.
Nein, nicht nur die Hersteller sind gefordert. Es sind auch die Kunden gefordert. Mineralöl ist nicht der einzige kritische Stoff in konventioneller Kosmetik. Deshalb habe ich schon vor Jahren auf Naturkosmetik umgestellt und übrigens keinerlei Allergien oder Hautprobleme! Des weiteren ist Stiftung Warentest gefordert. Wenn alle Produkte mit Inhaltsstoffen auf Mineralölbasis abgewertet werden, dann sind die Hersteller in Zugzwang. Bisher waren die Testsieger von Stiftung Warentest aber oft mit Mineralöl und anderen kritischen Stoffen.
Ich finde auch, dass es durchaus ohne Palmöl geht und das auch vehement verteidigt und verbreitet werden sollte.. Es gibt inzwischen so viele Kosmetikprodukte, da sollte viel mehr Aufklärung gemacht werden!