Mineralöl als kosmetischer Inhaltsstoff: Die potenzielle Gefahr
Wie bedenklich Mineralöle für den Menschen sind, ist nicht geklärt. Aber es gibt Hinweise auf Risiken.
Mineralöle für Kosmetika werden aus Erdöl hergestellt. Das ist ein komplexes Gemisch aus verschiedenen Kohlenwasserstoffen, das sich im Wesentlichen aus zwei chemischen Fraktionen zusammensetzt: aus gesättigten – Mineral Oil Saturated Hydrocarbons, Mosh – und aus aromatischen Kohlenwasserstoffen – Mineral Oil Aromatic Hydrocarbons, Moah. Die Hauptfraktion mit dem größten Anteil bilden die Mosh.
Wie gefährlich sind Mosh und Moah?
Sie werden toxikologisch unterschiedlich bewertet. Von einem Teil der Mosh weiß man, dass sie über die Nahrung leicht aufgenommen werden und sich im Körper anreichern. Eine Analyse von Gewebeproben von 37 Personen ergab: Jeder Vierte hatte mehr als 5 Gramm Mosh im Körper. Diese Ablagerungen können Knötchen (Granulome) in Leber, Milz und Lymphknoten bilden. In einigen Tierversuchen lösten solche Knötchen chronische Entzündungen aus, was bei Menschen bisher nicht beobachtet wurde. Besonders kritisch werden Moah eingestuft: Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, Efsa, nimmt an, dass Moah erbgutverändernde und krebserregende Komponenten enthalten.
Welche Kosmetika sind besonders kritisch?
Alle, die im Mund landen, vor allem Lippenstifte und -pflege. Sie werden quasi wie Lebensmittel aufgenommen. Laut Efsa ist die Aufnahme von Mosh und Moah über die Nahrung potenziell besorgniserregend: „of potential concern“. Da Moah als potenziell krebserregend gelten, sollten sie überhaupt nicht in den Körper gelangen. Mineralöle und damit Mosh sind in Kosmetika prinzipiell erlaubt. Weil Lippenprodukte oral aufgenommen werden, gelten für ihre Zusammensetzung aber spezielle Vorgaben: Der Dachverband der europäischen Kosmetikindustrie Colipa, heute Cosmetics Europe, hat 2004 eine Empfehlung herausgegeben, nach der in Lippen- und Mundpflegeprodukten nur höher viskose Mineralölrohstoffe verwendet werden sollen. Rohstoffe aus kürzerkettigen Kohlenwasserstoffen sollten nicht mehr als 5 Prozent ausmachen. Besonders sie können sich im menschlichen Gewebe einlagern. Diese Verbandsempfehlung zur Reduzierung bestimmter, heute zu Mosh gezählter Mineralölrohstoffe zeigt, dass die Industrie für das Thema seit Jahren sensibilisiert ist. Bei den Lippenpflegeprodukten im Test fanden wir keinen Hinweis, dass die Empfehlung missachtet wurde. Moah enthalten allerdings alle.
Gehen Mineralöle durch die Haut?
Johnson & Johnson, Hersteller von Penaten und Bebe, verweist auf Studien, nach denen Mineralölsubstanzen nur in die äußerste Hautschicht eindringen. Sind die angewandten Methoden empfindlich genug, das zu klären? Zweifel lässt eine Untersuchung von Wissenschaftlern aus der Schweiz aufkommen. Sie stellten fest: Bei stillenden Frauen, die Brustsalben oder Vaseline auf Brust und Warzen cremten, stieg der Mineralölgehalt in der Muttermilch schnell und deutlich an. Die Autoren schlussfolgern, dass die Mineralöle durch die Haut gedrungen sein müssen. Selbst Anbieter im Test werben mit Tiefeneffekten: Das Melkfett von TeeProSyn „dringt rasch ein und wirkt bis in tiefe Hautschichten“, das Dove-Körperöl soll die Haut „tiefenwirksam“ pflegen.
Was passiert bei geschädigter Haut?
„Hilft bei kleinen Verbrennungen, Abschürfungen, Hautreizungen, rauhen und rissigen Hautstellen“, steht etwa auf der Verpackung der Abtei-Vaseline. Das Melkfett von TeeProSyn soll „bei strapazierter, trockener, rauher und rissiger Haut“ angewendet werden. Es liegt nahe, dass die Inhaltsstoffe gerade bei geschädigter Hautbarriere eindringen. Studien dazu sind uns nicht bekannt.