Interview: „Die Lage der Bauern hat sich massiv verschärft“

Friedel Hütz-Adams vom Institut Südwind recherchiert über Missstände im Kakaoanbau und verfasst Studien dazu. Er sagt:“Zum Genießen gehören für mich faire Kakaopreise!“
Kinderarbeit ist im Kakaoanbau an der Tagesordnung, Bauern leben in Armut. Nachhaltigkeitsexperte Friedel Hütz-Adams fordert eine gesetzliche Regelung.
Kinderarbeit und gesunkene Weltmarktpreise
Wie ist die Situation der Kakaobauern?
Seit fast 20 Jahren versprechen Schokoladenunternehmen, dass die Produktion nachhaltig wird. Für die meisten der weltweit fünfeinhalb Millionen Kleinbauernfamilien hat sich aber wenig geändert. Studien belegen, dass Kinderarbeit noch immer weit verbreitet ist – ein Symptom für Armut. In der Elfenbeinküste, aus der mehr als die Hälfte der deutschen Importe kommt, können sich Familien manchmal nicht drei Mahlzeiten am Tag leisten.
Wie kann das sein – trotz hoher Kakao-Nachfrage?
Der Weltmarktpreis für Kakao liegt inflationsbereinigt viel niedriger als in den 1950er- bis 80er-Jahren. Durch eine leichte Überproduktion ist er 2016 um etwa ein Drittel auf die gut 2 000 Dollar pro Tonne abgestürzt, um die er jetzt pendelt. Das hat die Lage der Bäuerinnen und Bauern massiv verschärft. Nur wenige sind in Kooperativen organisiert. Sie haben nicht die Macht, gegenüber großen Kakao-Unternehmen ein existenzsicherndes Einkommen durchzusetzen.
Zertifizierungen und firmeneigene Programme
Was bringen Nachhaltigkeitsprogramme wie Fairtrade, Utz und Co?
Sie allein können die Probleme nicht lösen. Bei Fairtrade etwa liegt der Mindestpreis knapp unter dem Niveau des derzeitigen Weltmarkpreises plus 200 Dollar Prämie pro Tonne. Das reicht nicht. Doch Zertifizierungen sind sehr wichtig, weil sich damit auch die Herkunft des Kakaos zurückverfolgen lässt. Hunderttausende Tonnen kommen von Flächen, die eigentlich geschützter Regenwald waren. In der Elfenbeinküste ist nicht mehr viel davon übrig.
Viele Firmen haben eigene Programme. Was bewirken sie?
Darüber liegen bei den meisten keine unabhängigen Untersuchungen vor. Ich kann nicht sagen, ob aus Sicht der Bauern eine Fairtrade-zertifizierte Schokolade besser ist als eine aus einem Programm von Lindt, Mars, Nestlé Ferrero oder Mondelez. Was feststeht: Viele Projekte bringen kleine Fortschritte, etwa wenn sie Bauern in Agrarpraktiken schulen und dabei unterstützen, auch andere Früchte wie Kochbananen anzubauen. Bisher profitieren jedoch nur wenige Kakaobauern von diesen Programmen.
Gesetz sollte Einhaltung von Menschenrechten vorschreiben
Was müsste sich ändern?
Aktuell entfallen bei einer Standardtafel Vollmilchschokolade nur rund 7 Cent auf den Rohkakao. Der Anteil für Werbung dürfte bei vielen Marken deutlich höher sein. Wir brauchen eine EU-Gesetzgebung, die die Einhaltung von Menschenrechten in Produktionsketten vorschreibt. Das würde alle zwingen, ihre Wertschöpfungsketten zu ändern.
Was können die Verbraucher tun?
Informieren Sie sich. Wenige Unternehmen zahlen freiwillig mehr als den Weltmarktpreis wie Tony Chocolonely in den Niederlanden. Wenn Sie Schokolade mit Nachhaltigkeitssiegel kaufen, haben Sie immerhin eine Garantie, dass mit Bäuerinnen und Bauern an Verbesserungen gearbeitet wird – sie etwa gezielter Pestizide einsetzen oder höhere Erträge haben. Besser noch sind Projekte, bei denen Preise gezahlt werden, die existenzsichernde Einkommen ermöglichen.